Warum steht der Kormoran noch unter Naturschutz?

Kaum eine Vogelart polarisiert so stark wie der Kormoran. Wir geben einen kurzen Überblick über die Herausforderungen, die die Erholung des Kormoranbestandes mit sich bringt sowie über den Schutzstatus und etwaige Möglichkeiten der Bejagung von Phalacrocorax carbo.

Ein Kormoran (Bildquelle: https://unsplash.com/photos/LTzbD8lj0kw)
Ein Kormoran (Bildquelle: https://unsplash.com/photos/LTzbD8lj0kw)

Nachdem insbesondere in der ersten Hälfte des vergangenen Jahrhunderts das Vorkommen des Kormorans (Phalacrocorax carbo) aufgrund massiver Verfolgung stark zurückgegangen war, hat sich der Bestand in den vergangenen Jahrzehnten wieder gut erholt. Der Naturschutzbund Deutschland e.V. (NABU) schätzt die aktuelle Population auf etwa 26.000 Brutpaare in Deutschland.[1]

Der Kormoran polarisiert wie kaum eine andere Vogelart. Mit den stetig steigenden Beständen erhöht sich auch die Wahrscheinlichkeit, dass regional unerwünschte Einwirkungen von Kormoranen auf die Fischfauna von Gewässern und den Fischbestand in Teichwirtschaften zu verzeichnen sein können, was wiederum zu einem gesteigerten Konfliktpotenzial führt.

Angler an einem Teich (Symbolbild: andreas160578)

Wirtschaftliche Schäden für die Binnenfischerei und Aquakultur

Ein beliebtes Argument gerade von Tier- und Naturschutzverbänden war bisher, dass Kormorane keinen Einfluss auf kommerziell genutzte Fischbestände haben, da sie hauptsächlich kommerziell uninteressante Fischarten fressen und ihr Nahrungsbedarf je Vogel und Tag lediglich etwa 180 bis 350 g betragen würde. Denn valide Daten über die täglichen Mengen und die Zusammensetzung des Speiseplans der Kormorane gab es lange Zeit nicht. Eine Studie aus dem Jahr 2021 hat hier Abhilfe geschaffen (wir berichteten). Diese Studie zeigt, dass die von Kormoranen aufgenommenen Fischmengen beachtlich und größer sind als bisher angenommen. Und: Es werden auch kommerziell wichtige Arten erheblich dezimiert.

Aber nicht nur die kommerzielle Fischerei leidet unter dem Kormoran, sondern auch die privaten Angler.

Auch Angler sind betroffen

Wenn sich Kormorane auf einen See oder einen Teich fixiert haben, dann kann dies dem Fischbestand stark schaden, vor allem beliebte Angler-Teiche können in kürzester Zeit erheblich an Bestand verlieren, wenn nichts gegen die Vögel getan wird. Ob Zander, Äsche, Hechte, Karpfen und Co., die Kormorane machen auch vor diesen Fischarten keinen Halt und fischen im schlimmsten Fall ganze Gewässer leer.

Aufgrund dieser Konkurrenzsituation um die Ressource Fisch werden insbesondere von Fischereivertretern und Sportanglern deutliche Eingriffe in die europäischen Kormoranbestände gefordert. Die Auswirkung der Kormoranpopulation auf die Artenvielfalt in heimischen Gewässern und auf die Fischereiwirtschaft sowie Forderungen nach einem Kormoran-Management sind seit mehreren Jahren Gegenstand einer politischen Diskussion.

Im Folgenden versuchen wir Ihnen einen kurzen Überblick über die Bestandssituation des Kormorans zu geben, über dessen Schutzstatus und die Möglichkeit zur Vergrämung respektive Bejagung.

Ist der Kormoran wirklich noch bedroht?

Auf der aktuellen „Roten Liste“ wird der Kormoran als „ungefährdet“ eingestuft. Als Bestandstrend wird ihm kurz- sowie langfristig eine deutliche Zunahme prognostiziert. ABER…

Artenschutzrechtliche Vorgaben:

Der Kormoran war zunächst im Anhang I der Richtlinie 79/409/EWG des Rates vom 2. April 1979 über die Erhaltung der wildlebenden Vogelarten (Vogelschutzrichtlinie) gelistet, sodass seitens der EU-Mitgliedstaaten besondere Schutzmaßnahmen hinsichtlich seiner Lebensräume anzuwenden waren, um sein Überleben und seine Vermehrung in seinem Verbreitungsgebiet sicherzustellen. Nach dem kräftigen Anstieg der Population wurde der Kormoran im Jahr 1997 aus diesem Anhang entfernt.

Gleichwohl genießt der Kormoran weiterhin den Schutz der aktuell geltenden Richtlinie 2009/147/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 30. November 2009 über die Erhaltung der wildlebenden Vogelarten (Vogelschutzrichtlinie), denn sie betrifft gemäß Artikel 1 Absatz 1 die Erhaltung sämtlicher wildlebenden Vogelarten, die im europäischen Gebiet der Mitgliedstaaten heimisch sind.

Mehrere Kormorane auf einem Baum sitzend (Foto: chrisbeez)
Mehrere Kormorane auf einem Baum sitzend (Foto: chrisbeez)

Bestimmungen des Bundesnaturschutzgesetzes (BNatSchG)

Die Vogelschutzrichtlinie findet ihre Umsetzung ins nationale Recht im Bundesnaturschutzgesetz (BNatSchG). Nach Maßgabe des BNatSchG ist der Kormoran eine besonders geschützte Art (§ 7 Abs. 2 Nr. 13 b) bb) BNatSchG), weil er zu den europäischen Vogelarten gehört (§ 7 Abs. 2 Nr. 12 BNatSchG). Gemäß § 44 Absatz 1 Nr. 1 BNatSchG ist es verboten, wild lebende Tiere der besonders geschützten Arten zu töten. § 44 Absatz 1 Nr. 2 BNatSchG verbietet es, wild lebende Tiere der europäischen Vogelarten während der Fortpflanzungs-, Aufzucht-, Mauser-, Überwinterungs- und Wanderungszeiten erheblich zu stören. Eine erhebliche Störung liegt vor, wenn sich durch die Störung der Erhaltungszustand der lokalen Population einer Art verschlechtert.

Ausnahmen

Diese Verbote gelten indes nicht uneingeschränkt. So können gemäß § 45 Absatz 7 BNatSchG Ausnahmen u.a. zur Abwendung ernster fischerei- oder wasserwirtschaftlicher Schäden oder zum Schutz der natürlich vorkommenden Tier- und Pflanzenwelt zugelassen werden. Die Zulassung von Ausnahmen kann dabei im Wege einer behördlichen Einzelfallentscheidung oder auch allgemein durch Rechtsverordnung erfolgen. Voraussetzungen sind jeweils, dass zumutbare Alternativen nicht gegeben sind und sich der Erhaltungszustand der Populationen einer Art nicht verschlechtert. Zudem ist Artikel 9 Absatz 2 der Vogelschutzrichtlinie zu beachten, welcher Vorgaben zur inhaltlichen Ausgestaltung der Ausnahmeerteilung enthält. So ist u.a. anzugeben, für welche Vogelarten die Abweichungen gelten, welche Fang- oder Tötungsmittel, -einrichtungen und -methoden zugelassen werden und welche Kontrollen vorzunehmen sind.

Die Zulassung der Tötung von Kormoranen setzt voraus, dass zumutbare Alternativen nicht gegeben sind. Diese Voraussetzung in § 45 Absatz 7 S. 2 BNatSchG geht zurück auf Artikel 9 Absatz 1 der Vogelschutzrichtlinie („sofern es keine andere zufriedenstellende Lösung gibt“).

Der Europäische Gerichtshof betonte in einer jüngsten Entscheidung, dass es für die Artenschutzbestimmungen der Union weder auf eine Bedrohungslage noch auf eine Rückläufigkeit der Population ankomme, sondern der Schutz auch für solche Arten gelte, die einen günstigen Erhaltungszustand erreicht haben.

Kormoran-Verordnungen

Mit Ausnahme von Hessen und des Saarlandes haben alle Flächenländer von der Verordnungsermächtigung des § 45 Absatz 7 Satz 4 BNatSchG in Gestalt sog. Kormoran-Verordnungen Gebrauch gemacht.

Jäger mit Flinte im Anschlag und Jagdhund an einem Gewässer (Symbolbild: iStock/janne27)
Jäger mit einer Flinte im Anschlag und Jagdhund an einem Gewässer (Symbolbild: iStock/janne27)

Die Kormoranverordnung des Landes Nordrhein-Westfalen (Kormoran VO-NRW) vom 12, Juni 2018 gestattet etwa zum Schutz der natürlich vorkommenden Fischfauna und der Abwendung erheblicher fischereiwirtschaftlicher Schäden durch Kormorane (Phalacrocorax carbo), dass „berechtigte Personen Kormorane in bestimmten Bereichen durch Abschuss töten und die Entstehung neuer Brutkolonien verhindern. Durch diese Maßnahmen sollen Kormorane bei drohenden Schäden aus diesen Bereichen vergrämt werden“.

Diese abweichend von § 44 Absatz 1 Nummer 1 des Bundesnaturschutzgesetzes erlassene Norm ist beschränkt auf Kormorane, die sich auf, über oder näher als 250 Meter an einem stehenden oder fließenden Gewässer oder einer Anlage zur Fischzucht oder Fischhaltung, die im Haupt- oder Nebenerwerb betrieben wird, befinden.

Nicht geschossen werden dürfen Kormorane jedoch

  • in befriedeten Bezirken, mit Ausnahme von eingefriedeten Anlagen zur Fischzucht oder Fischhaltung nach § 1 Absatz 3 des Landesfischereigesetzes, die im Haupt- oder Nebenerwerb betrieben werden,
  • in einem Nationalpark,
  • einem Naturschutzgebiet oder
  • in einem Natura 2000-Gebiet und
  • an oder auf einem Privatgewässer nach § 1 Absatz 4 des Landesfischereigesetzes sowie
  • einem nach § 2 des Landesfischereigesetzes Privatgewässer gleichgestellten Gewässer, sofern die nutzungsberechtigten Personen ihr Einverständnis zum Abschuss nicht schriftlich erklärt haben.

Die Zulassung ist beschränkt auf die Zeit vom 16. August bis 1. März in der Zeit eineinhalb Stunden vor Sonnenaufgang bis eineinhalb Stunden nach Sonnenuntergang.

Im Zeitraum vom 2. März bis 15. August dürfen von Sonnenaufgang bis Sonnenuntergang nur im Jugendkleid befindliche (immatur gefärbte), nicht am Brutgeschäft beteiligte Kormorane getötet werden.

Zum Abschuss ist berechtigt, wer einen gültigen Jagdschein besitzt und in dem jeweiligen Bereich jagdausübungsberechtigt ist oder von der in dem jeweiligen Bereich jagdausübungsberechtigten Person zum Abschuss ermächtigt worden ist.

Anlagen zur Fischzucht oder Fischhaltung

Die Inhaberinnen und Inhaber von eingefriedeten Anlagen zur Fischzucht oder Fischhaltung nach § 1 Absatz 3 des Landesfischereigesetzes, die im Haupt- oder Nebenerwerb betrieben werden, sind, sofern sie einen gültigen Jagdschein besitzen, innerhalb der Einfriedung ebenfalls berechtigt Kormorane zu schießen, wenn sie sich auf oder über dem Betriebsgelände befinden.

Verhinderung der Entstehung neuer Brutkolonien

Des Weiteren dürfen die dazu berechtigten Personen im Zeitraum vom 16. August bis 1. März abweichend von § 44 Absatz 1 Nummer 3 des Bundesnaturschutzgesetzes durch nicht-letale Maßnahmen (beispielsweise durch Lärm und Licht, Entfernen von Ästen) mit Zustimmung des Grundstückseigentümers die Entstehung neuer Brutkolonien des Kormorans vor Beginn der Eiablage verhindern. […] Solche Maßnahmen haben die berechtigten Personen mindestens eine Woche vor ihrer Durchführung der unteren Naturschutzbehörde anzuzeigen.

Die Jagdausübungsberechtigten haben der unteren Jagdbehörde bis zum 15. April jeden Jahres auf dem Formblatt „Jährliche Streckenmeldung“ die Zahl der im Vorjahr getöteten Kormorane mitzuteilen. Die Inhaberinnen oder Inhaber von Anlagen zur Fischzucht oder Fischhaltung haben der unteren Naturschutzbehörde bis zum 15. April jeden Jahres die Gesamtzahl der im Vorjahr in ihren Anlagen getöteten Kormorane schriftlich mitzuteilen.

Wenn schwarze Schwan-Attrappen helfen, dann sollten dies echte „Trauerschwäne“ wohl auch tun. (Symbolbild: Alexas_Fotos)
Wenn schwarze Schwan-Attrappen helfen, dann sollten dies echte „Trauerschwäne“ wohl auch tun. (Symbolbild: Alexas_Fotos)

Sonstige Möglichkeiten der Vergrämung von Kormoranen

Doch welche Möglichkeiten gibt es Kormorane zu vergrämen, wenn das Jagen nicht erlaubt ist? Dies ist leider gar nicht mal so leicht.

Eine Methode, deren Wirksamkeit kontrovers diskutiert wird, ist das Ausbringen von schwarzen Schwan-Attrappen, welche auf oder um Seen und Flüsse ausgebracht werden sollen. Wenn überhaupt, dann verspricht diese Option nur kurzfristigen Erfolg. Eine bessere Vegrämung soll erreicht werden, wenn die Attrappen sich bewegen, also beispielsweise mit einem Motor ausgestattet sind.

Optional besteht die Möglichkeit gerade kleinere Teiche mit netzen, die über der Wasserfläche aufgespannt werden, zu schützen. Dies sieht zwar nicht so schön aus, hilft aber oftmals recht gut.

Darüber hinaus finden auch sog. „Knallschreckgeräte“ Verwendung, die die Kormorane mittels akustischer Reize vergrämen sollen.

Fazit:

„Warum steht der Kormoran noch unter Naturschutz?“

Das war unsere Ausgangsfrage, deren Beantwortung nach dem zuvor Beschriebenen lautet: aufgrund der aktuell geltenden Richtlinie 2009/147/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 30. November 2009 über die Erhaltung der wildlebenden Vogelarten (Vogelschutzrichtlinie). Und das, obwohl der Kormoran weder in Deutschland noch in Europa als gefährdet eingestuft wird.

Wie wir ebenfalls gehört haben, gibt es, bis auf ganz wenige Ausnahmen, in jedem Bundesland Kormoran-Verordnungen, die eine Bejagung unter spezifischen Voraussetzungen, die von Bundesland zu Bundesland unterschiedlich sein können, zulassen.

Sollten Fischer oder Angler von „erheblichen fischereiwirtschaftlichen Schäden“ betroffen oder bedroht sein, bietet sich in jedem Fall ein Gespräch mit dem zuständigen Jagdausübungsberechtigten oder der örtlichen Jägerschaft an.

Unbedingt sollte vor der geplanten Bejagung oder Vergrämungsmaßnahme, Rücksprache mit der zuständigen Behörde gehalten werden, um rechtlich auf der sicheren Seite zu sein.

Siehe dazu: Deutscher Bundestag (Hrsg.) / Wissenschaftliche Dienste: Sachstand – Zur Zulässigkeit der Tötung von Kormoranen, WD 8 – 3000 – 085/21, 16. September 2021, Berlin.


[1] https://www.nabu.de/tiere-und-pflanzen/voegel/portraets/kormoran/ (Stand: 25.04.2022)