Goethe und die Jagd

Teil II: Über Wildschaden, Hofjagden und Goethes Verhältnis zu Jägern und Forstleuten

Goethe in der Campagna, Gemälde von Johann Heinrich Wilhelm Tischbein (Foto: WikiImages)
Goethe in der Campagna, Gemälde von Johann Heinrich Wilhelm Tischbein (Foto: WikiImages)

Wildschaden – Goethe als Sprachrohr der Betroffenen

Zur Zeit Goethes erreichte der Wildbestand in vielen Teilen Deutschlands ungeahnte Größen. Das Recht der Hohen Jagd stand ausschließlich den Landesfürsten zu und hohe Strecken mehrten Ruhm und Ansehen eines Fürsten – zumindest unter seinesgleichen!

Goethe blieb dieser Umstand natürlich nicht verborgen und er hat in manchem Schreiben, auch gegenüber dem Fürsten, diese Mißstände deutlich benannt und deren Behebung gefordert. So auch im Jahre 1784. Goethe hatte zahlreiche Klagen von Forstleuten und Bauern über Wildschweine vernommen. Die Schäden waren so immens, dass er sich genötigt sah, dem Herzog umgehend davon zu berichten:

„Auch die Jagdlust gönne ich Ihnen von Herzen und nähre die Hoffnung, dass Sie dagegen nach Ihrer Rückkunft die Ihrigen von der Sorge eines drohenden Übels befreien werden. Ich meine die wühlenden Bewohner des Ettersberges. Ungern erwähne ich dieser Thiere, weil ich gleich Anfangs gegen deren Einquartierung protestirt und es einer Rechthaberei ähnlich sehen könnte, daß ich nun wieder gegen sie zu Felde ziehe. Nur die allgemeine Aufforderung kann mich bewegen ein fast gelobtes Stillschweigen zu brechen und ich schreib lieber, denn es wird eine der ersten Sachen seyn die Ihnen bey Ihrer Rückkunft vorgebracht werden. Von dem Schaden selbst und deren Verhältnis einer solchen Heerde zu unserer Gegend sage ich nichts ich rede nur von dem Eindrucke den es auf die Menschen macht. Noch habe ich nichts so allgemein mißbilligen sehn, es ist darüber nur Eine Stimme. Gutsbesitzer, Pächter, Unterthanen, Dienerschafft, die Jägerey selbst, alles vereinigt sich in dem Wunsche diese Gäste vertilgt zu sehen“.

Die Schwarzwildproblematik unterschied sich somit damals offenbar nicht wesentlich von der heutigen.

Im weiteren Verlauf seines Briefes versucht Goethe dem Herzog sehr geschickt und durch die Blume zu vermitteln, dass die Akzeptanz seiner Jagdleidenschaft in der Bevölkerung durchaus gegeben sei, sicherlich aber nicht so weit ginge, derartige Ereignisse zu ertragen.

Aber nicht nur der Wildschaden durch die großen Tiere beschäftigte Goethe. Auch des schädlichen Einflusses der Hasen war der Dichter sich durchaus bewusst. Im Jahre 1777 hatte er etliche Obstbäume als Geschenk für seine Freundin Charlotte von Stein vorgesehen. In Fürsorge um die zu verschenkenden Bäume schrieb er im gleichen Jahr an die Freundin: „...die Bäume sind angekommen, 30 an der Zahl, gute Kirschbäume auch wenige Obstbäume guter Sorten. Wie und wann sollen sie nach Kochberg? Sie müssen wohl gepflanzt und sonderlich gegen die Haasen mit starken Dornen verwahrt werden“.

Aufwand und Ertrag – Goethe und die Hofjagd

Auch den sehr aufwendigen Hofjagden, mit einem immensen Aufwand an Menschen und Material stand Goethe zuweilen sehr skeptisch gegenüber. Er verglich einmal die aufwendigen Hofjagden mit einem „Feuerwerk in den Mittagsstunden“: Nur horrende Kosten und kaum sichtbare Erfolge!  Goethe war zwar ein Freund des gemeinsamen wilden Jagens, hatte aber auch hier, offenbar ähnlich wie beim Wildschaden, immer auch das öffentliche Ansehen im Auge. Er wusste, als geschickter Politiker der immer auch ein Ohr am Volke hatte, wie wichtig auch hier ein sensibles Vorgehen war.

Das Fürstenhaus in Weimar. Im Vordergrund ein Reiterstandbild Carl Augusts (Foto: lapping)

Einmal schrieb er an den Herzog, es ging offenbar wieder um Wildschäden durch Wildschweine: „…diese Erbfeinde der Kultur, ohne Jagdgeräusch nach und nach der Tafel aufgeopfert werden…“. Aus vielen seiner Texte lässt sich unschwer ablesen, dass es einem wachen Geist wie Goethe auch in damaliger Zeit schon an einer effektiven Öffentlichkeitsarbeit in Sachen Jagd gelegen war. Er sah damals die immensen Bürden die dem gemeinen Volk durch die Jagdleidenschaft des Adels auferlegt wurden und suchte deren Folgen in vielerlei Hinsicht zu mildern. Sicherlich stand Goethe auch die französische Revolution vor Augen, deren Beweggründe unter anderem auch die Entrechtung der Bauern im Hinblick auf den Schutz ihrer Kulturen vor Wildtieren war. In einem maßvollen Umgang mit der „Leidenschaft Jagd“ und einem wachsamen Ohr auf die berechtigten Sorgen der Landbevölkerung in Bezug auf Wildschäden sah Goethe vielleicht auch einen Schutz vor einer möglichen Revolution – auch im damaligen Deutschland.

Goethes Verhältnis zu Jägern und Forstleuten

Goethe hatte Kontakt zu zahlreichen bedeutenden Forstleuten und erfahrenen Jägern der damaligen Zeit. Besonders zu erwähnen ist sein Kontakt zu Johann Heinrich Cotta, dem weltweit ersten Begründer einer forstlichen akademischen Ausbildung. Er gründete die forstliche Akademie zu Tharandt bei Dresden. Goethe besuchte Cotta einige Male in Tharandt und der Forstmann war auch Gast in Weimar. Wie zahllose Tagebucheintragungen Goethes nahelegen, suchte er stets das Gespräch mit erfahrenen und sachkundigen Forstleuten und Jägern und nahm an allen Belangen den Wald und das Wild betreffend regen Anteil.

Wir wollen einen Jäger fragen; die kennen den ganzen Wald, und alle Früchte wissen sie zu säen, zu pflanzen und zu waren, dann lassen sie die Stämme wachsen und groß werden wie sie können. Die Jäger wissen alles; gestern zeigte mir der Bote, wie ein Hirsch über dein Weg gegangen sei, er rief mich zurück und ließ mich die Fährte bemerken, wie er es nannte; ich war darüber weggesprungen, nun aber sah ich deutlich ein paar Klauen eingedrückt; es mag ein großer Hirsch gewesen sein.“ (aus „Wilhelm Meisters Lehrjahre“)

Goethes Hochachtung vor den Jägern und Forstleuten gründete sich aber längst nicht nur auf deren profundes Wissen über Wildtiere, sondern gerade auch über deren Kenntnis zum Hauptlebensraum des Wildes, dem Wald: „Schon der erste Winter gewährte die raschen, geselligen Freuden der Jagd, von welchen ausruhend man die langen Abende nicht nur mit allerlei merkwürdigen Abenteuern der Wildbahn, sondern auch vorzüglich zur Unterhaltung über die nöthige Holzkultur zubrachte. Denn die weimarische Jägerei bestand aus trefflichen Forstmännern, unter welchen der Name Schell in Segen bleibt. Eine Revision sämtlicher Waldreviere, gegründet auf Vermessung, war bereits vollbracht, und für längere Zeit eine Eintheilung der jährlichen Schläge vorgesehen“.

Hier singt Goethe schon zur damaligen Zeit ein Loblied auf das Prinzip der Nachhaltigkeit, das heute in aller Munde ist und als „Sustainable Use“ fröhliche Urstände in vielen gesellschaftlichen Bereichen feiert. Zur damaligen Zeit nahm der Begriff der Nachhaltigkeit zuallererst in der Forstwirtschaft klare Konturen an und bezog sich hier auf einen kontinuierlichen Einschlag, ohne den Wald auszubeuten und die Holzvorräte zu übernutzen. Ein Grundsatz, dem auch wir Jäger bei der Nutzung unserer Wildbestände vorbehaltlos folgen können – unsere Abschußpläne sind auch aus den Gedanken einer nachhaltigen Bejagung geboren.

Goethe war leidenschaftlicher und kritischer Jäger und wusste auch die Jagd immer wieder kritisch und mit wachsamen Auge zu prüfen. Er sah sie nicht nur als wildes, abenteuerlustiges Vergnügen, sondern unter dem Blickwinkel eines Staatsmannes und Politikers auch als verantwortungsvolles Handeln zum Wohle von Landeskultur und Tafel. Und so hat Goethe schon damals die Facetten der Jagd gesehen, die auch unser Jagen in der Jetztzeit bestimmen. Erholung und Kräfte tanken inmitten der Natur, verantwortungsvolles Handeln zum Wohle von Landeskultur und Umwelt und Bereicherung der Tafel um das wertvolle und schmackhafte Wildbret.

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Ein Beitrag von Burkhard Stöcker für unseren Premiumpartner, die Stiftung Wald und Wild in Mecklenburg-Vorpommern.