Fachbeitrag: Rehkitzrettung mit Drohnen

Weshalb der Wegpunkteflug so wichtig ist

Ein gefundenes Rehkitz im hohen Gras. (Foto: Rehkitzrettung Schweiz / N. Berger)
Ein gefundenes Rehkitz im hohen Gras. (Foto: Rehkitzrettung Schweiz / N. Berger)

Über die Rehkitzrettung mit Drohnen und Wärmbildkamera wurde in den vergangenen Jahren viel geschrieben und die Rettungsteams schießen regelrecht aus dem Boden. In diesem Fachbeitrag möchten wir aufzeigen, wie wichtig der Wegpunkteflug für eine effektive und effiziente Rehkitzrettung ist und weshalb der manuelle Flug für die Rehkitzrettung eher nicht zu empfehlen ist. Die Ausgangslage ist jedes Jahr die gleiche: Zwischen April bis Juni mähen die Landwirte witterungsbedingt praktisch alle gleichzeitig. Dann startet für die Rettungsteams das Wettrennen gegen die Zeit: Um möglichst viele Rehkitze retten zu können, ist es wichtig, die Rettung nicht nur effektiv („Die richtigen Dinge tun.“) sondern auch effizient („Die Dinge richtig tun.“) zu organisieren. Das bedeutet, bevor die Landwirte mit dem Mähen beginnen, möglichst viel Feldfläche abzusuchen und dies natürlich zuverlässig, d.h. möglichst ohne Rehkitze zu übersehen.

Denn die Rechnung ist einfach: Je effizienter geflogen wird, die Detektionssicherheit vorausgesetzt, desto mehr Rehkitze können gerettet werden.

Eine Drohne fliegt früh morgens eine Grünfläche ab. (Foto: B. Holliger)

Schon seit Beginn der Rehkitzrettung mit Drohnen, vor rund 10 Jahren, kam schnell die Erkenntnis, dass der Wegpunktflug für eine professionelle Rehkitzsuche elementar ist und gegenüber dem manuellen Flug klare Vorteile hat:

Bei der Rehkitzrettung ist es, wie zuvor beschrieben, aufgrund der Zeitverhältnisse wichtig, dass die Felder effizient, aber auch mit der nötigen Detektionssicherheit, d.h. dass keine Rehkitze übersehen werden, abgeflogen werden: Grundsätzlich gibt die Abdeckungs- und Abbildungsleistung der Wärmebildkamera vor, wieviel Fläche pro Flugstrecke abgeflogen werden kann. Das Feld wird zum Abfliegen in Flugbahnen aufgeteilt, diese sollten mit einigen Metern Überlappung geplant werden, um die nötige Detektionssicherheit zu gewährleisten. Im manuellen Flug ist die Orientierung nur aus Piloten- und Kamerasicht möglich und neben der Längs-, besonders auch in der Seitenachse sehr ungenau. In hügeligem Gelände kommt noch die Höhenachse hinzu. Für einen Piloten wird es praktisch unmöglich, sämtliche Parameter zu berücksichtigen und genau zu fliegen. Dadurch wird das manuelle Fliegen langsam und die Detektionssicherheit leidet.

Abbildung 1: UAV Editor Wegpunkteplaner (Quelle: M. Kaufmann)
Abbildung 1: UAV Editor Wegpunkteplaner (Quelle: M. Kaufmann)

Dies haben auch Praxisversuche bestätigt, in welchen sich zeigt, dass es selbst für sehr erfahrene Piloten nicht möglich ist, die nachfolgenden Parameter manuell mit genügender Genauigkeit und Zuverlässigkeit fliegen zu können: Flugbahnbreiten, Flugbahnlängen, Ausrichtung der einzelnen Flugbahnen, Ausrichtung der Flugbahnen im Gesamten, Überlappung sowie Flughöhe auf Bodenhöhe angepasst.

Beim Wegpunkteflug fallen diese Punkte weg, da mithilfe der vorbereiteten Flugmission die Parameter genau eingehalten werden können und nur abgeflogen wird, was wirklich nötig ist und das mit der nötigen Sicherheit. Ein weiterer wichtiger Vorteil: Einmal die Flugmission geplant, kann sie in den Folgejahren immer wieder verwendet werden. Es gibt natürlich noch weitere Vorteile, die wir in der nachfolgenden Tabelle aufgelistet haben:

Die Vorteile liegen auf der Hand. Doch weshalb gibt es noch vereinzelt Piloten, die manuell und ohne Wegpunkteflug fliegen? In Gesprächen zeigten sich immer wieder die gleichen Gründe: Mangelnde Ausbildung und Erfahrung in der Rehkitzrettung, Respekt vom Aufwand der Wegpunkteplanung, Befürchtungen gegenüber der GPS-Genauigkeit oder Befürchtungen gegenüber einer auftretenden Pilotenaufmerksamkeit oder ganz einfach „Bis jetzt ging es auch so…“.

Abbildung 2: DJI Pilot (Quelle: M. Kaufmann)
Abbildung 2: DJI Pilot (Quelle: M. Kaufmann)

Der Verein Rehkitzrettung Schweiz kann auf über 10 Jahre Erfahrung in der Rehkitzrettung mit Drohnen zurückblicken und besteht aus mehreren hundert Rehkitzrettungs-Pilot:innen. Der Verein lebt einen regen Wissensaustausch – ganz im Sinne von «Wissen – die einzige Ressource, die sich vermehrt, wenn man es teilt.»: Alle diese Befürchtungen konnten in Zehntausenden von Flugstunden widerlegt werden. Die Vorteile des Wegpunktefluges liegen auf der Hand – selbst der einzige wirkliche Nachteil des erhöhten Planungsaufwandes konnte praktisch eliminiert werden: Denn mit den zur Verfügung stehenden Werkzeugen kann der Planungsaufwand sehr klein gehalten werden:

Mit den heutigen Wegpunkteplanern, die von den Drohnenherstellern zur Verfügung gestellt werden, können Flugmissionen schnell & einfach geplant werden. Die Rehkitzrettung Schweiz geht sogar noch weiter: Um die Rehkitzrettung noch effektiver & effizienter zu gestalten, wird bei der Rehkitzrettung Schweiz das Tool „UAV Editor“ eingesetzt. Mit dem UAV Editor wird eine noch einfachere und schnellere Planung & Organisation von den Feldern für Piloten und Koordinatoren gewährleistet.

Abbildung 3: Litchi (Quelle: M. Kaufmann)
Abbildung 3: Litchi (Quelle: M. Kaufmann)

Die Felder, die zuvor in der Karte der Feldanmeldung eingezeichnet wurden, werden, wenn keine automatische Zuordnung möglich ist, durch den Koordinator dem zuständigen Piloten zugeteilt. Der Pilot kann den Wegpunkteflug im UAV Editor mit ein paar wenigen Mausklicks und mithilfe eines vollautomatischen Algorithmus generieren und die Flughöhe wird automatisch an das Gelände angepasst. Die geplante Flugmission kann anschließend an eine beliebige Drohnenapp wie DJI Pilot, Litchi oder Yuneec Data Planner übermittelt und abgeflogen werden.

Dies vereinfacht die Planung und Organisation für alle involvierten Stellen, Landwirt/Jäger, Pilot und Koordinator, nochmals deutlich.

Warum eine Drohne mit Wärmebildkamera so wertvoll bei der Suche nach Rehkitzen ist, lässt sich hier bei der Gegenüberstellung derselben Szene sehr gut erkennen. (Quelle: Peter Ruch)
Warum eine Drohne mit Wärmebildkamera so wertvoll bei der Suche nach Rehkitzen ist, lässt sich hier bei der Gegenüberstellung derselben Szene sehr gut erkennen. (Quelle: Peter Ruch)

Die Wegpunkteplanung schränkt die Flexibilität auf dem Feld nicht ein: Sollte beispielsweise spontan ein zusätzliches Feld abgeflogen werden, kann dieses zwar nicht ganz so bequem wie mit dem UAV Editor zuhause, aber trotzdem sehr schnell vor Ort mit der Drohnenapp des Herstellers geplant werden. Dies ist, im Vorfeld ein paar Mal durchgespielt, mit wenigen Klicks erledigt.

Was gibt es beim Wegpunkteflug zu beachten?

Die Flughöhe und -geschwindigkeit wird abhängig von der Grashöhe und der Auflösung der Wärmebildkamera gewählt. Der Flugbahnabstand muss abhängig von der Flughöhe der Drohne, der Auflösung und dem Sichtbereich (Objektiv) der Wärmebildkamera angepasst und eine genügende Überlappung des Wärmebildes gewährleistet werden.

Dafür lohnt sich jede Mühe: ein sehr junges Rehkitz (Foto: Adrian Grossenbacher)
Dafür lohnt sich jede Mühe: ein sehr junges Rehkitz (Foto: Adrian Grossenbacher)

Als Beispiel: Bei einer DJI Mavic 2 Enterprise Advanced mit einer WBK-Auflösung von 640×512 Pixel hat sich bei einer Flughöhe von 70m (Sichtbereich ohne Überlappung 62m) ein Flugbahnabstand von 35-43 Metern und einen Feldrandabstand von 15-20 Metern bewährt. Die Fluggeschwindigkeit sollte sich in diesem Szenario um die 4-5 m/s bewegen.

Bei hügeligem oder unebenem Gelände sollte die Flughöhe unbedingt auf die Bodenhöhe angepasst werden, da sich sonst der Sichtbereich der Wärmebildkamera verändert und keine zuverlässige Suche möglich ist. (Tipp: Im UAV Editor automatisch und mit sehr genauen Höhendaten möglich.)

Fazit

Zusammenfassend kann gesagt werden, dass eine effektive & effiziente Rehkitzrettung nur mit Wegpunkteflug möglich ist – die Vorteile gegenüber einem manuellen Flug sind für Pilot und Tier einschneidend. Die jahrzehntelange Erfahrung hat dies in der Praxis bestätigt. Mit den Tools, die für die Wegpunkteplanungen zur Verfügung stehen, können die Flugmissionen schnell und einfach geplant werden – im spontanen Fall auch vor Ort. Hier hat sich besonders das Tool „UAV Editor“ bewährt. Vollständigkeitshalber kann aber auch festgehalten werden, dass es einen einzigen Fall gibt, in welchem manuell geflogen werden kann: Einen ebenen schmalen Grasstreifen bei welchem auf dem Wärmebild auf beiden Seiten eine klare Abgrenzung (bspw. eine Straße) sichtbar ist. Für alles andere: Es führt kein Weg am Wegpunkteflug vorbei.

Autoren:

– Mario Kaufmann (Rehkitzrettung mit Drohnen seit 2013)

– Bruno Holliger (Forschung & Technik Rehkitzrettung Schweiz)

– Livio Son (Rehkitzrettung mit Drohnen seit 2019)