Rasante Ausbreitung des Wolfes in Deutschland hält weiter an

Armutszeugnis: Lediglich ZWEI legal erlegte Wölfe in ganz Deutschland bei einer bestätigten Reproduktion der Rudel im Monitoringjahr 2022/23 von 92%

Ein Rudel Wölfe, von denen es mind. 184 in Deutschland gibt. (Symbolbild: Uwe P. Frischmuth auf Pixabay)
Ein Rudel Wölfe, von denen es mind. 184 in Deutschland gibt. (Symbolbild: Uwe P. Frischmuth auf Pixabay)

Bericht über Wölfe in Deutschland 2022/23

Seit der Bestätigung des ersten Wolfsrudels im Jahr 2000 in Sachsen hat sich die Wolfspopulation in Deutschland stetig erholt und verbreitet. Wölfe, die über ein hohes Reproduktions- und Ausbreitungspotential verfügen, sind nach Jahrzehnten der Abwesenheit wieder ein fester Bestandteil der deutschen Fauna. Die Rückkehr dieser großen Karnivoren ist für die einen ein Zeugnis erfolgreicher Naturschutzbemühungen, die lediglich neue Herausforderungen mit sich bringt, doch für Weidetierhalter und viele Menschen des ländlichen Raums ist der Bogen schon lange überspannt. Kein Wunder, bei lediglich ZWEI legal entnommenen Wölfen im gesamten Monitoringzeitraum – Ein Schlag ins Gesicht all derer, die regelmäßig ihre Nutztiere an den Wolf verlieren!

Ein Blick herüber zu unseren Nachbarn in die Schweiz genügt schon, um das Missverhältnis hier in der Bundesrepublik zu erkennen: Allein im Kanton Graubünden wurden im Rahmen der „Proaktiven Wolfsregulation“, das bedeutet grob gesagt, dass Wölfe bereits geschossen werden dürfen, wenn sie noch kein einziges Stück Vieh gerissen haben, ganze ZWANZIG Wölfe geschossen! Das Zehnfache (!) von dem also, was hier in Deutschland zur Strecke gekommen ist, wobei ganze 31 Wölfe freigegeben waren. Und das auf einem Gebiet von knapp über 7.000 Quadratkilometern und einer Bevölkerung von unter 200.000 Menschen.

Genau auf den Punkt gebracht hat die Situation hier unser Präsident des Deutschen Jagdverbandes (DJV) Helmut Dammann-Tamke, der im Rahmen einer Podiumsdiskussion zum Thema Wolf auf der Messe Jagd & Hund 2024, eine Anekdote von der diesjährigen Grünen Woche zum Besten gab, wo er Bundesumweltministerin Steffi Lemke beim Besuch des DJV-Messestandes mit den unkommentiert gebliebenen Schlussworten ihres Besuches zitierte: „Wenn wir auf den Mond fliegen können, dann werden wir doch wohl auch mit ein paar tausend Wölfen klarkommen“…

Monitoring und Methodik

Im Jahr 2022/23 wurden in Deutschland 184 Wolfsrudel, 47 Paare und 22 territoriale Einzeltiere bestätigt. Diese Zahlen unterstreichen das kontinuierliche Wachstum der Wolfspopulation. Die Erfassung und das Monitoring der Wölfe basieren auf einer Kombination aus direkten und indirekten Nachweismethoden, einschließlich genetischer Analysen, Wildkameras und der Untersuchung von Spuren. Die genetische Untersuchung spielt eine entscheidende Rolle bei der Identifizierung individueller Wölfe und der Analyse der Populationsstruktur.

Wolfsvorkommen und -verbreitung

Die Wölfe in Deutschland und in der westlichen Hälfte Polens gehören der Mitteleuropäischen Population an, deren Verbreitungsgebiet sich in den letzten Jahren mit einzelnen Vorkommen bis in den Norden von Tschechien, nach Dänemark und in die Benelux-Staaten ausgedehnt hat. Das größte zusammenhängende Vorkommensgebiet dieser Population erstreckt sich von der Lausitz ausgehend, beiderseits der deutsch-polnischen Grenze nach Nordwesten bzw. Nordosten.

In Deutschland wurden im Monitoringjahr 2022/23 in neun Bundesländern Wolfsrudel bestätigt: in Brandenburg (52), Niedersachsen (39), Sachsen (38), Sachsen-Anhalt (27), Mecklenburg-Vorpommern (19), Hessen (3) sowie in Bayern, Nordrhein-Westfalen und Thüringen jeweils zwei Rudel. Wolfspaare ohne Reproduktion wurden in Niedersachsen (15), Brandenburg (10), Mecklenburg-Vorpommern (6), Sachsen (4), Sachsen-Anhalt (5), Bayern (3), Schleswig-Holstein (2), Baden-Württemberg (1) und Rheinland-Pfalz (1) bestätigt; territoriale Einzeltiere in Hessen (4), Mecklenburg-Vorpommern (3), Nordrhein-Westfalen (3), Sachsen-Anhalt (3), Baden-Württemberg (2), Sachsen (2), Thüringen (2), Bayern (1), Niedersachsen (1) und Schleswig-Holstein (1).

Die Verbreitung der Wölfe zeigt ein kontinuierliches Wachstum und eine stetige Ausdehnung in neue Gebiete. Interessanterweise gibt es keine grenzübergreifenden Territorien mehr mit Polen, was auf die Einführung eines Doppelzauns zur Eindämmung der Afrikanischen Schweinepest zurückzuführen ist.

Reproduktion und Populationsentwicklung

Die Reproduktionsrate der Wölfe ist hoch, mit einer bestätigten Reproduktion in 92% der Rudel im Jahr 2022/23. Die Populationsentwicklung zeigt einen positiven Trend, der durch eine jährliche Zunahme der Rudel und Paare gekennzeichnet ist. Dies spiegelt das hohe Ausbreitungs- und Reproduktionspotential der Wölfe wider.

Genetik und Hybridisierung

Die genetische Vielfalt innerhalb der deutschen Wolfspopulation ist groß. Mehrere Haplotypen wurden identifiziert, was auf verschiedene Ursprungspopulationen hinweist. Es wurden auch Fälle von Hybridisierung zwischen Wölfen und Hunden dokumentiert, die besondere Aufmerksamkeit erfordern, um die genetische Integrität der Wolfspopulation zu bewahren.

Totfunde und Todesursachen

In dem Zeitraum vom 01.05.2022 bis zum 30.04.2023 wurden deutschlandweit 159 Wölfe tot aufgefunden, die meisten davon in Brandenburg (53), Niedersachsen (45), Sachsen (22), Sachsen-Anhalt (14) and Mecklenburg-Vorpommern (13). Weitere Totfunde gab es in Bayern (3), Nordrhein-Westfalen (3), Schleswig-Holstein (3), Baden-Württemberg (1), Hessen (1) und Thüringen (1). Von den tot aufgefundenen Wölfen starben 124 bei Verkehrsunfällen, 12 wurden illegal getötet, 15 starben an natürlichen Ursachen, in 5 Fällen war die Todesursache unklar und 2 Wölfe wurde aus Managementgründen getötet. In einem weiteren Fall wurde die Todesursache noch nicht untersucht (Stand Dezember 2023).

Zusammenfassung und Ausblick

Die Wiederansiedlung der Wölfe in Deutschland ist auf der einen Seite eine Erfolgsgeschichte für all diejenigen, die keine eigenen Nutztiere besitzen und sich nicht ständig im „Ländlichen Raum“ aufhalten, bringt aber auf der anderen Seite auch Konflikte und Herausforderungen mit sich. Ein umfassendes Monitoring und Management sind entscheidend, um ein Gleichgewicht zwischen dem Schutz der Wölfe und den Bedürfnissen der Menschen zu finden. Die fortlaufende Forschung und Überwachung der Wolfspopulation ist unerlässlich, um ihre Erhaltung und Integration in die deutsche Landschaft sicherzustellen. Vor diesem Hintergrund stellen die lediglich ZWEI legal entnommenen Wölfe im gesamten Monitoringjahr, einen Schlag ins Gesicht all derer dar, die (noch) Nutzviehhaltung in Deutschland betreiben.  

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