Kanadische „Superschweine“ bedrohen die USA

Wildschweinreduktion in Nordamerika: Von „Judasschweinen“ und dampfenden Schneehöhlen

„Unglaublich intelligent und schwer fassbar“: Die USA sehen sich einer neuen Bedrohung durch das kanadische „Superschwein“ gegenüber. Hier ein kapitaler Wildschweinkeiler im herbstlichen Wald. (Symbolbild: iStock/mirceax)
„Unglaublich intelligent und schwer fassbar“: Die USA sehen sich einer neuen Bedrohung durch das kanadische „Superschwein“ gegenüber. Hier ein kapitaler Wildschweinkeiler im herbstlichen Wald. (Symbolbild: iStock/mirceax)

Wildschweine zählen in den USA und Kanada zu den invasiven, also zu den gebietsfremden Arten, die nicht ursprünglich in Nordamerika beheimatet waren. Bereits im 16. Jahrhundert durch europäische Seefahrer nach Amerika gebracht, spitzt sich die Lage mit den Wildschweinen erst seit einigen Jahrzehnten spürbar zu. Wie „The Guardian“ berichtet, stellen die sehr anpassungsfähigen Tiere immer mehr eine Gefahr für Amerikas Tier- und Pflanzenwelt dar: Sie verheeren ganze landwirtschaftliche Nutzflächen, verbreiten Krankheiten und töten sogar Hirsche und Elche. „Wir sehen eine direkte Nahrungskonkurrenz für unsere einheimischen Arten“, wird Michael Marlow, stellvertretender Programmmanager für das nationale Wildschweinschaden-Managementprogramm des Landwirtschaftsministeriums von „The Guardian zitiert“. „Sie töten auch junge Kitze und sind als Nesträuber bekannt, also wirken sie sich auf Truthähne und möglicherweise Wachteln aus“, sorgt sich Marlow weiter.

Die US-Regierung schätzt, dass die ca. 6 Millionen Wildschweine in den Vereinigten Staaten jedes Jahr Schäden in Höhe von 1,5 Milliarden US-Dollar verursachen.

Wildschweine in Kanada

Auch in Kanada sind Wildschweine ein relativ junges Problem. Laut Ryan Brook, der das kanadische Wildschwein-Forschungsprojekt der Universität von Saskatchewan leitet, gab es bis 2002 kaum Schwarzwild im Land. Seit acht Jahren, wäre die Population jedoch förmlich explodiert, so dass sich die Schwarzkittel mittlerweile auf über 1 Mio. km² Fläche in Kanada verbreitet hätten. Hauptsächlich in Alberta, Manitoba und Saskatchewan. „Wildschweine sind mit Abstand die schlimmsten invasiven großen Säugetiere auf dem Planeten“, sagte Ryan Brook gegenüber „The Guardian“. „Sie sind unglaublich intelligent. Sie sind sehr schwer fassbar, und auch wenn Druck auf sie ausgeübt wird, besonders wenn die Leute anfangen, sie zu jagen, werden sie fast vollständig nachtaktiv – sie verstecken sich in dichtem Wald und verschwinden in Feuchtgebieten, wo sie nur sehr schwer zu finden sind“, ergänzt Ryan.

Kanadische „Superschweine“ erschweren die Lage zusätzlich

Vor diesem Hintergrund sieht sich Nordamerika einer neuen Bedrohung gegenüber: Dem kanadischen „Superschwein“, einem riesigen, „unglaublich intelligenten, schwer fassbarem“ Tier, wie „The Guardian“ weiter berichtet, das sogar den kanadischen Winter mit seinen bis -50 ° C überleben kann. Das „Superschwein“ wurde in den 1980er Jahren von Landwirten geschaffen, die Wildschweine und Hausschweine kreuzten. Das Ergebnis war ein größeres Schwein, das mehr Fleisch produzierte. Einige dieser Schweine entkamen der Gefangenschaft und breiteten sich schnell in ganz Kanada aus, wobei sich die Tiere als äußerst widerstandsfähig erwiesen. Werden Wildschweine normalerweise maximal 130-150kg schwer, so kann ein „Superschwein“ durchaus das Doppelte auf die Waage bringen. Es wurden schon Exemplare erlegt, die weit über 300kg wogen.

Diese riesigen Ausmaße erlauben es den Tieren die klirrende Kälte des westkanadischen Winters zu überleben, wo die Kälte -50 °C betragen kann. „Nun, es stellt sich heraus, dass es ein großer Vorteil ist, groß zu sein, um in der Kälte zu überleben“, wird Brook zitiert. „Die Schweine überleben die extreme Kälte, indem sie sich bis zu 2 Meter unter den Schnee graben und sich so eine Schneehöhle schaffen“, so Brook weiter. „Und tatsächlich ist es im Innern einer solchen Höhle so warm, dass wir diese Schweine unter anderem finden, indem wir morgens als erstes das Gelände überfliegen, wenn es wirklich kalt ist, kälter als -30 °C, um zu sehen, wo Dampf von unten durch den Schnee an die Oberfläche tritt.“

Kampf gegen die Wildschweine mit allen Mitteln

Angesichts des Schadens, den die Schweine angerichtet haben, wurden verschiedene Versuche unternommen, sie loszuwerden. Wissenschaftler und Forscher in den USA und Kanada konnten einige Erfolge erzielen, indem sie ganze Rotten in großen Fallen, vergleichbar unseren „Saufängen“, gefangen haben. Weniger erfolgreich seien dagegen die Versuche der US-Amerikaner gewesen, Wildschweine zu vergiften.

„Judasschweine“

Eine andere Methode, die in den USA funktioniert hat, ist die Verwendung eines „Judasschweins“. Ein einzelnes Schwein wird eingefangen und mit einem GPS-Halsband versehen. Danach wird das Schwein wieder in die freie Wildbahn entlassen und darauf gehofft, dass es sich einer Rotte anschließt. „Die Idee dahinter ist, dass die Schützen das Tier orten, dann möglichst alle Schweine erlegen, die bei dem besenderten Schwein sind, um es im Idealfall erneut laufen zu lassen, um sich der nächsten Rotte anzuschließen“, sagte Brook.

Mittlerweile, so Brook weiter, ginge es eigentlich nicht mehr darum, die Wildschweinpopulation komplett auszurotten – der Zug sei seit einigen Jahren abgefahren – die Tiere seien jetzt schon zu zahlreich und zu weit verbreitet. Es geht jetzt darum die durch die Sauen verursachten Schäden, mit vielen unterschiedlichen Mitteln, auf einem für alle erträglichen Niveau zu halten. Die Schweine vollständig loszuwerden – In Kanada jedenfalls, ist diese Chance vertan.