„Inakzeptabel“: Neues Landesjagdgesetz provoziert Warnstreik der Jäger in RLP

„Dunkelrote Linien überschritten“: Entwurf des neuen Landesjagdgesetzes ist „Schlag ins Gesicht“ der rheinland-pfälzischen Jägerschaft. Ab sofort entsorgen die Jägerinnen und Jäger kein Unfallwild mehr.

Ab sofort und bis voraussichtlich zum 31. August, entsorgen die rheinland-pfälzischen Jäger kein Unfallwild (Fallwild) mehr! (Beispielbild: iStock/Pete_Flyer)
Ab sofort und bis voraussichtlich zum 31. August, entsorgen die rheinland-pfälzischen Jäger kein Unfallwild (Fallwild) mehr! (Beispielbild: iStock/Pete_Flyer)

Es soll das „modernste Jagdrecht der Republik“ werden und ist in Teilen nicht das Papier wert, auf dem es niedergeschrieben wurde: Der Entwurf des Umweltministeriums zum neuen Jagdrecht für Rheinland-Pfalz reizt die Jägerschaft bis aufs Blut und zwingt die Waidgenossen in den Warnstreik.

Der rheinland-pfälzische Ministerrat hat gestern (04.07.2023) den Weg eines vom Ministerium für Klimaschutz, Umwelt, Energie und Mobilität (MKUEM) eingebrachten Entwurfes für ein grundlegend novelliertes Landesjagdgesetz eröffnet.

Mit dem Regierungsentwurf zur Novellierung des Landesjagdgesetzes macht sich Rheinland-Pfalz auf den Weg, eines der modernsten, wenn nicht das modernste Jagdrecht der Republik zu implementieren“, erklärte Umweltministerin Katrin Eder. „Der Gesetzentwurf greift die immer stärker sichtbar werdenden Folgen des Klimawandels auf und eröffnet eine bessere Unterstützung der Waldentwicklung durch jagdliches Management. Der praktischen Jagdausübung werden durch die Flexibilisierung der Abschussregelung und der Stärkung der Privatautonomie mehr Freiheiten eingeräumt. Zugleich wird der Tierschutz gestärkt, der ohnehin bei der Jagd von zentraler Bedeutung ist. Mit dem Tierschutz kaum vereinbare Jagdpraktiken wie die Ausbildung von Jagdhunden an flugunfähig gemachten lebenden Enten, aber auch die für Hunde gefährliche Jagd in Dachs- und Fuchsbauten werden verboten. Neu ist etwa auch die in der Hegeverpflichtung ausdrücklich verankerte Unterstützung seitens der Jagdrevierinhaberinnen und -inhaber bei der Rettung von Jungwild, wie Rehkitzen, anlässlich der Wiesenmahd. Schließlich wird auch der Naturschutz durch Förderung der Biodiversität gestärkt. Die Entnahme invasiver Arten wird erleichtert. Zugleich wird dem heimischen Rotwild, das bisher nur in bestimmten Gebieten geduldet werden durfte, nahezu im ganzen Land Lebensraum eröffnet“, so die Ministerin weiter.

Scharfe Kritik vom Landesjagdverband: Das neue Landesjagdgesetz provoziert einen Warnstreik der Jägerschaft

Vom Landesjagdverband Rheinland-Pfalz kommt scharfe Kritik zum Entwurf des neuen Jagdgesetzes. Trotz positiver Umsetzung einiger Anliegen des Verbandes, wurden die durch den Verband im Vorfeld kommunizierten roten Linien mehrfach überschritten. Deswegen ruft der Verband seine 20.000 Mitglieder zu einem sofortigen Warnstreik auf.

Ab sofort entsorgen die Jägerinnen und Jäger in Rheinland-Pfalz kein Unfallwild mehr

Inakzeptabel.“ Mit dieser klaren Aussage äußert sich der Präsident des Verbandes Dieter Mahr zu dem am Dienstag vorgestellten Entwurf. „Wir haben im Vorfeld der Veröffentlichung des Gesetzesentwurfs deutlich gemacht, dass es dunkelrote Linien für uns und unsere Mitglieder gibt, die seitens der verantwortlichen Abteilung im Ministerium nicht überschritten werden dürfen. Das hat man leider nicht ernst genommen“, so Mahr.

Untragbar sind in diesem Zusammenhang aus Sicht des Verbandes vor allem die deutlichen Einschränkungen des bewährten Reviersystems. Zukünftig sollen Grundstückseigentümer neben dem Jagdpächter jagen dürfen. „In einer Mietwohnung sitzt auch nicht der Vermieter mit am Küchentisch. Dieser und andere Vorschläge werden dazu führen, dass Jagdreviere zum Nachteil der Landwirtschaft unverpachtbar werden“, so Mahr. Außerdem besteht der Verband darauf, dass es nach wie vor einen auch von der Jägerschaft direkt gewählten Kreisjagdmeister geben muss. Auf dieses bewährte Prinzip direkter Demokratie darf nicht verzichtet werden. Völlig inakzeptabel ist mithin die Festsetzung von scharfen Sanktionen, die den privaten ehrenamtlichen Jägern drohen, wenn die „im allgemeinen Interesse liegenden Wirkungen des Waldes“ aus Sicht der Forstbehörden gefährdet sind. Denn die Interessen des Forstes decken sich nicht immer mit den Interessen von Artenschutz und Tierwohl. Im Entwurf der Gesetzesvorlage finden sich einige weitere Passagen, die die Jägerschaft auf keinen Fall mittragen wird.

Die fast 20.000 Jägerinnen und Jäger, die sich im Landesjagdverband organisieren, arbeiten ehrenamtlich mit großem Zeiteinsatz und Engagement. Die Vielschichtigkeit der Aufgaben hat zu engmaschigen Strukturen geführt, die in bester Zusammenarbeit mit den Jagdbehörden und den Kommunen alle Interessen in Wald und Feld berücksichtigen. Dies sieht der LJV nun gefährdet: „Wer die Jägerschaft nur noch als Erfüllungsgehilfen zur Erreichung politischer und ökonomischer Ziele betrachtet, riskiert, dass die Jägerschaft ihr freiwilliges Engagement einstellt“, warnt Mahr. Frappierend ist in diesem Zusammenhang, dass die Jäger zu bisher freiwillig erbrachten Leistungen gesetzlich verpflichtet werden sollen, so im Bereich der Kitzrettung und des Wildmonitorings.

Dieter Mahr hierzu: „Wir warten gespannt darauf, wer außerhalb des Jagdwesens als nächstes dienstverpflichtet wird. So kann man mit den Jägerinnen und Jägern, die sich seit Jahrzehnten in vielen Dingen ehrenamtlich engagieren, nicht umgehen.“ Der Verband sieht sich und die Expertise seiner Mitglieder mit Füßen getreten. „Wer meint, er könne die großen Aufgaben in Feld und Flur durch Entscheidungen über die Köpfe der privaten Jägerschaft hinweg erfüllen, der muss auch die Frage beantworten: Wer macht’s, wenn nicht wir!?

Um diesem Thema Nachdruck zu verleihen, hat der Verband seine Mitglieder dazu aufgerufen, ab sofort landesweit die Entsorgung von Fall- und Unfallwild einzustellen.

Die Entsorgung von toten Wildtieren im Straßengraben wird in weiten Teilen des Landes von der Jägerschaft erledigt, ohne dass es hierfür eine gesetzliche Verpflichtung gibt. „Wir leisten das freiwillig, so wie auch viele weitere unserer Leistungen für die Grundstückseigentümer und die Gesellschaft freiwillig und ohne Entlohnung erfolgen“, betont Mahr. Der Warnstreik ist zeitlich zunächst bis zum 31. August 2023 befristet und betrifft ausdrücklich nicht die Erlegung von verletzten Wildtieren, das gebietet der Tierschutz. Nur für die Kadaverbeseitigung stehe man nicht mehr zur Verfügung, so der LJV-Präsident.

Der Verband weist darauf hin, dass in Rheinland-Pfalz für Jedermann eine Verpflichtung besteht, tote Wildtiere u.a. bei der nächsten Gemeindeverwaltung bzw. Forst- oder Polizeidienststelle anzuzeigen. Bei Nichtbeachtung drohen Bußgelder. Der Verband bittet die Bevölkerung darum, den Meldepflichten nachzukommen, damit die Kadaver von den gesetzlich zuständigen Stellen beseitigt werden können. „Zu diesem Schritt sind wir leider gezwungen, um uns Gehör zu verschaffen. Wir sind aber weiterhin zu einem konstruktiven Dialog bereit, um gemeinsam für Wald und Flur im Einklang mit dem Wild und der Natur zu einer sinnvollen Weiterentwicklung des Gesetzes zu kommen. Denn wir nehmen sehr wohl positiv zur Kenntnis, dass einige unserer langjährigen Forderungen integriert wurden, wie die Aufhebung der Bewirtschaftungsbezirke für Rotwild, die Beibehaltung der Grundsätze von Hege und Waidgerechtigkeit sowie die Ansätze zur Digitalisierung des – Stichwort Wildtierportal. Insgesamt ist es jedoch ein Schlag ins Gesicht der gesamten Jägerschaft. Das werden wir uns nicht kampflos gefallen lassen!“, fasst Mahr die Gemütslage der Mitglieder des Landesjagdverbandes zusammen.

Hier der Regierungsentwurf zur Novellierung des Landesjagdgesetzes zum Nachlesen: