Der Bär, das unsoziale Wesen?

35 Prozent der schwedischen Jungbären werden von männlichen Artgenossen getötet

Zwei Bärenjunge (Symbolbild: Romuald Bézard)

Von Michael Lehner

Manchmal müssen Hardcore-Tierrechtler stark sein. Zum Beispiel, wenn Wissenschaftler verraten, dass auch in Schweden jeder dritte Braunbär nicht erwachsen wird, weil Bären-Männchen den Nachwuchs ihrer Nebenbuhler umbringen. Ähnlich wie bei den Löwen – und eingeschränkt auch bei Wölfen und beim Vielfraß – ist es mit dem Sozialverhalten nicht weit her, wenn es um die Fortpflanzung geht.

Wer Tiere nicht für die besseren Menschen hält, wird den Hintergrund begreifen: Erstens will der Bär seine Gene möglichst weit vererben. Und zweitens wird die Bärin wieder paarungsbereit, wenn sie keine Jungen führt. Bei Wölfen richtet sich die Aggression nicht gegen Welpen, sondern gegen Artgenossen, die nicht zum eigenen Rudel gehören.

Dass der sogenannte Infanticid gut ein Drittel der Jungbären das Leben kostet, ist nicht neu. Spannender ist ein anderes Forschungsergebnis der schwedisch-norwegischen Untersuchung: Bären-Mütter suchen offenbar die Nähe von Menschen und deren Siedlungen, um ihren Nachwuchs besser zu schützen.

Von 30 besenderten Bären-Müttern brachten 19 ihre Jungen unversehrt durch. Viele in direkter Nachbarschaft zu Dörfern und dicht befahrenen Straßen. Mögliche Erklärung: Bei den Männchen ist die über Jahrtausende gelernte Menschenscheu stärker als der Zeugungstrieb. Und reichlich Weibchen haben das wohl erkannt.

Das schwedische Jäger-Magazin „Svensk Jakt“ illustriert die Untersuchung mit einem Foto von begeisterten Bären-Fans, die in Scharen und mit aufgebautem Film-Stativ unbekümmert in Rufentfernung spielende Jungbären beobachten. Und es gibt offenbar kein Problem mit dem Muttertier, das die Neugierigen wohl duldet.

Einige mittelschwedische Regionen haben mittlerweile die weltweit höchste Braunbärendichte. Es gibt eine reguläre Lizenzjagd zur Bestandsregulierung. Und nur äußerst selten größere Zwischenfälle. Was wohl dafür spricht, dass sich Bär und Mensch aneinander gewöhnen. Auch was die Scheu der Männchen vor den potenziellen Jägern angeht. Und den Instinkt der Bärenmütter, dass sie und ihr Nachwuchs beim Menschen sicherer sind als unter liebestollen Artgenossen.