Teures Ackerland

Bauern ohne Boden: Es gibt kaum noch verfügbares Acker- und Grünland, und wenn, dann zu einem sehr hohen Preis. Neue Genossenschaften sollen helfen.

Landwirt beim Pflügen mit dem Traktor (Symbolbild: Franz Bachinger)
Landwirt beim Pflügen mit dem Traktor (Symbolbild: Franz Bachinger)

Ein Kommentar aus unserem Politblog https://www.natur-und-mensch-politblog.de/

von Wolfgang Molitor

Seit Jahren gibt es auf dem Markt für landwirtschaftliche Böden eine ruinöse Konkurrenz um Acker- und Grünland. Ganz unabhängig vom Krieg in der Ukraine müssen Bauern schon jetzt oft so viel Geld für Pacht oder Kauf bezahlen, dass sich der Anbau oft wirtschaftlich kaum noch lohnt.

Die jüngste Landwirtschaftszählung des Bundes macht das deutlich. Danach betrug der durchschnittliche Pachtpreis für Ackerland im Jahr 2020 375 Euro pro Hektar und Jahr, das sind bedrohliche 64 Prozent mehr als noch 2010.Im Südwesten ist die Lage nur leicht entspannter. So lag der Pachtpreis 2020 im Schnitt bei 291 Euro. Doch die Tendenz zeigt auch hier steil nach oben. Laut dem Statistischen Landesamt in Baden-Württemberg liegt der Durchschnittspreis mittlerweile bei 395 Euro.

Vor allem dort, wo Landwirte auf Rinderzucht setzen, schießen die Preise nicht zuletzt durch politische Vorgaben in die Höhe. Denn Umweltgesetze schreiben den Bauern vor, dass sie je nach Anzahl der Rinder eine bestimmte Grünland- und Ackerfläche bewirtschaften müssen. Kein Wunder, dass die Preise in Viehregionen wie Schwäbisch Hall bis zu 500 Euro, in Ausnahmefällen nach Angaben des Landesbauernverbandes sogar 1.500 Euro betragen. Das geht vielen Betrieben an die Substanz, auch wenn die steigenden Preise für Energie, Futtermittel und Dünger die Bauern weit stärker treffen.

Kaufen wird immer teurer

Auch bei den Kaufpreisen gibt es nur eine Richtung: nach oben. In Baden-Württemberg stiegen sie seit 2010 um bis zu 150 Prozent. Der Preis pro Hektar liegt zwischen 10.000 und 50.000 Euro, im Vergleich zu den viehreichen Regionen in Niedersachsen, Nordrhein-Westfalen und Bayern, wo es nach Recherchen des Braunschweiger Thünen-Instituts (einer Bundesoberbehörde des Bundesernährungsministeriums) bis zu 280.000 Euro sind, also relativ moderat. Wenn überhaupt noch Land verkauft wird. Im Südwesten jedenfalls sind jährlich nur noch 0,2 Prozent der landwirtschaftlichen Fläche auf dem Markt.

Die Bauern geraten von mehreren Seiten unter Druck. Da sind zum einen viele Neubaugebiete und Umgehungsstraßen, die fast immer Obstwiesen und Äcker verschlingen. Zum anderen nahm in Baden-Württemberg die landwirtschaftliche Fläche seit der Jahrtausendwende um vier Prozent ab, was dazu führt, dass der Pachtanteil von 45 Prozent vor 30 Jahren auf heute 60 Prozent stieg.

Vor allem aber sorgen zahlungskräftige Windrad- und Photovoltaik-Unternehmen dafür, dass die Bauern im Preiskampf den Kürzeren ziehen. Der Landesbauernverband Baden-Württemberg kennt Verträge, die bis zu 4.000 Euro pro Hektar und Jahr festschreiben. Da kann dann kein Landwirt mehr mithalten. Und noch ein vierter Konkurrent gesellt sich dazu: Immer mehr Investoren (vor allem in Ostdeutschland) entdecken das großflächige Ackerland als Anlageobjekt – mit niedrigen, aber konstanten Erträgen.

Familienbetriebe müssen umdenken

Erst langsam stellen sich bäuerliche Familienbetriebe auf die neue Lage ein. Denn mit Hilfe der Politik dürfen sie nicht rechnen. Zwar können überall in Deutschland Behörden den Verkauf von Ackerland an Nichtlandwirte untersagen. Aber das geschehe häufig nicht, sagt Andreas Tietz vom Thünen-Institut. In Baden-Württemberg gibt es immerhin ein Agrarstrukturverbesserungsgesetz, das vorschreibt, dass Landwirten Boden aktiv angeboten werden muss und der Landsiedlung Baden-Württemberg ein Vorkaufsrecht einräumt. Wie stark das Einfluss auf die Preise hat, bleibt dahingestellt.

Deshalb gründen sich überall in Deutschland immer mehr bäuerliche Initiativen. Auch die Martin-Luther-Universität Halle-Wittenberg hat eine interessante Studie über „neue Organisationsformen des Landeigentums“ vorgelegt. Im Südwesten kauft die Kulturland-Genossenschaft Ackerland und Wiesen, um sie ökologisch wirtschaftenden Betrieben zur Verfügung zu stellen. Und der Landesbauernverband ermuntert Landwirte, sich zu Energiegenossenschaften zusammenzuschließen, um selbst Flächen mit Photovoltaikanlagen zu bestücken. So bleibt die Wertschöpfung in den Betrieben, statt bei Investoren zu landen.

Das alles sind erfolgversprechende Ansätze. Aber den Preiskampf verhindern sie wohl kurzfristig nicht.


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