Der Saure Regen, das Klima und die Ukraine

Wie Europa und die USA das Waldsterben schon einmal besiegten. Und warum der Ukraine-Krieg auch eine große Gefahr fürs Klima ist.

Waldsterben (Symbolbild: Colin Behrens)
Waldsterben (Symbolbild: Colin Behrens)

Von Michael Lehner für „natur + mensch Der politische Blog

Wer erinnert sich noch ans Waldsterben der 1980er Jahre des letzten Jahrhunderts? Und daran, dass Erfindergeist gepaart mit entschlossenem politischem Handeln den „Sauren Regen“ besiegte? Zumindest in den westlichen Industrienationen. Während der Ostblock und – vor allem – China bis heute nur wenig gegen die Luftverpestung durch Schwefeldioxid unternehmen.

Solcher Rückblick geht vor allem Klima-Aktivisten an. Sie klagen lauthals, dass das Thema Ukraine-Krieg ihr Anliegen in den Hintergrund gedrängt hat. Und sie wollen nicht begreifen, dass es in diesem Krieg auch darum geht, wie viel die Umwelt den Mächtigen noch wert ist, wenn die Waffen endlich schweigen sollten. Gerade deshalb ist der Rückblick auf die erste große Öko-Krise des Planeten heute wichtig.

Schon 1962 Alarm geschlagen

„Der stumme Frühling“ heißt das Buch, mit dem die Biologin Rachel Carson im Jahr 1962 Alarm geschlagen hat. Sie beschrieb das Sterben der Bäume im Sauren Regen. Und die Stille dort, wo nach den Bäumen auch die Vögel verschwinden. Bis in die menschenleeren Regionen der Subarktis zeigten sich die fatalen Folgen der Luftverschmutzung. Zum Beispiel in Flüssen und Seen, die als Lebensraum für Insekten und Fische plötzlich nicht mehr taugten.

Sichtbarste Folge wurde das Waldsterben. Zwar nicht zu übersehen, aber doch Stoff für erbitterten Streit. Sogar manche Förster wollten vor lauter toten Bäumen das Waldsterben nicht sehen. Und in der Politik entstand die Spezies der Klimaleugner. Trotzdem siegte bald die Vernunft: Schwefel wurde aus den Kraftstoffen verbannt. Kraftwerken verordnete die Politik wirksame Abgasfilter. Binnen 15 Jahren verringerte sich Europas Schwefeldioxid-Ausstoß um drei Viertel. In Deutschland, seinerzeit Spitzenreiter bei der Klimarettung, gelang eine Reduktion auf ein Fünfzehntel der 1980 gemessenen Schwefel-Last.

Zurück ins Heute: Der Ostblock blieb nahezu unbeeindruckt von den Hiobsbotschaften. Gerade auch in der ehemaligen DDR blieb der Schwefelgestank in den Städten typisch. Die Sowjetunion und ihre Satelliten scherten sich buchstäblich einen Dreck um die weltweite Bedrohung. Und China schafft beim Neubau von Kohlekraftwerken bis heute immer neue Rekorde.

Unbeschreibliche Folgen für Umwelt

Wer auf die Ukraine schaut, sieht nicht nur das aktuelle Ausmaß schier unbeschreiblicher Zerstörung. Und die immensen Folgen, die der Wiederaufbau dort auch für die Umwelt bedeuten wird. Ebenso klar ist, dass ein großes europäisches Land für den Klimaschutz verloren geht, wenn Russland den Krieg gewinnen sollte. Und dass Russlands Nachbarn sich in diesem Fall nicht nur um Leben und Freiheit sorgen müssen, sondern auch ums Klima.

Die gern verteufelten USA gehörten mit dem „Clean Air Act“ des Jahres 1970 übrigens zu den Pionieren beim Kampf gegen den Sauren Regen. Mit Katalysator-Pflicht für Autos zum Beispiel. Und mit immer schärferen Grenzwerten. Der wirksamste Beitrag der Sowjetunion zur Klimarettung war der Zusammenbruch des Ostblocks: Danach ging die Schwefelbelastung noch einmal deutlich zurück im Himmel über Gesamteuropa.

Zeit um nachzudenken also. Über die gern übersehenen Chancen, das Klima mit Erfindergeist zu retten – und nicht nur mit Verboten. Aber vor allem darüber, dass bedingungsloser Pazifismus auch fürs Klima große Risiken bedeutet.