Bogenjagd: Archaisches Relikt oder echte Alternative?

Der Präsident des Deutschen Bogenjagd Verbands e.V. (DBJV) Jan Riedel erläutert in einem Interview mit Natürlich Jagd, warum Die Jagd mit Pfeil und Bogen auch in Deutschland ein optionales Jagdmittel sein könnte!

Die Bogenjagd wird in der deutschen Jägerschaft kontrovers diskutiert. Hier ein Bogenjäger, der einen Compound-Jagdbogen spannt. (Symbolbild: DBJV)
Die Bogenjagd wird in der deutschen Jägerschaft kontrovers diskutiert. Hier ein Bogenjäger, der einen Compound-Jagdbogen spannt. (Symbolbild: DBJV)

Die Bogenjagd, also die Jagd mit Pfeil und Bogen auf Wild, wird weltweit von tausenden Jägern ausgeübt und auch in den meisten europäischen Ländern ist diese eher archaisch anmutende Jagdart seit vielen Jahren etabliert.

Rasant steigende Schwarzwildbestände führen auch hierzulande dazu, dass Wildschweine immer öfter auf der Suche nach Nahrung in städtische Bereiche vordringen, in denen eine konventionelle Reduktion der Schwarzwildbestände durch Abschuss mit der Schusswaffe, aufgrund der hohen Einwohnerdichte mit sehr vielen Risiken verbunden ist und deshalb oftmals ruht. Diesbezüglich und auch im Hinblick auf die sich weiter gen Westen ausbreitende Afrikanische Schweinepest (ASP) werden immer wieder Stimmen laut, die die Bogenjagd auch in Deutschland zur Reduktion des Schwarzwildes im urbanen Bereich fordern, so wie es seit einiger Zeit beispielsweise in Spaniens Hauptstadt Madrid mit großem Erfolg praktiziert wird. Hier in Deutschland erinnern wir uns noch an den erfolglosen Vorstoß der brandenburgischen Gemeinden Stahnsdorf und Kleinmachnow diesbezüglich (wir berichteten).

Luis Hant, der Präsident des Deutschen Bogenjagd Verbands e.V. (DBJV)
Jan Riedel, der Präsident des Deutschen Bogenjagd Verbands e.V. (DBJV)

Natürlich Jagd hat mit Jan Riedel, dem Präsidenten des Deutschen Bogenjagd Verbands e.V. (DBJV) eine dieser Stimmen, die die Integration der Jagd mit Jagdpfeil und Bogen auch hier in der Bundesrepublik erreichen wollen, ein Interview geführt:

Natürlich Jagd: Jan, eine etwas provokante Frage direkt zu Beginn – In der heutigen Zeit, in der zur Seuchenbekämpfung und -prävention immer mehr Technik bei der Jagdausübung eingesetzt wird, ja in weiten Teilen der Republik sogar Nachtsichttechnik auf den Waffen erlaubt ist, ist da die Jagd mit Jagdpfeil und Bogen nicht bloß noch ein Anachronismus?

Jan Riedel: Einerseits wurden Bögen, Pfeile und Jagdspitzen in den letzten Jahrzehnten, ähnlich der Autoindustrie in Deutschland, in den USA massiv weiterentwickelt. Dies führte dazu, dass Jäger heutzutage weltweit mit dem Jagdpfeil eine 10-mal geringere Verwundungsrate aufweisen, wie es noch vor 50 Jahren der Fall war. Auch fundierte Ausbildungs- und Prüfungskurse, wie sie der DBJV schon seit über 20 Jahren abhält, trugen in erheblichem Maße dazu bei, dass die Bogenjagd eine echte Alternative sein kann. Gerade vor dem Hintergrund, dass wir Jäger mit den von Dir in der Frage beschriebenen High-End-Jagdmitteln in urbanen Bereichen immer häufiger an unsere Grenzen stoßen, weil eine Kugel aus einer Feuerwaffe halt einfach ordentlich Energie und Reichweite hat. Im Gegensatz dazu ist der Gefährdungsbereich eines Jagdpfeiles gering, weshalb er gerade deswegen z.B. in Spanien oder Frankreich immer häufiger Anwendung findet.

Natürlich Jagd: Kannst Du für unsere Leser noch einmal kurz zusammenfassen, was für Dich bzw. den DBJV die Hauptargumente dafür sind, die Bogenjagd auch in Deutschland zu etablieren?

Jan Riedel: Jagdpfeil und Bogen als zusätzlich optionales Jagdmittel könnten dem Jäger ein nützliches und hilfreiches Instrument speziell in den Bereichen sein, wo es uns mit der Kugel aus der Feuerwaffe definitiv zu gefährlich erscheint. Gerade in bewohnten Bereichen kann die geringe Geräuschentwicklung des Bogens ihre Stärke entfalten. Bürger nehmen das Abschussgeräusch des Bogens nur in unmittelbarer Nähe war. Für Tiere hingegen wird dieses Geräusch nicht als Gefährdung wahrgenommen und vermindert das Fluchtverhalten einer Rotte, nachdem ein Stück beschossen wurde. Daraus resultiert oftmals eine weitere Schussmöglichkeit. Der Einsatz von Jagdpfeil und Bogen auf urbanisierte Wildtiere käme daher dem Jäger und dem dort lebenden Menschen zu Gute. Zu guter Letzt werden Jagdpfeil und Bogen schon ewig eingesetzt und genießen nahezu den Status eines kulturellen Erbes.

Natürlich Jagd: Beispiele wie Madrid zeigen, dass Bogenjagd im urbanen Raum funktionieren kann und auch von der städtischen Bevölkerung weitgehend akzeptiert wird. Haben wir Deutschen diesbezüglich ein Mentalitätsproblem?

Jan Riedel: Nein, das glaube ich nicht. Wie die Umfrage zur Bachelorarbeit „Meinung der nichtjagenden Öffentlichkeit zur Bogenjagd“ eines Absolventen der HF Rottenburg zeigte, sind 80% der Befragten der Bogenjagd gegenüber positiv eingestellt. Wie du sagst, spiegelt dies das Verhalten der Bürger in Spanien bzw. des dort zuständigen Umweltministeriums wider, weil die Jäger mittlerweile finanzielle Unterstützung erhalten und weitere große Städte dem Beispiel von Madrid folgten. Auch die Situation in Frankreich, wo im Elsass Jäger mit Jagdpfeil und Bogen Nutria in Ortschaften auf Bitte der Bürger reduzierten, spricht für sich. Speziell Bürger, die hier in Deutschland von Schäden die durch Wildtiere verursacht wurden, betroffenen sind, hätten sicherlich ebenso kein Mentalitätsproblem.

Natürlich Jagd: Kommt das Gespräch in meinem eignen jagdlichen Umfeld auf das Thema Bogenjagd, so habe ich festgestellt, dass gerade ältere Jäger mit dieser Jagdart fremdeln oder sie gar vehement ablehnen – wohingegen jüngere Waidgenossen demgegenüber interessierter und aufgeschlossen sind. Haben Sie ähnliche Erfahrungen gemacht und wie begegnen Sie dem?

Jan Riedel: Man kann beobachten, dass lebensjüngere Jäger eher Social Media nutzen und so auch deutlich mehr von Bogenjagd mitbekommen. Dies hat zur Folge, dass bei ihnen grundsätzlich eher ein Verständnis für die waidgerechte Tötungswirkung einer modernen Jagdspitze vorhanden ist. Andererseits ist mir bei Vorträgen z.B. in Hegering-Gemeinschaften aufgefallen, dass speziell lebensältere Jäger danach, aufgrund der fundierten Informationen, deutlich für die Bogenjagd plädieren und oftmals dann Äußerungen fallen wie: „wäre ich noch jünger, würde ich auch mit dem Bogen jagen wollen“.

Natürlich Jagd: Gibt es Pläne des Deutschen Bogenjagd Verbands, Anstrengungen zu unternehmen, die Jagd mit Pfeil und Bogen, vielleicht sogar mit wissenschaftlicher Begleitung, hier in Deutschland regional zu untersuchen – quasi einen Feldversuch zu machen, um etwaige Zweifler zu überzeugen? Wenn ja, wo könnte sich der DBJV dies vorstellen, respektive wen würdet Ihr zuerst diesbezüglich ansprechen?

Jan Riedel: Das von Dir eingangs beschriebene Beispiel aus Brandenburg hat gezeigt, dass oberste Jagdbehörden und Politiker Alternativen, wie z.B. der Bogenjagd, offen gegenüberstehen. Schon damals war klar, dass eine wissenschaftliche Begleitung sehr sinnvoll und unsererseits auch gewünscht ist / forciert wird. Der DBJV geht proaktiv in Gespräche mit den zuständigen Ministerien der Bundesländer sowie den Landesjagdverbänden. Es wurden aber auch schon Aufklärungs- und Informationsgespräche mit Tierschutzverbänden geführt.

Natürlich Jagd: Was macht eigentlich der DBJV?

Jan Riedel: Der Deutscher Bogenjagd Verband besteht schon seit 23 Jahren und hat unter anderem folgende Aufgabenbereiche:

–       er informiert über die heutige Jagd mit Jagdpfeil und Bogen,

–       er sichert die Ausbildung und Prüfung (nach international anerkannten Standards),

–       Förderung von Wissenschaft und Forschung zum Thema Bogenjagd sowie

–        Förderung des Tier- und Naturschutzes.

Die allermeisten Mitglieder des DBJV sind Jäger und engagieren sich ehrenamtlich für die Jagd. Sie erachten es als sinnvoll, dass Jäger in Deutschland auch Jagdpfeil und Bogen als zusätzliches Jagdmittel wählen dürfen – besonders in den Fällen, wo ihnen der Einsatz von Feuerwaffen zu gefährlich erscheint.

Damit auch in Deutschland ein Verständnis für die tierschutzgerechte Wirkung des Jagdpfeiles erzeugt wird,

–        werden z.B. bei Jäger-Versammlungen Vorträge gehalten,

–        wird der Kontakt zu den Jagdverbänden gepflegt,

–       wird bei Jagdmessen jedem Besucher die Möglichkeit gegeben, sich über die Bogenjagd zu informieren und mit einem Jagd-Compoundbogen zu schießen,

–        werden politische Entscheidungsträger informiert/aufgeklärt,

–       werden Vorträge an wissenschaftlichen Einrichtungen/Hochschulen/Universitäten gehalten,

–       werden Bachelorarbeiten und Forschungsarbeiten zum Thema Bogenjagd angeregt,

–        werden Tierschutz-Verbände informiert/aufgeklärt,

–        wird in den Medien informiert/aufgeklärt

–       und werden umfangreiche Informationen vorgehalten bzw. zur Verfügung gestellt.

Natürlich Jagd: Sollten jetzt einige unserer Leser ihr Interesse an der Bogenjagd entdeckt haben, abschließend die Frage, wie wird man eigentlich Bogenjäger und welche Voraussetzungen muss ich dafür mitbringen?

Jan Riedel: Eine fundierte Ausbildung sowie eine umfängliche Prüfung, welche auf der Ausbildung zum Deutschen Jagdschein aufbauen, sind Grundlage für den waidgerechten Einsatz von Jagdpfeil und Bogen. Auf internationaler Ebene ist allein der DBJV für Deutschland hierzu ermächtigt und bietet dies seit Gründungsbeginn mit speziell hierfür zertifizierten Ausbildern und Prüfern. So wird ein hoher Kenntnis- und Ausbildungsstand der Jäger gewährleistet, was insbesondere im Ausland geschätzt wird, wo deutsche Jäger mit Jagdpfeil und Bogen jagen.

Grundsätzlich ist ein gültiger Jagdschein Voraussetzung, um am Ausbildungs- und Prüfungskurs des Deutschen Bogenjagd Verbandes teilzunehmen.

Prüfungsrelevant und somit aus jagdlich waidgerechter Sicht, muss mit dem Jagdpfeil auf bis zu 25 Meter ein kleines Ziel perfekt getroffen werden. Bei der Prüfung müssen 5 von 6 Jagdpfeile in der eingezeichneten Kammer auf einer Rehbock– bzw. Überläufer-Scheibe sitzen. Die Ausrüstung muss prüfungskonform gewählt werden, um den DBJV-Bogenjagdschein erhalten zu können.

Die detaillierten Prüfungs-Voraussetzungen und Richtlinien können auf der Homepage des DBJV unter www.dbjv.org abgerufen werden.

Natürlich Jagd: Vielen Dank für das interessante Gespräch und viel Erfolg bei der Realisierung der Pläne. Waidmannsheil.

Das Interview für Natürlich Jagd führte Marco Leinz.