Kritischer Zustand der Süßwasserfische und Neunaugen in Deutschland

Neue Rote Liste: Mehr als die Hälfte der 90 bewerteten einheimischen Arten sind bestandsgefährdet oder ausgestorben.

Die aktuelle Rote Liste für Deutschland stuft den Atlantischen Lachs (Salmo salar) weiterhin als „vom Aussterben bedroht“ ein. (Symbolbild: danny moore auf Pixabay)
Die aktuelle Rote Liste für Deutschland stuft den Atlantischen Lachs (Salmo salar) weiterhin als „vom Aussterben bedroht“ ein. (Symbolbild: danny moore auf Pixabay)

Eine gemeinsame Pressemitteilung des Bundesamtes für Naturschutz (BfN) und des Rote-Liste-Zentrums (RLZ) offenbart eine deutliche Verschlechterung im Zustand der Süßwasserfische und Neunaugen in Deutschland. Die neue Rote Liste, eine wichtige Informationsquelle für den Erhalt der biologischen Vielfalt, zeigt alarmierende Entwicklungen: Mehr als die Hälfte der 90 bewerteten einheimischen Arten sind nun bestandsgefährdet oder ausgestorben.

Dramatische Verschlechterung seit 2009

Im Vergleich zur letzten Roten Liste von 2009 hat sich die Situation erheblich verschärft. Waren damals 22 Arten als bestandsgefährdet eingestuft, sind es jetzt 38. Besonders besorgniserregend: 11 Arten, darunter der Lachs und das Meerneunauge, sind akut vom Aussterben bedroht. Zudem sind 9 Arten, wie der Europäische Stör, bereits ausgestorben oder verschollen. Auch häufigere Arten wie die Brasse zeigen negative Bestandstrends.

Ursachen und Herausforderungen

Die Hauptgefährdungsursachen sind vielschichtig: Menschliche Eingriffe wie Gewässerausbau und -regulierung, Barrieren und Querbauwerke, die als Wanderhindernisse dienen, Wasserkraftwerke etc. spielen eine entscheidende Rolle. Hinzu kommen die Auswirkungen des Klimawandels, wie zunehmende Dürresommer und höhere Gewässertemperaturen, die besonders hitzeempfindliche Arten wie die einheimische Forelle beeinträchtigen.

Dr. Jörg Freyhof, Hauptautor der Roten Liste und Wissenschaftler am Museum für Naturkunde Berlin, betont, dass die Liste den Beginn einer tiefgreifenden Veränderung der Fischbestände dokumentiert. Die zunehmende Verbreitung invasiver Arten wie der Regenbogenforelle trägt ebenfalls zur Gefährdung einheimischer Fischarten bei.

Deutschland in der Verantwortung

Die Rote Liste unterstreicht die nationale Verantwortung Deutschlands für den weltweiten Erhalt bestimmter Arten. Für 21 Arten, darunter sieben Endemiten (Anm. d. Red.: Arten, die nur an einem einzigen definierten geografischen Ort vorkommen), besteht eine erhöhte Verantwortung. Beispiele sind der Ammersee-Kilch und die Schaalsee-Maräne, die nur in Deutschland vorkommen.

Expertenmeinungen und Lösungsansätze

Fachleute fordern gezielte Anstrengungen zur Erhaltung der Arten und die Renaturierung ihrer Lebensräume. BfN-Präsidentin Sabine Riewenherm verweist auf Erfolge durch verbesserte Wasserqualität und betont die Notwendigkeit weiterer Maßnahmen. Dr. Christian Wolter vom IGB hebt hervor, dass Gewässer als wichtige Lebensräume stärker wahrgenommen und geschützt werden müssen.

Politische und sozioökonomische Herausforderungen

Trotz vorhandener politischer Instrumente, wie der Flora-Fauna-Habitat-Richtlinie und der Europäischen Wasserrahmenrichtlinie, ist die Umsetzung von Maßnahmen zum Gewässerschutz oft schleppend. Nutzungskonflikte und sozioökonomische Rahmenbedingungen stehen dem Schutz der Gewässerlandschaften vielfach entgegen.