Wenn Jagdpächter zu Vollstreckungsgehilfen der Forstlobby degradiert werden

In der Broschüre „Zu viel Wild im Wald? Merkblatt zum Jagdmanagement in PEFC-zertifizierten Wäldern“ werden Tipps zur Waldbewirtschaftung gegeben: Welche Auswüchse diese Empfehlungen haben können, zeigt ein aktuelles Beispiel aus der Gemeinde Simmerath in der Nordeifel

Zwei Rehe im Wald. (Symbolbild: Denis Geier auf Pixabay)
Zwei Rehe im Wald. (Symbolbild: Denis Geier auf Pixabay)

Ein Beitrag von Volker Seifert vom Forum lebendige Jagdkultur e.V.

Wald contra Wild

Symposium Wald und Wild“ lautete eine Veranstaltung des LJV Nordrhein-Westfalen und des Waldbauernverbandes NRW, die am 10.10.2023 in Werl stattgefunden hat. Jagdwissenschaftler, Wildbiologen und Waldbauern tauschten sich zu den Themen Waldumbau, Wiederbewaldung und Lebensraumgestaltung aus. In mehreren Vorträgen wurde auch auf die PEFC-Zertifizierung eingegangen.

Das Programme for the Endorsement of Forest Certification Schemes (PEFC, deutsch ein Programm für die Anerkennung von Waldzertifizierungssystemen) ist ein internationales Waldzertifizierungssystem. Nach eigenen Angaben ist es die weltweit größte unabhängige Organisation zur Sicherstellung und kontinuierlichen Verbesserung einer nachhaltigen Waldbewirtschaftung, die ökologische, soziale und ökonomische Standards gewährleisten soll. In 53 Ländern gibt es Vergabestandards und Zertifizierungsorganisationen. Diesen übergeordnet ist der Verein PEFC Council (PEFC International) mit Sitz in Genf. Nach dem Beitritt nicht-europäischer Mitglieder im Jahre 2002 wurde der ursprüngliche Name Pan European Forest Certification auf der siebten Generalversammlung des PEFC im Oktober 2003 in der heutigen Form geändert.

In Deutschland sind mit 8,7 Mio. ha etwa 79 % des heimischen Waldes nach PEFC zertifiziert. In Österreich sind es mit rund 2,7 Mio. ha zwei Drittel der gesamten Waldfläche.

Für den Waldeigentümer hat die Zertifizierung den Vorteil, dass die Vermarktung des Holzes erleichtert, wenn nicht gar überhaupt ermöglicht wird. Viele Holzabnehmer fordern die PEFC-Zertifizierung, um ihre Produkte mit dem Nachhaltigkeitssiegel ausstatten zu können. Darüber hinaus bietet das Bundesministerium für Ernährung und Landwirtschaft (BMEL) Fördermittel, bei denen die Waldbesitzer einmalig bis zu 100 € je ha erhalten. Voraussetzung ist die Zertifizierung und die Verpflichtung, diese 10 Jahre beizubehalten. Die Einhaltung der Zertifizierungsvoraussetzungen wird in Audits (mindestens alle 10 Jahre) überprüft. Sollte der Waldeigentümer die Zertifizierung verlieren, muss er die Fördermittel zurückzahlen.

Teile der Zertifizierung betreffen direkt oder indirekt auch die Jagd auf den zertifizierten Flächen.

Dazu gehören die Forderungen:

  • Verjüngung der Hauptbaumarten ohne Schutzmaßnahmen möglich
  • Verjüngung der Nebenbaumarten mit geringen Schutzmaßnahmen möglich
  • Schälschäden an den Hauptbaumarten treten nicht großflächig auf

In seiner Broschüre „Zu viel Wild im Wald? Merkblatt zum Jagdmanagement in PEFC-zertifizierten Wäldern“ weist der PEFC auf folgende Gestaltungsmöglichkeiten der Waldbesitzer hin:

„Als Waldbesitzerin oder Waldbesitzer gibt es verschiedene Möglichkeiten, auf angepasste Wildbestände hinzuwirken. Die wichtigste: Wirken Sie mit bei der Gestaltung eines waldfreundlichen Jagdpachtvertrages und streben Sie eine vertrauensvolle Zusammenarbeit mit Ihrem Jagdausübungsberechtigten an! Das bedeutet:

  1. Pachtdauer: Streben Sie eine möglichst kurze Pachtdauer an. Hierbei sind die Vorgaben des BJagdG und des LJagdG zu beachten.
  1. Bonus-Malus-System des Pachtpreises: Etablieren Sie einen variablen Pachtpreis pro Hektar – er kann sich am Ergebnis eines
    vegetationskundlichen Gutachtens zum Wildverbiss orientieren.
  2. Wildschadensersatz: Stellen Sie Wildschäden im Rahmen der gesetzlichen Regelung vollumfänglich und ohne Begrenzung
    in Rechnung (Verzicht auf Flächenpauschale).
  3. Wildschadensverhütung: Legen Sie die Verjüngungsschwerpunkte fest – die Pächter übernehmen die Kosten der Wildschadensverhütung
    im Wald.
  4. Waldbauliche Zielsetzung: Formulieren Sie das waldbauliche bzw. betriebliche Ziel im Pachtvertrag.
  5. Hauptbaumarten: Definieren Sie im Pachtvertrag alle Hauptbaumarten, um eindeutig festzulegen, welche Baumarten sich ohne Wildschutz natürlich verjüngen lassen müssen – im Besonderen auch die Baumarten unterhalb eines Anteils von 5 %, wie z. B. Tanne und Eiche, um künftige standortgerechte und klimastabile Wälder entwickeln zu können.
  6. Bewegungsjagden: Verpflichten Sie die Jagdausübungsberechtigten zur aktiven Teilnahme an bzw. Ausrichtung von revierübergreifenden Bewegungsjagden mit ihren Jagdflächen. Darüber hinaus sind „überjagende“ Hunde zu dulden.
  7. Waldbegang: Vereinbaren Sie mit dem Pächter einen jährlichen Waldbegang. Es erfolgt eine schriftliche Festlegung der Schwerpunktbejagung auf Grundlage der waldbaulichen Zielstellungen und der Erstellung eines Jagdnutzungskonzeptes.
  8. Sonderkündigungsrecht: Kündigen Sie den Jagdpachtvertrag vor Ablauf der Pachtzeit fristlos, wenn die Pächter den Abschussplan oder Vereinbarungen über die Verminderung des Wildbestandes nicht erfüllen.
  9. Kirrungen/Fütterungen/Ablenkfütterungen: Wirken Sie darauf hin, dass diese in Bereichen, die eine hohe Wildschadensgefährdung darstellen, unterlassen werden.“

Welche Auswüchse diese Empfehlungen haben können, zeigt aktuell die Gemeinde Simmerath in der Nordeifel. Dort laufen die Jagdpachtverträge zum 31.03.2024 aus und werden nach der Planung der Gemeinde nicht mehr verlängert oder neuverpachtet.

Dafür stellt die Gemeinde einen Berufsjäger ein und vergibt 15 Pirschbezirke mit einer Fläche von 100 – 150 ha und einer „Pachtdauer“ von einem Jahr. Die Pächter der Pirschbezirke werden an der Erfüllung der Abschusspläne bewertet, und bei Nichterfüllung gehen die Pirschbezirke an andere Interessierte.

Völlig legal werden hier die Mindestpachtdauern, die zum Schutz des Wildes und der nachhaltigen Jagd im Gesetz verankert sind, umgangen und ein Schießertum provoziert. Die Gemeinde möchte Pächter haben, die mal richtig hinlangen und den lästigen „Knospenbeissern“ an die Decke rücken. Der Pächter wird hier nicht mehr als verantwortungsvoller Partner, sondern als Vollstreckungsgehilfe verstanden, der seine wildbiologischen Erkenntnisse über Bord werfen soll und seine Verantwortung für das Wild den waldbaulichen Zielen unterzuordnen hat. Das jagdliche Ziel ist nicht mehr der gesunde Wildbestand sondern die Erfüllung der Träume mancher Waldbesitzer und deren Knechte „Wald ohne Wild“.

In Zeiten wo das Wünschen noch geholfen hat, täte ich mir wünschen, das sich kein Pächter für diese Pirschbezirke findet und die Gemeinde auf den wirtschaftlichen Schaden sitzen bleibt. Aber geben wir uns keinen Illusionen hin. Selbstverständlich werden sich Jagdscheininhaber finden, die aus einer dumpfen Haltung heraus willfährig dienen.