Naturschutz und Jagd – zwei Seiten derselben Medaille

NABU-Präsident Jörg-Andreas Krüger spricht auf der Jahreshauptversammlung der Kreisjägerschaft Warendorf über die Legitimation der Jagd, den Wolf und über „Brückenbauen“

V.l.n.r.: Jörg-Andreas Krüger, Josef Roxel, Claudia Böckenhüser und Markus Degener. (Foto: mlz)
V.l.n.r.: Jörg-Andreas Krüger, Josef Roxel, Claudia Böckenhüser und Markus Degener. (Foto: mlz)

Wussten Sie, dass der Präsident des NABU in Deutschland aktiver Jäger ist und Begehungsscheine in zwei Revieren hat, das eine mit Rotwildvorkommen, das andere (noch) mit Muffelwild, in denen er seiner Passion nachgeht? Wussten Sie, dass der NABU im Besitz von 33 Eigenjagden ist? Und wussten Sie, dass „wir“ Jäger mit dem NABU mehr gemeinsam haben als uns trennt? Das glauben Sie nicht? Wir von Natürlich Jagd haben mit Jörg-Andreas Krüger im Rahmen der Hauptversammlung der Kreisjägerschaft Warendorf gesprochen und ihn auch zu seine Ansichten über den Wolf befragt.

Die Kreisjägerschaft Warendorf, eine der, wenn nicht die Vorzeige-Jägerschafte(n) des Landesjagdverbandes Nordrhein-Westfalen, was das Engagement im Natur- und Artenschutz sowie der Niederwildhege angeht, lud am vergangenen Mittwoch zu ihrer Jahreshauptversammlung in die Festhalle nach Everswinkel ein und alle kamen.

Mehr als 300 Jägerinnen und Jäger aus dem Kreis Warendorf, Repräsentanten befreundeter Jägerschaften, wie bspw. die Kreisjagdmeister von Münster und Coesfeld, aus der Landwirtschaft, aus der Lokal-, der Landes- und mit dem Vizepräsidenten des Deutschen Jagdverbandes und Bundestagsabgeordneten Hans-Jürgen Thies, sogar ein Vertreter aus der Bundespolitik. Die Hütte war voll und bot so einen würdigen Rahmen für diese sehr gut organisierte und durchgeführte Veranstaltung.

NABU-Präsident Jörg-Andreas Krüger bekam u.a. als Geschenke der KJS Warendorf Gartendekoration in Form eines Hasen, eines Kiebitz und eines Fasanen. V.l.n.r. Jörg-Anreas Krüger, Markus Degener, Josef Roxel und Claudia Böckenhüser. (Foto: mlz)

Nach Begrüßung der Anwesenden durch den Vorsitzenden der Kreisjägerschaft Warendorf Josef Roxel, hob der Bürgermeister Everswinkels, Sebastian Seidel, den Naturschutzgedanken hervor, der oft vergessen wird, wenn über Jäger und ihr Tun berichtet wird. Fallwildentsorgung, Müll-Sammelaktionen und Niederwildhege seien nur einige wichtige Bereiche, in denen sich die Jäger mit vollem Einsatz engagieren. Die Klimaschützer der letzten Generation sollten sich lieber ein Beispiel an den Jägern nehmen, die so viel Gutes für die Natur tun, anstatt in Münster ihre Alma Mater zu besetzen und sich festzukleben, meint Seidel.

Der Landrat des Kreises Warendorf Dr. Olaf Gericke leitete dann schon thematisch in das ein, was später noch ausführlich besprochen werden sollte, auf die konstruktive Zusammenarbeit zwischen Jägern und Naturschützern. In diesem Kontext hob er das Projekt W-Land (Warendorfer Landnutzer arbeiten für Naturschutzzwecke und Biodiversität) hervor, in dessen Rahmen in der vergangenen Periode u.a. 2.000 lfdm Hecke angelegt, 2.600 Pflanzen der Hecken- und Waldrandbepflanzung in die Erde gebracht worden sind oder auf 59 Teilflächen mit insg. 15,1 Hektar Strukturbrücken entstanden. Ein besseres Projekt im Hinblick auf Zusammenarbeit könne es nicht geben, lobte der Landrat. Wichtig sei „Gemeinsam zu sehen was zusammen geht und dann die Enden zusammenzubinden“.

Josef Roxel führet als Vorsitzender durch die Sitzung und lobte das große Engagement der Jäger des Kreises in vielen wichtigen Projekten auch neben der Niederwildhege. So seien exemplarisch im Rahmen des Projektes „Grünes Herz – Entdecke mit uns die Natur“ Bücherpakete an 168 Kindergärten im Kreis verschenkt worden, was sehr gut angekommen und auch angenommen worden sei. Auch, dass „Rentner“-Jäger sich als Vorleser in den Kitas betätigt hätten, sei ein schönes Beispiel für ehrenamtliches Engagement auch abseits der eigentlichen Jagd.

Ein wenig später folgte dann mit dem Vortrag des NABU-Präsidenten Jörg-Andreas KrügerJagd und Naturschutz – zwei Seiten einer Medaille?!“, worauf die meisten schon mit Spannung gewartet hatten.

Besser miteinander als übereinander reden

Der stellvertretende Vorsitzende der KJS Warendorf Markus Degener, der auch maßgeblich dafür verantwortlich zeichnete, dass NABU-Präsident Krüger den Abend im Kreise der münsterländischen Jäger verbrachte, moderierte dessen Vortrag mit den Worten an „Eigentlich eint uns mehr als uns trennt“, denn im Kreis Warendorf ist die Kreisjägerschaft beispielsweise der größte Naturschutzverein der sich, wie auch die Mitglieder des NABU es tun, in der Verantwortung sieht, die Artenvielfalt zu erhalten. Bei manchen Arten sei es diesbezüglich schon „fünf vor zwölf“ und bei anderen bereits 12 Uhr, sagte Degener. Doch wichtig ist zu erkennen, dass es um „das Große und Ganze geht“ und nicht nur um Partikularinteressen.

Was Viele über den NABU-Präsidenten Jörg-Andreas Krüger nicht gewusst haben dürften, ist, dass er aktiver und auch bekennender Jäger ist und wie Markus Degener zu berichten wusste, die Hälfte der Familie Krügers aus aktiven Milchbauern bestehe. Deshalb sei der Kopf des NABU, kontroverse Diskussionen durchaus schon gewohnt und zitiert einen seiner Bekannten der zum Besuch Krügers meinte: „Der hat ja Eier, dass er zu Euch kommt“.

An das zuvor schon Gesagte knüpfte Jörg-Andreas Krüger zu Beginn seines Vortrages mit dem Titel „Jagd & Naturschutz – Zwei Seiten einer Medaille?!“ an:

Auch er ist der festen Überzeugung, dass man gemeinsam weiter komme als alleine, doch schnell wurde auch klar, dass die Verfolgung derselben Ziele noch lange nicht gleichbedeutend damit ist, dass Intentionen und Beweggründe, die dahinter stehen, sehr stark differieren können.

So treibe den Naturschützer beispielsweise Naturliebe und der Naturschutz an sich in seinem Tun an und Jäger engagieren sich für Naturschutz vor dem Hintergrund der Naturverbundenheit und des Nutzungsgedankens der Natur. Zwei Seiten derselben Medaille halt.

Auch NABU mit klarem Bekenntnis zur Jagd

Jörg-Andreas Krüger führte aus, dass die Bundesversammlung des NABU erst vor Kurzem der Jagd ein klares JA zugesprochen habe – jedoch einer „naturverträglichen Jagd als Form der Landnutzung“.  Diese müsse den Kriterien der Nachhaltigkeit entsprechen und dürfe ethischen Prinzipien nicht widersprechen. Aus Sicht des NABU habe sich die Situation jedoch schon stark zum Guten hin verändert, da es die Jagd als „reine Trophäenzüchterei“, wie sie die Diskussionen der 80er Jahre bestimmte, heute so nicht mehr gebe. Darüber hinaus sei es auch seine Meinung, dass „Rehe und Hirsche in den Wald gehören“.

Unterschiedliche Denk- und Herangehensweisen

Der rote Faden, der sich durch den gesamten Abend zog, war die Erkenntnis, die sich in vielen Aussagen Krügers manifestierte, dass es auf der einen Seite viele gute und konstruktive Anknüpfungspunkte im Bereich der Naturschutzarbeit beider Gruppen gibt, doch in anderen Bereichen vor allem die Sichtweisen aber auch die Herangehensweisen sehr stark auseinandergehen, obgleich die Erkenntnis „Es gibt mehr das uns eint als das, was uns trennt“ weiterhin Gültigkeit behält.

So wolle der NABU beispielsweise die Liste der jagbaren Arten reduzieren, da die Populationsentwicklung beispielsweise wandernder (Vogel-)Arten schwierig vorauszusagen sei. Die Verwendung von Totschlagfallen würden abgelehnt, da diese nicht selektiv fangen würden etc.

Konzepte regionalisieren – „Ins Gespräch kommen“

Ein wesentlicher Punkt war dann die Aussage Krügers in Zukunft Konzepte regionalisieren zu wollen und sich dabei an den ländlichen Regionen zu orientieren. Dazu müsse versucht werden „den Ballast der Vergangenheit mit Gelassenheit zu ertragen“. Da NABU-Mitglieder oft aus dem urbanen Raum kommen, müsse eine „gemeinsame Brückenbauerfunktion“ etabliert werden, damit sich Stadt und Land wieder annähern.

Genau dieser Punkt wurde in der anschließenden Fragerunde noch einmal aufgegriffen, bei der einer der anwesenden Jäger die Probleme aufzeigte, die durch Tierschützer entstünden, die aus dem urbanen Milieu kommen und wesentlich weniger pragmatisch, sondern viel ideologischer ausgerichtet seien als NABU-Mitglieder, respektive Tierschützer, die auf dem Land leben. Dort kennt man sich und arbeitet oft sehr produktiv zusammen. Störfeuer kommen zumeist, wie schon dargelegt, aus den großen Städten.

Jörg-Andreas Krüger empfiehlt dazu, immer wieder aufs Neue in den Dialog zu treten, die Jagd zu begründen. Er selbst würde Kollegen, die der Jagd kritisch gegenüberstehen, dazu einladen mit ihm auf die Jagd zu kommen. Dort würde sich dann schon viel relativieren. Zumindest würde die Debatte danach differenzierter geführt und es gäbe (normalerweise) keine grobe Ablehnung diesbezüglich mehr. Der NABU selbst hätte 33 Eigenjagden.

Partnerorganisation Peta?

Gefragt zum Verhältnis des NABU zur Tierrechtsorganisation Peta, erklärt der NABU-Vorsitzende, dass Peta keine Partnerorganisation des NABU sei und distanziert sich ganz klar von „unsäglichen Aktionen“ wie Hochsitzsägereien und dergleichen.

Prädatorenmanagement

Auch auf das Management von Beutegreifern hat der NABU eine sehr eigene Sichtweise: Krüger meinte dazu, dass man „nicht nur über die Wege, sondern vielmehr über die Wirksamkeit streiten müsse“. „Wieviel muss man tun, damit es hilft?“ Beispielsweise viele Füchse zu schießen, wenn dies keinen Effekt erziele, sei abzulehnen. „Totfangfallen“ seien abzulehnen, da diese nicht selektiv fangen etc. An dieser Stelle grätschte Markus Degener dazwischen, in dem er anführte, dass Maßnahmen zur Lebensraumverbesserung bedrohter Arten alleine, keine signifikante Wirkung hätten, was eindrücklich das Vogelschutzprojekt am „Dümmer“ in Niedersachsen belege. Im Kreis Warendorf seien im vergangenen Jagdjahr 2.200 Waschbären erlegt worden, denn „nur wer nicht gefressen wird und die Chance bekommt aufzuwachsen, der könne auch schöner wohnen“!

(Streit-)Thema Wolf

Wie es zu erwarten war, kamen natürlich auch Fragen zum Wolf. Auch wir von Natürlich Jagd haben im Vorfeld der Veranstaltung ein Interview mit Jörg-Andreas Krüger geführt und ihm die Fragen, die uns Jägern und den Weidetierhaltern unter den Nägeln brennen, wie die nach einer Festlegung des günstigen Erhaltungszustandes, nach der Aufnahme des Wolfes ins Jagdrecht sowie nach der Notwendigkeit eines restriktiven Prädatorenmanagements etc. gestellt – Dabei fiel auf, dass das Verstehen des Ansatzes, des Standpunktes und der Herangehensweise an die Thematik wesentlich interessanter und wichtiger ist als die schiere Beantwortung der Fragen an sich.

Flächendeckende Ausbreitung des Wolfes als Voraussetzung

Danach gefragt, ob der „Günstige Erhaltungszustand“ des Wolfes nicht schon längst erreicht sei und ob er nicht auch selbst meine, dass wir mittlerweile zu viele Wölfe in Deutschland haben, antwortete Krüger ganz selbstverständlich, dass man das doch jetzt noch gar nicht sagen könne, da der Wolf doch gerade erst angefangen hat, die für ihn geeigneten Lebensräume in Deutschland neu zu besetzten. Momentan breite er sich im Westen und im Südwesten aus und sollten alle möglichen Reviere besetzt sein, könne man sehen, wie viele Wölfe wir letztendlich haben. Danach würde sich das Niveau der Wolfspopulation natürlich, durch ein Wechselspiel von Vermehrung, Zu- und Abwanderung und Sterblichkeit regulieren. Deshalb könne auch, jedenfalls zum jetzigen Zeitpunkt, noch gar nicht von einem „Zuviel“ gesprochen werden. Darüber hinaus obliege die Beantwortung der Frage nach einer Zahl, die den „Günstigen Erhaltungszustand“ beschreibt, beim Bundesamt für Naturschutz (BfN) und nicht beim NABU. Direkt dazu nachgefragt, ob das Recht des Wolfes sich „grenzenlos“ in der Republik auszubreiten, dann nicht auch dem Rotwild zugestanden werden müsse, anstatt es in „Bewirtschaftungsgebieten“ zu einzupferchen, antwortete Krüger, dass der NABU es genauso sieht, dass auch das Rotwild sich flächendeckend ausbreiten dürfen sollte. Deshalb würden auch regelmäßig Projekte, die Querungshilfen, sog. Grünbrücken über Autobahnen vorsähen, vom NABU unterstützt. Oft auch in Kooperation mit den Jägerschaften.

Die Hereinnahme des Wolfes ins Jagdrecht lehnt der NABU dagegen strikt ab, da das deren Ansicht nach keine Verbesserung der Situation ergeben würde. Frankreich beispielsweise würde Wölfe bejagen und hätte trotzdem signifikant mehr Risse als wir hier in Deutschland. Undifferenzierte Abschüsse würden die Rudelstrukturen aufbrechen und führten im Endeffekt dazu, dass die Risse eher steigen als weniger zu werden.

Grundsätzlich trage auch der NABU die Möglichkeit mit, einen Wolf oder auch mehrere, wenn nötig zu entnehmen, sollten ordnungsgemäße Herdenschutzmaßnahmen zweimal nachweislich von Wölfen überwunden worden sein. Gewisse Anpassungen müssten dann spezifisch für jede Region vorgenommen werden.

Abschließend sei noch die Frage nach der Zukunft des Muffelwilds erwähnt, die viele Jäger vor dem Hintergrund der steigenden Wolfszahlen umtreibt. Jörg-Andreas Krügers Antwort hierzu, lässt sich ganz kurz zusammenfassen: „Muffelwild gehört nicht in unser Ökosystem! Der Wolf schon.“