Diversifizierung als Schlüssel zu Nachhaltigkeit und Ernährungssicherheit

Groß angelegte Studie unter Leitung der Unis Hohenheim & Kopenhagen zeigt: Eine diversifizierte Landwirtschaft nützt sowohl Mensch und Umwelt – und zahlt sich aus

Eine diversifizierte Landwirtschaft nützt sowohl Mensch und Umwelt - und zahlt sich aus. Dies zeigt eine gerade in Science erschienene groß angelegte Studie unter Leitung der Unis Kopenhagen & Hohenheim: Hier beim biologischen Anbau von Erdbeeren in Kalifornien mit Blühstreifen aus Wildblumen. (Foto: Claire Kremen, University of British)
Eine diversifizierte Landwirtschaft nützt sowohl Mensch und Umwelt – und zahlt sich aus. Dies zeigt eine gerade in Science erschienene groß angelegte Studie unter Leitung der Unis Kopenhagen & Hohenheim: Hier beim biologischen Anbau von Erdbeeren in Kalifornien mit Blühstreifen aus Wildblumen. (Foto: Claire Kremen, University of British)

Nach vier Jahren intensiver Forschung und Zusammenarbeit zwischen 58 Wissenschaftlern aus fünf Kontinenten präsentieren Prof. Dr. Ingo Grass von der Universität Hohenheim und Prof. Dr. Laura Vang Rasmussen von der Universität Kopenhagen ihre Erkenntnisse in der angesehenen Fachzeitschrift Science. Ihre Studie, die auf Daten aus 24 Forschungsprojekten basiert, sendet eine klare Botschaft an die weltweite Landwirtschaft:

Es ist Zeit, von Monokulturen und industriellem Denken Abstand zu nehmen und einen diversifizierten Ansatz in der Landwirtschaft zu verfolgen.

Die Vorteile der Diversifizierung: Von Ernährungssicherheit bis zum sozialen Wohlbefinden

Die Ergebnisse der Studie sind eindeutig: Die Diversifizierung der Landwirtschaft bringt zahlreiche positive Effekte mit sich und weist kaum negative Konsequenzen auf. Besonders hervorzuheben sind die signifikanten Verbesserungen in der Ernährungssicherheit und der biologischen Vielfalt. Zudem zeigte sich, dass soziale Aspekte wie das allgemeine Wohlbefinden durch die Diversifizierungsstrategien gestärkt werden. Ein bemerkenswertes Beispiel hierfür ist die Integration von Obstbäumen in Maisfelder in Malawi, die nicht nur die Ernährungssicherheit der Kleinbauern erhöht, sondern auch zu einem zusätzlichen Einkommen beiträgt.

Überraschende Erkenntnisse: Keine Beeinträchtigung der Erträge

Entgegen der verbreiteten Annahme, dass eine diversifizierte Landwirtschaft zu Einbußen bei den Erträgen führen könnte, belegen die Forschungsergebnisse das Gegenteil. Sowohl in kleinen Betrieben als auch in großflächigen Anbausystemen konnte nachgewiesen werden, dass Diversifizierung die Ernährungssicherheit signifikant verbessert, ohne die Erträge zu beeinträchtigen. Dies widerlegt frühere Studien, die lediglich die sozioökonomischen oder ökologischen Aspekte betrachteten, und zeigt auf, dass ein ganzheitlicher Ansatz in der Landwirtschaft viele Vorteile bietet.

Globale Daten, lokale Lösungen

Die Studie stellt eine beeindruckende Zusammenführung von Daten dar, die eine Vielzahl von landwirtschaftlichen Kontexten und Praktiken weltweit abdeckt. Von der Maisproduktion in Malawi über Gummibäume in Indonesien bis hin zu Winterweizen in Deutschland – die Forscher haben eine Fülle von Informationen analysiert, um zu ihren Schlussfolgerungen zu gelangen. Diese umfassende Datensammlung ermöglichte es, die positiven Auswirkungen von Diversifizierung auf die biologische Vielfalt und die Ernährungssicherheit zu belegen, ohne dass negative Folgen für die Erträge festgestellt wurden.

Ein Aufruf zu nachhaltiger Praxis

Die Studie betont die Wichtigkeit von Diversifizierungsstrategien in der Landwirtschaft und fordert Regierungen und Unternehmen auf, Anreize für deren Umsetzung zu schaffen. Die positiven Effekte auf die biologische Vielfalt, das Wohlbefinden und die Ernährungssicherheit sind deutlich und unterstützen die Dringlichkeit, nachhaltige landwirtschaftliche Praktiken zu fördern, um die Gesundheit unseres Planeten zu sichern.

Zukunftsperspektiven und nachhaltige Entwicklung

Trotz der wenigen negativen Auswirkungen, die in einigen Fällen beobachtet wurden, wie z.B. der kurzfristigen Beeinträchtigung des Wohlbefindens durch den erhöhten Arbeitsaufwand beim Anpflanzen von Hecken und Bäumen, überwiegen die positiven Aspekte deutlich. Diese Forschungsergebnisse bieten eine wertvolle Grundlage für zukünftige politische Entscheidungen und die Entwicklung von Strategien zur Förderung einer nachhaltigeren und vielfältigeren Landwirtschaft weltweit.

Einzigartiges Studiendesign als Inspiration für künftige Forschung

Mit 58 Forschern rund um den Globus, die alle an der Konzeption der Studie und der Verflechtung von 24 Datensätzen aus anderen Studien beteiligt waren – die insgesamt 2.655 landwirtschaftliche Betriebe auf fünf Kontinenten repräsentieren – ist dieses Forschungsprojekt einzigartig.

„Soweit ich weiß, wurde dies noch nie in einem solchen Umfang durchgeführt. Es war harte Arbeit gemeinsame Indikatoren für diese Berechnungen zu finden, und zwar in so vielen verschiedenen Studien und mit so unterschiedlichen Daten, dass wir sie integrieren konnten. Aber ich denke, dass dieser Ansatz die künftige Forschung inspirieren kann. Dass die enorme Datenmenge, die wir verarbeitet haben, so klare Ergebnisse liefert, ist ziemlich bahnbrechend“, sagt Prof. Dr. Rasmussen.

Ein Beispiel aus Meta in Kolumbien zeigt, dass sich eine diversifizierte Landwirtschaft auszahlt: Nachhaltige Rinderhaltung steigert die Milchproduktion. (Foto: Juan Arrendondo)
Erdbeeren in Monokultur in Kalifornien. (Foto: Claire Kremen)
Erdbeeren in Monokultur in Kalifornien. (Foto: Claire Kremen)

Drei Gruppen von umgebenden Landschaften

In der Studie wurde untersucht, ob das Ausmaß an natürlichem Lebensraum in der umgebenden Landschaft die Auswirkungen der Diversifizierung mildert:

– Stark simplifizierte Landschaften: <5 % naturnaher Lebensraum in einer Landschaft

– Einfache Landschaften: 5-20 % naturnahe Lebensräume in einer Landschaft

– Komplexe Landschaften: >20 % naturnaher Lebensraum in einer Landschaft

Strategien und Praktiken zur Diversifizierung der Landwirtschaft

In dem Forschungsartikel wurden Daten über die Auswirkungen von mehr als 20 verschiedenen Arten von Diversifizierungspraktiken innerhalb von fünf großen Diversifizierungskategorien gesammelt.:

•       Zeitliche Diversifizierung des Anbaus: Rotation, Fruchtfolge mit mehr als 2 Kulturen, Deckfruchtanbau

•       Nicht-Kultur-Diversifizierung: Hecken, Windschutzstreifen, Blühstreifen, Käferbänke, Futterstreifen, sonstige Diversifizierung außerhalb von Kulturen

•       Erhaltung des Bodens: Ausbringung von Dung, Kompost, Gründüngung, Biokohle, Inokulation mit Mikroorganismen, Einarbeitung von Rückständen, Mulchen, nährstoffmobilisierende Pflanzen, andere nützliche Bodenverbesserungsmethoden

•       Diversifizierung der Tierhaltung: Anzahl der Nutztierarten, z. B. Rinder, Pferde, Schweine, Ziegen, Schafe, Hühner, Esel, Fische und Honigbienen

•       Wasserschutz: Terrassierung, Kontinuität der Bedeckung/Wurzeln, Dämme, Konturanbau, andere nützliche Wasserschutzverfahren

Quelle: Universität Kopenhagen/Universität Hohenheim www.science.org/doi/10.1126/science.adj1914