Bayerns Jäger in Gottes Hand
Wieder ein Aufreger-Urteil in Bayern: Muttertierabschuss zur Schonzeit kostet 500 Euro, aber nicht den Jagdschein
Vor Gericht und auf hoher See, heißt es nicht nur in Juristen-Kreisen, sind wir in Gottes Hand. Das gilt in Bayern offenbar ganz besonders für Jäger – und im Staatsforst. Zum Beispiel wenn Beamte des Forstamts Oberammergau den Rotwild-Abschussplan um 68 Hirsche überschießen und mit 10.000 € Buße davonkommen.
Ebenfalls im Bezirk des Amtsgerichts von Garmisch-Partenkirchen ereignete sich der jüngste Fall von bemerkenswerter Milde: 500 Euro für den Schonzeit-Abschuss von zwei Muttertieren mit unterlassener Nachsuche im Staats-Rotwildrevier „Steilen“, einem Verbiss-Hotspot im Wettersteingebirge.
Der 69jährige Staats-Jagdgast sorgt nicht nur wegen der Schüsse zur Schonzeit für Empörung: Statt ordnungsgemäßer Nachsuche blieb das angeflickte Alttier sich selber überlassen. Wanderer fanden es zwei Tage nach dem Schuss, elendiglich verendet und mit prall gefüllter Spinne. Klares Zeichen, dass die Hirschkuh mindestens ein Kalb führte, das wohl einen qualvollen Hungertod starb.
Zunächst hatte der Schütze für diese Tat einen Strafbefehl über 2.000 Euro kassiert, den er aber nicht akzeptierte. Es kam zur Hauptverhandlung und der „erfahrene Jäger“ ließ seinen Anwalt wortreich vortragen, dass der Muttertierschutz nach Paragraf 22, Absatz 4 des Bundesjagdgesetzes ohnehin zum Schutz des Waldes abgeschafft werden sollte.
Dass der Richter nach solchem Vortrag das Verfahren gegen 500 Euro Buße einstellte, macht nicht nur Jäger fassungslos.
Tessy Lödermann, Tierschutz-Vizepräsidentin in Bayern: „Dieser Beschluss macht das Tierleid bei verwaisten Kälbern salonfähig.“ Der Angeklagte, der von einem bedauerlichen Versehen spricht, darf nun sogar seinen Jagdschein behalten.
An dieser Stelle ist Erinnerung an ein anderes Urteil der bayerischen Justiz angezeigt: Letztes Jahr verlor ein betagter Jäger aus Oberfranken seinen Schein, weil er einen stark abgekommenen Hirsch streckte, obwohl die Beständerin den Abschuss von Geweihten gestoppt hatte.
Das Urteil: 2.500 Euro, was bei der bescheidenen Pension des Bahnbeamten im Ruhestand mit über 60 Tagesätzen auch ein lebenslanges Jagdverbot bedeutet.
Dazu kam seinerzeit noch die Begleitmusik aus dem Bayerischen Jagdverband, der dem langjährigen Hegeringleiter nach dem Gerichtsurteil auch noch die über 50 Jahre währende Mitgliedschaft kündigte. Bis heute beteuert er, dass es eine Hegeabschuss war und sagt, dass der Unterkiefer des Zwölfenders gebrochen war. Aber das Beweisstück ist verschwunden.
Mehr Glück hatte da ein bayerischer Förster, der vom Auto aus beim Nachbarn einen Rehbock streckte. Das Amtsgericht Mühldorf sprach ihn vor zwei Jahren frei vom Vorwurf der Jagdwilderei. Ein Vorsatz sei dem Beamten nicht nachzuweisen.
So wie der Garmischer Richter nun „im Zweifel für den Angeklagten“ entschied, der Muttertier-Erleger habe nicht wissen können, dass sein Opfer im Juni ein Kalb führte.