Unsere Biene (I): So klein und doch so wichtig

Unsere Biene (I): so klein und doch so wichtig

„Innerhalb weniger Tage sind ganze Völker weggestorben“

Die meisten Menschen assoziieren sie mit einer bekannten Kinderbuchfigur, schenken ihr abgesehen davon jedoch kaum Beachtung. Und kommt sie doch einmal zu nahe, wird sie mit resoluter Handbewegung verscheucht. Doch was noch immer wenige wissen: Die Biene gehört zu den interessantesten, vielseitigsten und wichtigsten Lebewesen unserer Erde. Für den ersten Teil der Serie „Unsere Biene“ hat Outfox-World mit dem angesehenen Bienenexperten Prof. Dr. Karl Crailsheim über die Wichtigkeit der kleine Tiere gesprochen – und über ihre bedrohliche Situation.

Biene
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Prof. Dr. Karl Crailsheim

Herr Prof. Dr. Crailsheim, Sie sind Bienenforscher am Institut für Zoologie an der Karl-Franzens-Universität Graz. Seit wann beschäftigen Sie sich mit Bienen und was fasziniert Sie daran?

Prof. Dr. Karl Crailsheim: Mein erster wissenschaftlicher Job bestand darin herauszufinden, wie viel Zucker die Biene beim Fliegen verbraucht. Seitdem war ich fasziniert von der Welt der Bienen, die mich danach nicht mehr losgelassen hat. Seit 1976 beschäftige ich mich nun bereits mit der Thematik. Die Biene ist ein Modellorganismus für die Neurobiologie, der uns Menschen viele wichtige Erkenntnisse liefert. Man kann unheimlich viel an ihr untersuchen, das macht dieses Tier für mich so spannend.

Die breite Öffentlichkeit versteht unter dem Begriff „Biene“ zumeist nur die bekannte Honigbiene. Dabei gibt es alleine in Deutschland noch etwa 560 weitere Bienenarten.

Prof. Dr. Karl Crailsheim: Dass viele Menschen beim Begriff Biene zunächst einmal an die Honigbiene denken, hat seine Gründe. Zum einen verbinden die meisten das Tier vor allem mit dem Honig, den sie konsumieren. Zum anderen weiß man auch tatsächlich mehr über die Honig- als über die Wildbiene, da diese weniger erforscht ist. Als nicht-soziales Tier ist sie nicht so interessant für die Forschung, ihre wissenschaftliche Bedeutung ist marginal.

Warum ist die Biene ein derart wichtiges Lebewesen für unser Natursystem und den Menschen?

Prof. Dr. Karl Crailsheim: Da ist vor allem die Bestäubung zu nennen, die gerade in Zeiten unserer Massenkulturen vor allem durch die Honigbiene erfolgt. Durch die gezielte Bestäubung steigt der Ertrag und es wird eine höhere Qualität erreicht. Dadurch kann man sagen, dass die Biene eine extrem wichtige Rolle für den Menschen und dessen Nahrungsversorgung spielt.

Seit geraumer Zeit kommt es zu einem massenhaften Bienensterben in immer mehr Teilen der Welt. Seit wann ist dieses Phänomen zu beobachten?

    Prof. Dr. Karl Crailsheim: Das Bienensterben in größerer Zahl ist vor etwa zehn Jahren zunächst in den USA aufgetreten. Innerhalb weniger Tage sind dortigen Imkern ganze Völker weggestorben.

    Was sind die Ursachen dieses Massensterbens? 

    Prof. Dr. Karl Crailsheim: Man kann für dieses Phänomen nicht einen einzelnen Grund benennen. Wäre dem so, könnte man sofort konkrete und effektive Maßnahmen ergreifen. Nein, es ist vielmehr eine Mixtur aus verschiedenen Faktoren. Zum einen wäre die Varroamilbe als Bedrohung zu nennen, die die Biene als Wirt nutzt, mit Viren infiziert und damit unter anderem für eine verkürzte Lebensdauer des Tieres sorgt. Dazu gibt es weitere Parasiten wie den Kleinen Beutenkäfer, der mittlerweile in Europa angekommen ist.

    Prof. Karl Crailsheim
    Prof. Karl Crailsheim

    Welche Rolle spielt der Mensch bezüglich des Bienensterbens?

    Prof. Dr. Karl Crailsheim: Der Mensch trägt natürlich die Hauptverantwortung für das Bienensterben – immerhin war er es, der die Parasiten überall auf der Welt verbreitet hat. Außerdem bewirkt er durch Monokulturen, dass bestimmte Bienenvölker sich oft nur von einer einzigen Pflanze ernähren können und es damit zu einer schädlichen Mangelernährung kommt. Zudem kommen die Tiere immer öfter mit Agrochemikalien in Berührung. Zu guter Letzt spielt natürlich auch die vom Menschen evozierte Veränderung des Klimas eine Rolle. Festzuhalten ist jedoch, dass es bis heute schwer ist, ganz konkrete einzelne Ursachen für das Bienensterben zu benennen.

      Was sind die ersten erkennbaren Auswirkungen dieses Artensterbens?

      Prof. Dr. Karl Crailsheim: Bereits heute kommt es teilweise zu Ausfällen der Nahrungsversorgung – wenn auch bislang nur in kleinerem Maße –, weil den Imkern die Bienen wegsterben und diese somit in manchen Fällen als Bestäuber wegfallen. Diese gerade im Winter vorkommenden Verluste können viele Imker zwar kompensieren, doch das kostet Zeit und Geld. Auch deshalb geht die Zahl der Imker insgesamt zurück.

      Spielen wir einmal das Worst-Case-Szenario durch: Die Biene stirbt aus – was hat das für Folgen für die Menschheit? Könnte die Lage tatsächlich derart bedrohlich werden, dass es zu Nahrungsmittelengpässen für den Menschen käme?

      Prof. Dr. Karl Crailsheim: Würde die Biene wegsterben, würde die Nahrungsmittelversorgung zwar nicht komplett zusammenbrechen – die Weltwirtschaft würde allerdings massiv Schaden nehmen. Wenn es durch das Bienensterben zu einer Nahrungsmittelreduktion käme, stiegen die Weltmarktpreise – und darunter würden die ohnehin armen Länder dieser Erde am stärksten zu leiden haben.

      Die bedrohliche Lage der Bienen ist erkannt. Was kann man gegen deren Sterben tun? Und was wird bereits dagegen getan?

      Prof. Dr. Karl Crailsheim: Ich denke, dass der Allgemeinheit das Problem noch nicht ausreichend bekannt ist, da muss noch einiges an Aufklärung erfolgen. Doch habe ich auch den Eindruck, dass die Politik mittlerweile aufgewacht ist und das überaus wichtige Thema mittlerweile auf der Agenda steht. Bei uns in Österreich zum Beispiel wurde mittlerweile ein 2,5 Millionen Euro teures Projekt gestartet, um das Bienensterben ins allgemeine Bewusstsein zu rücken. Auch in Deutschland gibt es diesbezüglich Maßnahmen (wir berichteten) (wir berichteten).

      Trotzdem: Kann der Mensch das Artensterben der Biene überhaupt stoppen?

      Prof. Dr. Karl Crailsheim: Die Bienen-Verlustrate des vergangenen Winters in Österreich lag erfreulicherweise bei nur acht Prozent – im Jahr davor betrug diese noch ganze 30 Prozent. Zum Erhalt der Bienenpopulation ist unter anderem eine gute Ausbildung entscheidend, obgleich es natürlich auch einen hochprofessionellen Großimker treffen kann. Da Länder wie Österreich und Deutschland diesbezüglich gute Standards bieten, sind sie auf einer relativ sicheren Seite. Doch es wird trotzdem eine schwierige Situation bleiben. Das Problem des Bienensterbens muss noch weiter ins Bewusstsein der Menschen rücken.