Tierische Überlebensstrategien für den Winter

Tierische Überlebensstrategien für den Winter

Wie sich Reh, Hase & Co. auf Eis, Schnee und Futterknappheit einstellen

Rehbock im Schnee
Rehbock im Schnee

Manche Menschen, die den Winter nicht mögen und es sich zeitlich und finanziell leisten können, verbringen die kalte Jahreszeit in südlicheren Gefilden. Die Zugvögel tun es ihnen gleich. Sie fliegen der wärmenden Sonne hinterher. Die Tiere aber, die hier bleiben, müssen sich auf Eis, Schnee und Futterknappheit einstellen. Sie haben dabei verschiedene Strategien.

Die meisten Waldbewohner haben längst begonnen, sich Fettvorräte anzufressen oder Futtervorräte zu schaffen. Außerdem tauschen viele Wildtiere das dünne Sommerjäckchen gegen einen Wintermantel, sprich: ein Haarwechsel ist obligatorisch. Hirsch und Reh etwa wechseln das kurze, dünne Sommerfell gegen eine dichte, längere Decke. Viele Haare machen dabei einen warmen Pelz. Den absoluten Weltrekord an Haaren hält der Seeotter. Auf einem Quadratzentimeter Körperfläche wachsen bei ihm 100.000 Haare, das sind etwa so viele wie beim Menschen auf dem ganzen Kopf. Da kommt nicht einmal ein Tröpfchen eisig-kalten Wassers durch. Außerdem sind seine Haare wie die etlicher anderer Tiere hohl. Die Luft im Inneren wirkt wie eine Wand und hält die Kälte weitgehend draußen.

Feldhasen und Rehe legen sich bei heftigem Schneegestöber auf den Boden und lassen sich einschneien. Ein weißer Wintermantel umgibt sie und wärmt ähnlich wie ein Iglu. Denn nur ein Zehntel des Schnees besteht aus klirrend-kalten Schneekristallen. Der Rest ist Luft. Ähnlich wie beim Seeotter schützt dieses Luftpolster auch Hase, Reh und Gams wie eine warme Decke gegen den kalten Wind. Das dichte Fell sorgt zudem dafür, dass der Schnee nicht direkt an die Haut gelangt.

Anderen Tieren dagegen droht bei längeren Kälteperioden der Erfrierungstod. Ihnen hilft es nur, sich einen wärmeren Platz zu suchen. Das Eichhörnchen rollt sich in seinem Nest, dem sogenannten Kobel, zusammen und wickelt den langen Schwanz wie eine Decke um sich herum. Diese Nester sind sehr bequem, warm und vor allem trocken. Sie haben immer ein Dach, einen von innen verschließbaren Eingang und sie sind so warm gepolstert, dass die Bewohner nicht frieren.

Foto: Michael Albrecht
Foto: Michael Albrecht

Eichhörnchen halten wie Biber, Dachs und Waschbär eine Winterruhe. Denn am wenigstens Energie verbraucht, wer sich kaum bewegt. Sie senken die Frequenz ihres Herzschlags deutlich, lassen aber ihre Körpertemperatur unverändert. Deshalb können sie während des Winters aufwachen, um neue Vorräte zu sammeln. Klassische Winterschläfer sind hingegen Igel, Haselmaus, Siebenschläfer und auch manche Fledermaus-Arten. Bei herabgesetzter Körpertemperatur verharren sie vier bis sieben Monate in einem schlafähnlichen Zustand, der nur selten unterbrochen wird. Noch einen Schritt weiter gehen Frösche, Insekten und manche Schlangen. Sie verfallen in die Winterstarre. Herzschlag und Atemfrequenz werden durch die Außentemperaturen abgesenkt, der Körper bildet eine Art Frostschutzmittel aus.

Foto: Michael Keller
Foto: Michael Keller

Alle Strategien der Wildtiere haben das Überleben zum Ziel. Dazu zählt übrigens auch das weiße Fell von Hermelin, Schneehase und Schneehuhn, das seinen Träger auf dem Schnee vor Fressfeinden tarnt. Und dann heißt es Energiesparen. Denn je mehr Energie die Tiere verbrauchen, desto mehr Futter brauchen sie. Der Stoffwechsel wird deshalb vielfach drastisch heruntergefahren. Rotwild etwa verkleinert in den Wintermonaten den Pansen, nimmt fast 60 Prozent weniger Nahrung auf. Es senkt den Puls, beheizt das Blut in den Läufen nicht mehr so stark und verharrt oft bewegungslos auf der Stelle.

Der Mensch aber macht oft genug aus Unwissenheit die beste Strategie zunichte. Er schreckt die Tiere beim Waldbesuch abseits der Wege unnötig auf, stört sie an Fütterungen oder lässt Hunde ohne Leine streunen. Wildtiere fühlen sich durch den Menschen zwar immer bedroht. Aber in den Wintermonaten reagieren sie besonders empfindlich auf zusätzlichen Stress. Sobald sie erschreckt werden und flüchten müssen, verbrauchen sie jede Menge Energie. Das schwächt den Organismus und es steigt die Gefahr, im Winter zu sterben. Obendrein ist im folgenden Frühling der Fortpflanzungserfolg oft reduziert. Für seltene Arten wie das Auerhuhn kann dies bestandsbedrohend sein.

Andere Arten wie das Rotwild verursachen bei vermehrten Störungen zudem erhöhte Wildschäden: Sie schälen die Baumrinde und verbeißen junge Triebe. Deswegen gibt es im Voralpenland auch öfter Wintergatter, also eingezäunte Gebiete, in denen Hirsche vom Menschen eingesperrt und gefüttert werden, damit sie keine Bäume beschädigen.