Kitzrettung mit dem Oktokopter

Kitzrettung mit dem Oktokopter

Das Projekt „Rettung aus der Luft“ setzt eine selbst gebaute Flugdrohne ein, um Rehkitze und andere Wildtiere bei der Frühjahrsmahd vor dem Tod zu bewahren.

Rehkitz
Rehkitz

Im Frühjahr ist Brut- und Setzzeit: Hasen, Rehe, Fasane und andere Wildtiere nutzen die Wiesen, um ihre Jungtiere zur Welt zu bringen oder auszubrüten. Doch im hohen Gras droht dem tierischen Nachwuchs allzu häufig ein qualvoller Tod, denn in dieser Zeit steht bei vielen Landwirten auch die Wiesenmahd an. Mit immer größer und schneller werdenden Mähmaschinen sind immer mehr Tiere vom Mähtod betroffen: Je nach Quelle schwanken die Zahlen von 100.000 bis hin zu einer halben Million Tieren, die alljährlich der Mähtod ereilt.

Daher tun sich jedes Jahr Jäger, Anwohner und Landwirte zusammen, um in oft mühsamer Arbeit Felder abzusuchen oder Wildscheuchen aufzustellen (wir berichteten). Doch eine neue, vielversprechende Methode der Wildtierrettung wird in Deutschland immer beliebter: das Absuchen der Felder mithilfe von Drohnentechnologie. Wie diese Methode genau funktioniert, erklärt Pascal Janßen, der gemeinsam mit seinen Kollegen eine ferngesteuerte, mit einer Wärmebildkamera ausgestattete Flugdrohne entwickelt hat. Mit dem preisgekrönten System kann der Mechatronik-Student zuverlässig Wildtiere aufspüren und vor dem Mähtod bewahren. Outfox-World hat mit Pascal Janßen über die Technik hinter dem Flugsystem, die Umsetzung der Idee und die Einsatzbereiche gesprochen.

Herr Janßen, wie funktioniert Ihr System und wie läuft die Wildtierrettung ab?

Bei unserem Wildrettungssystem handelt es sich um eine Flugdrohne, einen sogenannten Oktokopter. Dieser ist ferngesteuert und kann mithilfe eines Computers bedient werden. An der Drohne sind zwei Kameras angebracht: eine Wärmebild-Kamera und eine Action-Cam. Wenn wir beauftragt werden, fliegen wir als erstes das Feld oder die Fläche mit dem Oktokopter ab. Die Videosignale werden per WLAN-Signal auf einen Computerbildschirm übertragen. Zunächst schauen wir uns das Thermografie-Bild an: Das zeigt bei einem Feld in der Regel eine blaue Fläche. Befindet sich in dem Feld ein Tier, wird es als heller Punkt auf dieser Fläche sichtbar. Daraufhin fliegen wir mit dem Gerät näher an das Objekt heran und schauen mit der Echtbild-Kamera, ob es sich um ein Rehkitz, einen Fasan oder ein anderes Wildtier handelt.

Haben wir das Tier im Feld ausfindig gemacht, gibt es mehrere Möglichkeiten: Entweder stecken wir das Areal, in dem sich zum Beispiel ein Gelege befindet, mit Fahnen ab, sodass der Landwirt weiß, welches Gebiet er bei der Mahd umfahren muss. Oder wir nehmen das Rehkitz mit etwas Gras auf und bringen es in Sicherheit.

Foto: Pascal Janßen/El-Kopter
Foto: Pascal Janßen/El-Kopter

Wem bieten Sie das Abfliegen mit der Drohne an? Kann man Ihren Service einfach so buchen und mit welchen Kosten muss man rechnen?

Unseren Service kann im Prinzip jeder buchen, der Bedarf hat. Meistens sind das Jäger, Landwirte oder Unternehmen. Diese kontaktieren uns, wenn die Mahd ansteht und sie möchten, dass ihre Flächen zuvor auf Wildtiere untersucht werden. Unser Einsatzgebiet beschränkt sich übrigens nicht nur auf Niedersachsen – wir kommen auch in andere Bundesländer. Die Preise sind je nach Größe der Fläche gestaffelt. Die ersten zehn Hektar liegen bei 150 Euro, weitere zehn bei 100 Euro. Je mehr Fläche wir abfliegen, desto günstiger wird es in der Summe.

Was sind die Vorteile gegenüber anderen Methoden der Wildtierrettung?

Unser System ist genauer als die meisten anderen Methoden. Zum einen decken wir mit der Suche die gesamte Fläche des Feldes ab und die Wärmebildkamera liefert präzise Bilder. Zum anderen kommt der Oktokopter meist unmittelbar vor der Mahd zum Einsatz, sodass wir sehr sicher sein können, dass sich wirklich keine Wildtiere mehr in einem Areal aufhalten. Außerdem ist die Methode im Vergleich zu anderen besonders schnell: Es dauert etwa 20 Minuten, um zehn Hektar abzufliegen. Das ist deutlich weniger Zeit, als man benötigen würde, um die gleiche Fläche mit Hunden zu durchkämmen.

Wie sind Sie auf die Idee gekommen, dieses System zu bauen?

Auf die Idee hat mich eigentlich ein Freund gebracht, der mich fragte, ob man nicht irgendeine Möglichkeit hätte, landwirtschaftliche Flächen vor der Mahd aus der Luft nach Wildtieren abzusuchen, damit sie vor dem Mähtod bewahrt werden können. Da ich auch Modellbauer bin, habe ich dann begonnen, eine Drohne mit Kamera zu konstruieren. Weil man mit bloßem Auge aber gar nicht genau erkennen kann, ob sich in einem Feld noch Tiere befinden, bin ich auf die Idee mit der Wärmebildkamera gekommen.

So eine Flugdrohne ist ja schon ohne Kameras nicht ganz billig. Wie haben Sie die Konstruktion finanziert? Und wie viel hat es insgesamt gekostet?

Das ist richtig. Mit der Landwirtschaftskammer und der Landesjägerschaft Niedersachsen haben wir glücklicherweise zwei Sponsoren gefunden, die von der Idee ebenfalls begeistert waren und uns bei der Anschaffung des Equipments finanziell unterstützt haben. Die Konstruktion haben wir komplett in Eigenregie durchgeführt. Insgesamt hat es etwa zwischen 30.000 und 40.000 Euro gekostet.

Gab es irgendwelche Schwierigkeiten bei der Umsetzung? Wie sieht das zum Beispiel mit Genehmigungen aus?

Foto: Pascal Janßen/El-Kopter
Foto: Pascal Janßen/El-Kopter

Relativ entspannt, jedenfalls in Deutschland. In anderen Ländern wie zum Beispiel in den Niederlanden sieht das schon wieder ganz anders aus. Daher beschränken wir uns bisher auch nur auf den deutschen Raum. Da unsere Drohne genehmigungspflichtig ist, muss man bei der Luftfahrtbehörde des jeweiligen Bundeslandes eine Aufstiegserlaubnis einholen. Wir haben für Niedersachsen und mehrere andere Bundesländer Fluggenehmigungen – das System kam auch schon in Rheinland-Pfalz, Nordrhein-Westfalen, Hamburg und Bremen zum Einsatz. Zusätzlich muss man Dinge wie Versicherungs- oder Datenschutz beachten. Auch der Eigentümer der Fläche muss natürlich einwilligen. Weil der Eigentümer aber häufig selbst der Auftraggeber ist, gab es da noch nie Probleme.

Planen Sie, das System zu vermarkten?

Jein, schließlich gibt es inzwischen viele ähnliche Angebote im ganzen Bundesgebiet. Außerdem ist nicht klar, ob wir das wirklich hauptberuflich machen können, wenn der Bedarf eigentlich nur während der Brut- und Setzzeit, also im Mai und Juni, besteht. Wir haben allerdings auch festgestellt, dass sich unser Oktokopter-System auch für andere Einsatzbereiche sehr gut eignet: zum Beispiel zur Wartung von Photovoltaik-Anlagen, weil eine Stelle, an der ein Defekt besteht, meistens thermografisch dargestellt werden kann. Auch Industrieanlagen oder Gebäude lassen sich mit unserem System aus der Luft inspizieren oder thermografieren. Bislang mache ich das mit meinen Kollegen und Freunden nebenberuflich beziehungsweise neben dem Studium. Es ist aber durchaus vorstellbar, dass wir uns in Zukunft in diese Richtung selbstständig machen.

Den Einsatz des Systems können Sie sich hier im Video anschauen:

Weitere Informationen finden Sie hier: http://el-kopter.de/