Jagdführung: Zweckbündnis für begrenzte Zeit (II)

Jagdführung: Zweckbündnis für begrenzte Zeit (II)

Ob nun der Phlegmatische, der Ungeduldige oder der Kontrolleur – unter Jägern gibt es viele unterschiedliche Charaktere. In Teil 2 unseres Beitrags geht es um typische Verhaltensmuster von Jagdgästen.

Hochsitz
Hochsitz

Typologie der Jagdgäste

Bei den Jagdgästen, die davon ausgehen können, dass der Begleiter den Erfolg ebenso wünscht wie sie selbst, gibt es wie bei Jagdführern keinen Typus in Reinkultur. Deutlich treten jedoch die verschiedenen Wesenszüge hervor. Unter den Gästen stechen folgende besonders markant hervor:

Der Nervöse rutscht beim Ansitz hin und her, ist total hibbelig, kramt in den Taschen und hebt alle paar Minuten das Fernglas vor die Augen, um die Gegend genau zu betrachten. Wenn es im Bestand knackt, greift er sofort zur Waffe und hat diese im Anschlag, noch bevor das Wild die Bühne betritt. Übermäßiger Mitteilungsdrang ist bei ihm ein Ventil, das Nervenflattern zu überspielen. Er hat viel gemein mit dem Ungeduldigen, nur dass dieser sein Werkzeug beherrscht, während der Nervöse mit der Waffe im Anschlag herumwackelt und das Absehen kaum auf dem Wildkörper halten kann, wenn es ernst wird.

Spätestens wenn´s schnell gehen muss, weil das Wild eine Schneise überquert oder nur Sekunden in der Bewegung verharrt, ist der Unsichere überfordert. Auch sonst kriegt er im entscheidenden Moment kaum einen Schuss raus. Das Ansprechen des Wildes überlässt er komplett dem Begleiter, der tut wie beim Nervösen gut daran, selbst eine Waffe mitzunehmen, um krank geschossenem Wild schnell den Fangschuss antragen zu können. Und der Unsichere braucht die klare Ansage auch, sonst liegt am Ende statt des Überläufers eine führende Bache oder statt des Knopfbocks ein Rotwildspießer auf der Strecke.

Der Geschwätzige redet wie ein Wasserfall. Er weiß zu allem und jedem etwas zu sagen und ist nur halb bei der Sache, zumindest gedanklich oft abgelenkt. Auf diese Weise verprellt und verpasst er manches Wild. Die Stille der Natur ist ihm eher Gräuel als Genuss.

Ricke oder Schmalreh? Der Jäger muss sehr genau hinsehen, bevor er einen Schuss absetzt!
Ricke oder Schmalreh? Der Jäger muss sehr genau hinsehen, bevor er einen Schuss absetzt!

Eher schweigsam ist der Genießer. Das ist nicht Unhöflichkeit, sondern das Hineinversetzen in die Natur. Für ihn sind das Rauschen des Windes in den Bäumen, das Murmeln eines Baches und der Anblick von Wild das eigentliche Erlebnis. Wenn es passt, erlegt er ein Stück und ist in jedem Fall auch sonst dankbar. Denn er weiß: Waidmannsheil lässt sich nicht erzwingen.

Einen kaum stillbaren Beutetrieb hat der Schießer. Noch vor der Schussfreigabe trägt er die Kugel an und würde am liebsten gleich noch ein zweites Stück erlegen. Wirkliche, tief empfundene Freude über die Beute und Dankbarkeit sind ihm fremd. Er möchte eigentlich immer noch mehr.

Damspießer
Damspießer

Der Überhebliche kommt gerne mit Chauffeur vorgefahren, ist piekfein gekleidet wie ein englischer Landlord, mit neuester Ausrüstung versehen und fällt durch snobistische Allüren auf. Das Wild, auf das man gerade jagt – und sei es ein reifer Rothirsch – bezeichnet er als Kleinigkeit angesichts der Trophäen, die er auf allen Kontinenten bereits gesammelt hat. Wenn er sich dazu herablässt, zeigt er Fotos von diesen Ausflügen. Ansonsten steht er in jeder Beziehung über den Dingen und seinem Jagdführer.

Der Aufschneider hält sich für den perfekten Jäger. Pirschen, Ansprechen, Schießen und Wildversorgung – ihm passiert nach eigenem Bekunden kein Fehler. Auf jeden Fall braucht er eigentlich gar keinen Jagdführer, weil er alles sowieso besser weiß und dies auch zu verstehen gibt.

So lassen sich Missverständnisse vermeiden!

Missverständnisse oder gar Zwist lassen sich vermeiden, wenn beide Seiten sich vor der Jagd über die Voraussetzungen, die sie mitbringen, und die Erwartungen verständigen. Schließlich gehen sie ein Zweckbündnis auf Zeit ein. Einiges sollte dabei selbstverständlich sein. Das beginnt bei der Pünktlichkeit, mit der man am Treffpunkt erscheint, geht über die Vollständigkeit der Ausrüstung bis dazu, dass der Gast nur auf ausdrücklich freigegebenes Wild schießt. Am wichtigsten aber ist die Ehrlichkeit. Bezieht der Jäger allein seinen Drückjagdstand oder Ansitzplatz, berichtet er nach der Jagd über jeden abgegebenen Schuss, um eine Kontrolle des Anschusses zu gewährleisten und ein Verludern vielleicht krank geschossenen Wildes zu verhindern. Zur Ehrlichkeit gehört auch die kritische Selbsteinschätzung der eigenen jagdlichen Handwerksfertigkeit. Niemand nimmt es einem Jungjäger übel, wenn er im Versorgen des Wildes noch nicht routiniert ist. Wenn er darum bittet, wird ihm also sicher beim Bergen und Aufbrechen des Wildes ebenso gerne geholfen wie einem betagten Waidmann, der körperlich an seine Grenzen gerät.