Der Wisent darf nicht zu viel kosten
Einst waren sie fast überall in Europa. Seit 80 Jahren gelten sie als ausgerottet. Den Wisent gibt es nur noch im Tierpark, in einem polnischen Reservat – und im Sauerland bei Bad Berleburg im Rothaar-Gebirge. Von dort soll er möglichst schnell wieder verschwinden, wenn es nach einer Mehrheit von Waldbesitzern geht. Die mächtigen Ur-Rinder richten nämlich Schaden an, vor allem an den Buchenwäldern.
Bis vor drei Jahren war die Berleburger Wisent-Herde ein Schmuckstück
der Region, hoch geschätzt und nützlich als Touristenattraktion. Dann
begann das Experiment. Die Zäune des Geheges wurden abgebaut. Nun
streift eine Herde von mittlerweile 17 Tieren durchs Rothaar-Gebirge,
überwiegend ganz in der Nähe des ehemaligen Geheges.
Das Problem: Wisente haben großen Appetit
Im Gegensatz zu „Problembären“ und „Problemwölfen“ sind die bis zu 20 Zentner schweren Rinder für den Menschen kein Problem – mit Ausnahme der Waldbesitzer, denen der Appetit der gewaltigen Vierbeiner Kummer macht. Sie lieben junge Nadelbäumchen und schälen für ihr Leben gern die Rinde von den Buchen. Der auch im Hochsauerland sattsam bekannte Wald-Wild-Konflikt hat damit zwar keine neue Dimension – aber einen neuen Aufhänger.
Und an diesem Punkt wird es über das Sauerland hinaus spannend: Ein Waldbauer hat vor Gericht erstritten, dass die Wisente seine Grundstücke nicht mehr betreten dürfen. Tun sie es doch, soll der Verein „Wisent-Welt“ für die Schäden geradestehen. Dieser wiederum ist zwar um Schadensbegrenzung und Ausgleich bemüht, hat die Wildrinder aber vorsichtshalber für herrenlos erklärt, um Regressforderungen zu entgehen.
Tourismus-Attraktion Wisent-Herde
Der Verein, dem der Bürgermeister der Tourismus-Gemeinde Bad Berleburg vorsteht, legt Äsungsacker für die Wisent-Herde an, versucht, die Tiere aus Nutzwäldern zu vertreiben, und erwägt sogar die Beschäftigung eines Wisent-Hirten. Klar ist auch: Größtenteils wollen die Bürger der Region nicht auf die Fremdenverkehrsattraktion Wisent verzichten und das darf auch Geld kosten – bis zu 50.000 Euro jährlich.
Etwas zugespitzt formuliert, stellt der Waldbesitzerverband dagegen die Frage, ob das Hochsauerland ohne Wälder als Urlaubsregion Bestand haben könnte. Und der Wolf ist da auch keine Lösung: Gegen die geballte Kraft einer Wisent-Herde sind auch Raubtiere ziemlich machtlos. Die Jäger womöglich auch: Sie dürfen den Wisent zwar nicht schießen, aber da die Tiere unters Jagdrecht fallen, bleibt die Schadenersatzpflicht an den Jagdgenossen hängen oder an den Pächtern.
Vorausgesetzt, dass die 50.000 Euro jährlich nicht reichen, die das Land Nordrhein-Westfalen, der Kreis Siegen-Wittgenstein, der Verein Wisent-Welt-Wittgenstein, die Wittgenstein-Berleburg’sche Rentkammer und der WWF zum Ausgleich der Wisent-Schäden bereitgestellt haben.