Der Flughafenjäger (II)

Der Flughafenjäger (II)

Die Deutsch-Kurzhaar-Hündin von Ulf Muuß
Die Deutsch-Kurzhaar-Hündin von Ulf Muuß

Im ersten Teil haben wir unter anderem den Werdegang von Revierjäger Ulf Muuß begleitet. (Hier Teil 1 lesen) Jetzt geht es mit ihm wieder raus aufs Rollfeld.

Als attraktive Nahrungsquelle für etliche Greifvogelarten sind auch die Kaninchen zu werten, die auf unseren sandigen Böden gut zurecht kommen. Eine konsequente Bejagung ist unerlässlich, wobei uns die fünf Frettchen gute Dienste leisten. Sie sind unsere Medienstars. Nach einer dpa-Meldung Ende 2011 über die „tierischen Helfer bei der Bird Control“ rannten uns Fernsehen, Funk und Presse die Bude ein. Auch nach zahlreichen Reportagen zeugen ein bis zwei Anfragen pro Woche vom ungebrochenen Medieninteresse. Bei etwa zehn Prozent sagen wir zu. Und bei jeder Gelegenheit versuche ich dabei, Werbung für unseren Berufsstand zu machen.

Auf 27 Teilflächen kartieren wir täglich die beobachteten Vögel. Zusätzlich wird die Bewuchshöhe in drei Stufen (unter zehn, zehn bis 30 und über 30 Zentimeter) erfasst. Eine spezielle Software ermöglicht es uns dann, fast jede denkbare Verknüpfung zu erstellen und Entwicklungen über Monate oder Jahre hinweg grafisch darzustellen. Auch die automatisch hinterlegten Wetterdaten können einbezogen werden. Das gerichtsfeste System dient nicht nur dazu, die enormen Datenmengen auszuwerten und unsere Beobachtungen zu stützen. Es soll auch die Argumentation gegenüber den verschiedenen Behörden schlagkräftiger gestalten.

Etwa die Hälfte der gesamten Kaninchenstrecke erbeute ich mit einer mit einem Schalldämpfer ausgestatteten Kleinkaliberbüchse (.22 lfB mit Subsonic-Munition). Ein Drittel fangen wir mithilfe der Frettchen und einem guten Dutzend großer Kastenfallen lebend. Diese Lapuze werden an ein paar frühzeitig festgelegten Terminen von Jägern aus Sachsen-Anhalt zur Auswilderung abgeholt und bessern mit 15 €/Stück die Jagdkasse auf. Weitere Kanin schießen wir beim Frettieren oder vor unserem Vorstehhund beim Buschieren.

Die flughafeneigene Deutsch-Kurzhaar-Hündin „Sandy von der Madlage“ habe ich 2013 auf die VGP („Meisterprüfung“ für Vorstehhunde) vorbereitet und geführt. Sicheres Durchstehen und eine bestechende Wasserarbeit bescheren mir regelmäßig traumhafte Bilder. Was aber am meisten zählt, ist der unbedingte Gehorsam des eleganten Vierläufers; Hasenreinheit ist ein Muss. Ein einziges Durchgehen am Hasen oder Fuchs über die Startbahn würde wohl das Aus für das Projekt „Diensthund“ bedeuten.

Die meisten der mit Schrot geschossenen Kaninchen, Tauben und Krähen finden in der Hundeausbildung eine sinnvolle Verwendung. Verwertet wird selbstverständlich jedes Stück Wild. Rückenlachse vom Kanin machen sich im Sommer sehr gut auf dem Grill (ausgelöste Taubenbrust übrigens auch).

Wichtige Helfer bei der Bejagung der Kaninchen sind die Frettchen. Der Berufsjäger hält seine „Einsatztruppe“ in einem großzügig angelegten Auslauf mit Ställen.
Wichtige Helfer bei der Bejagung der Kaninchen sind die Frettchen. Der Berufsjäger hält seine „Einsatztruppe“ in einem großzügig angelegten Auslauf mit Ställen.
Der Lebendfang von Kaninchen mit Netzen bzw. Reusen ist aufwendig, aber effektiv
Der Lebendfang von Kaninchen mit Netzen bzw. Reusen ist aufwendig, aber effektiv

Über sauber mit der Kugel erlegtes Wild freut sich die benachbarte Greifvogel-Auffangstation, die ab und zu mal einen Falken oder Bussard aufpäppeln muss, den wir mit Schleudertrauma oder gebrochenem Flügel von den Pisten auflesen. Wenn der Fuchs nicht schneller ist. Der genießt bei uns nämlich ein ziemlich unbesorgtes Räuberleben, weil er nicht nur die Mäuse kurz hält (die sonst Turmfalken und Mäusebussarde anziehen würden), sondern auch im 24-Stunden-Dienst die Pisten von etwaigen Kadavern befreit. Ein Bussard oder Milan auf der Bahn ist wesentlich gefährlicher für die Flugzeuge als ein Fuchs, weil diese Greifvögel meist recht lange auf ihrem Fraß sitzen bleiben. Sie lassen die Flieger gefährlich nah herankommen und können dann im Triebwerk enden.

Bei unseren mehrfach jährlich durchgeführten Scheinwerfer-Taxationen sind wir noch nie auf mehr als fünf Hasen gekommen. Und das, obwohl wir mit weit über 500 Pflanzenarten, passendem Klima und komplettem Verzicht auf Pestizide in Sachen Hasenbiotop viel zu bieten haben. Ein Weihnachtshase ist trotzdem drin.

Die unglaubliche botanische Artenvielfalt resultiert aus dem unterschiedlichen Untergrund, unserer Ausmagerungs-Strategie und gezielten Pflegemaßnahmen. Durch das abfallende Gelände haben wir sowohl extrem magere Trockenrasen als auch staunasse Wiesen bis hin zum Heidemoor. Zu den rund 100 Rote-Liste-Arten gehören Heidenelke, Astlose Graslilie, Arnika, Gelbe Moorlilie und das Gefleckte Knabenkraut, das auf einer Fläche von -zig Fußballfeldern in der Blüte idyllische Eindrücke beschert. Genauso wie die riesigen geschlossenen Heideflächen.

Die Hauptgewinner des Grünflächen-Regimes sind Vögel des Offenlandes, die außerhalb des Flughafen-Geländes großflächig selten oder ganz verschwunden sind. Feldlerche (180 Brutpaare), Wiesenpieper (90 Brutpaare) und Schwarzkehlchen (50 Brutpaare) führen die Liste an.

Noch beansprucht der Schreibtisch die Hälfte meiner Arbeitszeit. Dokumentation der Beobachtungen und Kadaverfunde, Erstellen von Statistiken, Urlaubs- und Rufbereitschaftsplänen, Fortbildungsmaßnahmen erarbeiten oder organisieren. Und nebenbei ist noch ein Fotoarchiv mit über 4500 Aufnahmen entstanden. Glücklicherweise kann ich die Büroarbeit schwerpunktmäßig auf die Regentage legen.

Ohne flinke jagdliche Helfer geht es nicht
Ohne flinke jagdliche Helfer geht es nicht
Abendsonne am Köln-Bonner Flughafen
Abendsonne am Köln-Bonner Flughafen

Manche Leser werden sich sagen, dass das doch nicht der typische Job eines Berufsjäger ist. Das heißt doch Leiterbau, Wildackerbestellung, Winterfütterung, Gäste führen, Strecke machen und so weiter. Diese traditionellen Aufgaben sollten meiner Ansicht nach auch die Kernkompetenzen dieses Berufsstandes bleiben. Aber warum nicht andere Felder besetzen?

Unterm Strich habe ich auf dem Flughafengelände einen abwechslungsreichen, spannenden Arbeitsplatz. Langeweile kommt nie auf. Im Spannungsfeld von Hochtechnologie und Kommerz bewege ich mich in einem extrem artenreichen Lebensraum, den ich aktiv mitgestalten kann. Auch wenn ich mir früher nicht hätte vorstellen können, jemals eine Stechuhr bedienen zu müssen. Man sollte halt niemals „nie“ sagen. Dieser Kasten an der Wand garantiert mir nun wegen der Gleitzeitregelung unbekannte Freiräume. Noch nie zuvor hatte ich so viel Zeit und Flexibilität für meine Familie und die Arbeit mit meinen Schweißhunden wie jetzt. Herz, was willst Du mehr?