Der deutsche Wald (II): Wenn Bäume sprechen

Der deutsche Wald (II): Wenn Bäume sprechen

Mit Büchern über das Leben der Bäume wurde der Förster Peter Wohlleben zum Bestsellerautor. Fachleute hinterfragen jedoch einige seiner zentralen Aussagen.

Baum im Sonnenschein
Baum im Sonnenschein

Sachkenner fürchten schon, dass der Überhöhung sogenannter Tierrechte bald eine ähnliche Entwicklung zum Umgang des Menschen mit den Pflanzen folgen und der Nutzung des Waldes enge Grenzen setzen könnte. Als Beleg gilt das Bestseller-Buch des Försters Peter Wohlleben. „Das geheime Leben der Bäume“ ging binnen Jahresfrist mit 400.000 Exemplaren über die Ladentische.

So neu sind Wohllebens umstrittene Erkenntnisse über unsere blatt- und nadeltragenden Mitgeschöpfe allerdings auch wieder nicht. Vor über 40 Jahren, im Jahr 1973, landeten die US-Wissenschaftsjournalisten Peter Tompkins und Christopher Bird einen ähnlichen Bestseller mit Gemeinsamkeit bis in den Titel hinein: „Das geheime Leben der Pflanzen“ .

Die in Umweltfragen sicher nicht voreingenommene „Zeit“ nahm das US-Buch seinerzeit unter die Lupe, fand die entscheidenden Thesen nicht bestätigt und schloss die Kritik mit einem für Naturwissenschaftler vernichtenden Satz: „Wie wahr ist etwas, das sich nur Gläubigen erschließt?“ Tompkins/Bird hatten behauptet, dass Pflanzen schweigen, wenn sich Skeptiker in ihrer Nähe aufhalten.

Förmlich zerrissen hat die Fachwelt – von den Botanikern bis zu den Philosophen – auch den Autor Wohlleben. Mit wenigen Ausnahmen wie dem Forstwissenschaftler Ulrich Schraml. Der Professor, Mitglied im Nachhaltigkeitsrat der Bundesregierung und an der Freiburger Universität lange Jahre zuständig für die Wechselwirkung zwischen „Wald und Gesellschaft“, stellt neben viel Kritik immerhin die wichtige Frage, warum einer wie Wohlleben so viel Erfolg haben kann in einer vermeintlich aufgeklärten Gesellschaft.

Zu solcher Feststellung gehören in der Tat beachtenswerte Phänomene: Auf den nachwachsenden Energieträger Holz verzichten, ausgerechnet in der Zeit einer ökologisch geprägten Energiewende? Den Wald sich selbst überlassen, obwohl der Mensch ihn als Produkt menschlicher Einflussnahme liebt und schätzt?

Zusammengenommen gut 30.000 Hektar Urwald gibt es noch in Deutschland. Kaum mehr als ein großes Jagdrevier in der Feudalherren-Zeit, zuletzt in der DDR. Der Rest ist, genau genommen, von Menschen gemachter Wirtschaftswald. Aus esoterischer Öko-Sicht ein Ort der Ausbeutung von Mitgeschöpfen. Aber auch „Grüne Lunge“ und beliebter Erholungsraum.

Artenvielfalt im Urwald wirklich größer als im Nutzwald?

Bis heute streiten Experten, ob die Artenvielfalt im Urwald tatsächlich größer sei als in den Nutzwäldern. Der Nachweis scheint bisher nicht gelungen. Allenfalls bei den Käfern scheinen Vielfalt-Vorteile im naturbelassenen Wald wahrscheinlich. Was dann auch die Hauptgruppe der Waldschädlinge zu begünstigen scheint.

Besonders spannend wird es, wenn Schutz der Bäume und kompromisslose Jagdgegnerschaft aneinandergeraten. Etwa wenn Forscher vom Max-Planck-Institut für Biogeochemie in Jena feststellen, dass eine artenreiche Baumverjüngung im Laubwald nur möglich sei, wenn zugleich Reh und Hirsch massiv kurz gehalten werden. Anders, warnen die Forscher, sei zu fürchten, „dass das ambitionierte politische Ziel der Biodiversitätsstrategie, fünf Prozent des Waldes zu schützen und aus der Nutzung zu nehmen, eher zu einem Artenverlust führen wird“.

Die Jäger, die Förster Wohlleben schon mal mit Todesschützen am DDR-Grenzzaun verglich (wir berichteten), als wahre Freunde der Bäume? Da begegnen sich scheinbar mehrere akute Konflikte: Fleischessen und Tieretöten, Öko-Energie und Urwald, Kulturlandschaft und Wildnis. Auch Schäfer-Nostalgie und Willkommenskultur für Bären oder Wölfe.

Forst-Professor Schraml erkennt schon Parallelen zur militanten Tierrechte-Szene. Zum Beispiel in der Forderung nach „artgerechter Baumhaltung“. Sie stammt nicht allein von Peter Wohlleben. Vor einiger Zeit haben Forstwissenschaftler eine gleichlautende Petition gestartet, ausgerechnet an der Freiburger Albert-Ludwigs-Universität, an der auch Schraml lehrte, vor allem über das nie ganz emotionslose Verhältnis der Deutschen zu ihrem Wald.

Teil 1 unserer Serie, lesen Sie hier:

Der deutsche Wald (I): Nachhaltig aus Tradition

Zuerst erschienen im Rotary Magazin. Veröffentlicht mit freundlicher Genehmigung des Autors und des Rotary Magazins.