LJV NRW: Ralph Müller-Schallenberg
„Ich wünsche der Jagd eine offene Gesellschaft, die ihr das gebotene Naturverständnis und die notwendige Akzeptanz entgegenbringt, und der Jägerschaft die Bereitschaft, sich auch zukünftigen Herausforderungen flexibel, problemorientiert, aber selbstbewusst zu stellen.“
Im Interview spricht er über seine Passion, Naturschutz und die Zukunft der Jagd!
16 Bundesländer, 16 Landesjagdverbände und Landesjägerschaften – 15 davon sind Mitglied im Deutschen Jagdverband, nur Bayern trat Ende 2009 aus dem DJV aus. Doch wer sind die obersten Jäger in den einzelnen Bundesländern? Wer vertritt die Interessen der Jägerschaft? Wie sieht derjenige aus und was macht ihn aus? Um diese und weitere Fragen zu klären, haben wir mit den Präsidenten der Landesjagdverbände gesprochen.
Seit 2012 ist Ralph Müller-Schallenberg Präsident des Landesjagdverbandes in Nordrhein-Westfalen. Der LJV hat 63.932 Mitglieder; insgesamt sind im Bundesland 0,47% der Einwohner Jäger. Müller-Schallenberg lebt in Leverkusen, hat sein eigenes Revier allerdings außerhalb von NRW in Rheinland-Pfalz – seinen Jagdschein machte der 57-Jährige im Jahr 1980. Als Jagdberater der Stadt Leverkusen und Spezialist für Jagd- und Waffenrecht verbindet er seine jagdliche Leidenschaft mit dem Beruf als Rechtsanwalt. Zudem ist Müller-Schallenberg Co-Autor des Buchs „Jagdrecht in Nordrhein-Westfalen“.
Ralph Müller-Schallenberg
Warum haben Sie den Jagdschein gemacht und was bedeutet Jagd für Sie?
Maßgeblich geprägt wurde ich von meinem Onkel, den ich bereits im Alter von zwölf Jahren auf die Jagd begleiten durfte. Er hat mir vieles mitgegeben, insbesondere in Bezug auf die Jagdethik und das richtige Verhältnis zum Tier als Mitgeschöpf.
Jagd ist für mich ein tiefes Naturerlebnis unter Achtung der Kreatur.
Wenn Sie sich einmal erinnern – was war Ihr bisher schönster Moment bei der Jagd?
Hier möchte ich kein Einzelerlebnis hervorheben. Die Summe der schönen Erlebnisse macht’s.
Wie jagen Sie am liebsten (Pirsch, Ansitz, Drückjagd)?
Am liebsten sitze ich an.
Mit welchem Jagdgewehr gehen Sie am liebsten auf die Jagd?
Vom ersten selbst verdienten Geld kaufte ich mir seinerzeit einen Voere-Repetierer im Kaliber 7×64. Das ist auch heute noch meine Lieblingswaffe.
Welches ist Ihr liebstes Wildgericht?
Wildschweinbraten und Rehrücken.
Warum sind Sie Präsident des LJV geworden? Haben Sie als Präsident ein bestimmtes Ziel für die Jägerschaft und für NRW?
Mir ist es wichtig, die Jagd auch für kommende Generationen zu erhalten. Das ist meine Triebfeder. Durch die jüngste Jagdrechtsnovelle ist in unserem Bundesland trotz erbitterter Gegenwehr einiges zum Schlechteren geregelt worden (wir berichteten). Wenigstens einen Teil davon möchte ich während meiner zweiten Amtszeit wieder richten und zudem Jagd und Jäger stärker in unserer Gesellschaft verankern.
Was ist das Besondere an Nordrhein-Westfalen hinsichtlich der Jagd? Wie sehen Sie die aktuelle Entwicklung von Wild und Wald?
Nordrhein-Westfalen ist jagdlich ein äußerst vielseitiges Land. Neben einem ausgeprägten Niederwildbesatz haben wir sechs Schalenwildarten, Landschaften von der Tiefebene bis zu den Höhenlagen der Mittelgebirge und die unterschiedlichsten damit verbundenen jagdlichen Herausforderungen, über die zu berichten diesen Rahmen sprengen würde.
Wald und Wild gehört für mich gleichrangig zusammen. Es gibt kein Wald vor Wild und auch kein Wild vor Wald, sondern einzig und alleine Wald mit Wild.
Was sind für den LJV in Nordrhein-Westfalen und die Jagd in Deutschland aktuell die größten Herausforderungen?
Im Großen und Ganzen sehe ich bei einigen Gesetzesinitiativen nicht nur die Frage, wie, sondern auch die Frage, ob wir zukünftig noch jagen können. Das betrifft nicht nur NRW und ganz Deutschland, sondern auch Europa. Starke jagdliche Organisationen auf all diesen Ebenen und ein enger Informationsaustausch sind für mich daher so wichtig wie nie zuvor.
Wie ist das Verhältnis zu NGOs wie NABU, BUND oder WWF in Nordrhein-Westfalen?
Gegenfrage: Sind das denn noch NGOs? NGOs, also Non-Governmental Organisations, sind wir doch zunächst alle. Wenn ich in Nordrhein-Westfalen allerdings sehe, dass ein Umweltminister dem NABU ein neues Gesetz zum Verbandsjubiläum als Geschenk widmet, so verschwimmen mir die Grenzen zwischen Regierungs- und Nichtregierungsorganisationen zu sehr.
Doch zurück zu Ihrer Frage: Auf örtlicher Ebene arbeiten Jäger ausgezeichnet mit Vertretern des Tier- und Naturschutzes zusammen. Je höher man bei den Verbänden kommt, umso mehr wird die Sacharbeit von ideologischem Kalkül überlagert (wir berichteten). Das ist traurig. Ich würde mir da wieder bessere Zeiten wünschen und stehe auch diesen Verbänden jederzeit gerne als Ansprechpartner zur Verfügung.
Was können Jäger vielleicht sogar von Naturschutzverbänden lernen?
Die Naturschutzverbände sind uns bezüglich des Fundraisings und der dadurch vorrätigen Finanzmittel weit überlegen. Das wirkt sich natürlich auf alle Verbandsarbeiten aus.
Hier sollten wir ruhig auch einmal von ihnen lernen. Was ich aber auch für die Zukunft für meinen Verband ausschließen möchte, ist die Unart, eine Sau nach der nächsten durchs Dorf zu treiben, nur um selbst Spenden zu generieren.
Wo können Sie sich Kooperationen mit Naturschutzverbänden vorstellen?
Kooperationen werden, wie oben beschrieben, an vielen Stellen gelebt. Insbesondere vor Ort. Je höher man kommt, umso schwieriger wird es allerdings. So hatte der Landesjagdverband NRW im Jahr 2011 dem NABU NRW ein gemeinsames Symposium zum Thema „Geocaching, Jagd und Naturschutz“ vorgeschlagen. Dieses Angebot wurde seitens des NABU mit der Begründung abgelehnt, man wolle bei diesem Thema selbst die Meinungsführerschaft übernehmen. Das halte ich für die falsche Einstellung. Wir haben’s dann auch ohne den NABU, aber mit den Geocachern gemacht. Diese Kooperation wird noch heute gelebt.
Die Jagd und Jäger kommen in der Presse und im öffentlichen Diskurs oft nicht gut weg. Was entgegnen Sie Jagdgegnern und -kritikern?
Die Presse- und Öffentlichkeitsarbeit wird ein zentraler Themenschwerpunkt in meiner zweiten Legislaturperiode sein. Das habe ich schon angekündigt. Aktuell haben wir unser Team insoweit bereits um eine Mitarbeiterin aufgestockt. Auch in diesem Bereich müssen wir noch viel professioneller werden. Grundsätzlich möchte ich aber auch betonen, dass unsere Meinungsumfragewerte schon jetzt gar nicht so schlecht sind. Wir Jäger lesen manche Artikel über die Jagd auch deutlich kritischer als die normalen Leser.
Mit ausgewiesenen Jagdgegnern lohnt ein ernsthafter Meinungsaustausch nicht, denn sie sind gar nicht daran interessiert. Sie werden jedes unserer Argumente ignorieren und nur dazu nutzen, ihr eigenes Credo noch intensiver zu verkünden.
Was können Sie und der LJV tun, um für mehr Akzeptanz zu werben?
Mir geht es insbesondere darum, die Öffentlichkeit bestmöglich über Jagd und Jäger zu informieren und auch die Faszination zu vermitteln, die von der Jagd ausgeht. Nur mit positiver Emotion können wir die Menschen von der Notwendigkeit der Jagd überzeugen. Letztlich gilt: Jede einzelne Jägerin und jeder einzelne Jäger ist Botschafter der Jagd.
Was wünschen Sie sich für die Jagd in den nächsten 20 Jahren?
20 Jahre sind heute eine lange Zeit und ich werde keinesfalls den Fehler machen, zu wünschen, dass alles so bleibt wie es ist oder gar war.
Vielmehr wünsche ich der Jagd eine offene Gesellschaft, die ihr das gebotene Naturverständnis und die notwendige Akzeptanz entgegenbringt, und der Jägerschaft die Bereitschaft, sich auch zukünftigen Herausforderungen flexibel, problemorientiert, aber selbstbewusst zu stellen. Stetig ist nur der Wandel und wer nicht mit der Zeit geht, geht mit der Zeit. Bewährtes muss allerdings bewahrt bleiben.
Weitere Interviews mit den Präsidenten der Landesjägerschaften und -jagdverbände:
LJV Rheinland-Pfalz – Kurt-Alexander Michael
LJV Thüringen – Steffen Liebig
LJ Bremen – Holger Bartels
LJV Bayern – Jürgen Vocke