Angesprochen: Die Präsidenten der Landesjagdverbände – Kurt Alexander Michael

LJV Rheinland-Pfalz: Kurt Alexander Michael

„Ich wünsche mir, dass es unserer Freizeitgesellschaft mehr als bisher bewusst wird, wie sehr unser aller Handeln auf die Lebensräume und die Lebensbedingungen unserer wildlebenden Tierwelt einwirkt.“

Logo: Angesprochen
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16 Bundesländer, 16 Landesjagdverbände und Landesjägerschaften – 15 davon sind Mitglied im Deutschen Jagdverband, nur Bayern trat Ende 2009 aus dem DJV aus. Doch wer sind die obersten Jäger in den einzelnen Bundesländern? Wer vertritt die Interessen der Jägerschaft? Wie sieht derjenige aus und was macht ihn aus? Um diese und weitere Fragen zu klären, haben wir mit den Präsidenten der Landesjagdverbände gesprochen.

In Rheinland-Pfalz vertritt der 68-jährige Bankkaufmann Kurt Alexander Michael die Interessen von insgesamt mehr als 17.500 Mitgliedern – die über 18.000 Jagdscheininhaber  machen 0,46 Prozent der Gesamtbevölkerung im Bundesland aus. Schon mit 17 Jahren machte er den Jagdschein und ist seit 1998 Präsident des Landesjagdverbands Rheinland-Pfalz. Kurt Alexander Michael wohnt in Ließem und hat ein eigenes Revier.

Kurt Alexander Michael

Foto: LJV Rheinland-Pfalz / Kurt Alexander Michael
Foto: LJV Rheinland-Pfalz / Kurt Alexander Michael

Herr Michael, warum haben Sie den Jagdschein gemacht und was bedeutet die Jagd für Sie?

Ich bin in einer Jägerfamilie groß geworden. Bereits als Kind begleitete ich meinen Vater auf die Jagd und verbrachte viele glückliche Stunden in unserem Jagdhaus im Wald, wo ich auch geboren bin. Im Kindesalter machte ich meine erste Beute: einen Spatzenhahn. Ich hatte damals viele jagdliche Erlebnisse, wie man sie heute fast nur noch aus der klassischen Jagdliteratur kennt.

Für mich bedeutet die Jagd Entspannung durch Spannung. Das aktive Erleben und Agieren in der Natur, die spannungsgeladene Atmosphäre, wenn das Wild aus dem Einstand tritt, die Hege von Flora und Fauna im Revier sowie die Beobachtung der Wildtiere sind Eindrücke, die mein Leben stets bereichert haben. Jagd ist für mich Passion und Lebenseinstellung zugleich.

Wenn Sie sich einmal zurückerinnern – was war Ihr bisher schönster Moment bei der Jagd?

Es ist schwierig, ein Jägerleben auf einen Moment zu reduzieren. Strahlende Sonnenaufgänge im Frühsommer oder verschneite Wintertage können genauso wertvolle Momente auf der Jagd sein wie das Beutemachen selbst. Doch eine meiner lebhaftesten Erinnerungen sind die Niederwildjagden mit guten Vorstehhunden. Die großen Strecken meiner Jugend gehören heute aber leider der Vergangenheit an.

Wie jagen Sie am liebsten?

Als ich früher freitags aus dem Büro kam, stand ich noch unter Strom und da kam für mich nur eine aufregende Pirsch infrage. Schon einen Tag später ließ ich es ruhiger angehen und jagte vom Ansitz aus. Im Winter schlägt mein Herz für die Drückjagd. Ich möchte auch heute auf keine der genannten Jagdarten verzichten.

Mit welchem Jagdgewehr gehen Sie am liebsten auf die Jagd?

Das kommt auf die Jagdart an. Zu 90% jage ich auf Schalenwild und führe derzeit eine Blaser R8 (Kaliber 30-06). Für die restlichen 10% – also auf Niederwildjagden – führe ich meine gute, alte Doppelflinte.

Welches ist Ihr liebstes Wildgericht?

Ein fein zubereitetes Rebhuhn hat mir schon immer sehr viel Freude bereitet. Doch bei den vielerorts niedrigen Besätzen können Rebhühner leider nicht mehr mit gutem Gewissen bejagt werden. Was völlig anderes – aber ebenfalls ein Gaumenschmaus – ist saftiges Wildbret vom Schwarzwild. Gegrillt mundet es mir besonders gut.

Warum sind Sie Präsident des Landesjagdverbandes geworden? Haben Sie als Präsident ein bestimmtes Ziel für die Jägerschaft und Rheinland-Pfalz?

Für alles, was man liebt und einem wichtig ist – und bei der Jagd trifft beides auf mich zu –, sollte man sich engagieren. Aus diesem Grund habe ich mich 1998 als LJV-Präsident zur Wahl gestellt.

Als LJV-Präsident verfolge ich das Ziel, unsere bewährten Traditionen zu erhalten und dabei gleichzeitig das Jagdrecht und die Jagdausübung – nach wissenschaftlich fundierten Erkenntnissen – weiterzuentwickeln. Als elementar erachte ich dabei auch eine enge Kooperation zwischen Jagd und Grundbesitz.

„Die situation des Niederwilds ist prekär“

Was ist das Besondere an Rheinland-Pfalz hinsichtlich der Jagd? Wie sehen Sie die aktuelle Entwicklung von Wild und Wald?

Rheinland-Pfalz ist ein Bundesland, das durch seinen hohen Waldanteil und seine große Artenvielfalt jagdlich überaus attraktiv ist. Vor allem sind hierzulande zum Teil gute Rotwild- und große Schwarzwildbestände anzutreffen.

Doch Rheinland-Pfalz hat sich in den letzten Jahrzehnten jagdlich sehr verändert. Traditionell waren wir ein Bundesland mit hervorragenden Niederwildstrecken mit bis zu 200.000 Kreaturen pro Jahr. Mittlerweile überwiegen die Schalenwildstrecken mit jährlich bis zu 80.000 Stück Rehwild, rund 8.000 Stück Rotwild und in manchen Jahren mehr als 50.000 Stück Schwarzwild.

Wir betrachten das – vor allem durch die intensive Landbewirtschaftung – unter Druck geratene Niederwild mit großer Sorge. Zudem halte ich die Devise „Wald vor Wild“ für zu undifferenziert. Aber selbstverständlich müssen Bestände da reguliert werden, wo es nötig ist, um Wildschäden – ob im Wald oder Feld – zu reduzieren. Ich strebe Wald mit Wild an.

Was sind aktuell die größten Herausforderungen für den Landesjagdverband in Rheinland-Pfalz und die deutsche Jägerschaft im Allgemeinen?

Die prekäre Niederwildsituation ist eine der größten Herausforderungen, vor der die rheinland-pfälzische Jägerschaft heute steht. Der Landesjagdverband Rheinland-Pfalz hat diesem Thema hohe Priorität eingeräumt. Wir arbeiten derzeit mit Hochdruck an der Umsetzung unseres „Wildschutzprogrammes Feld und Wiese“ (WFW), das sich insbesondere an Landwirte und Jäger vor Ort richtet – mit dem Ziel, gemeinsam für bessere Lebensbedingungen für das Niederwild zu sorgen.

Ein weiteres zentrales Thema ist die Bewirtschaftung des Schwarzwildes. Die rheinland-pfälzischen Jägerinnen und Jäger gehen diese schwierige Aufgabe engagiert an – wie die Streckenzahlen der letzten Jahre eindrucksvoll belegen. Doch sind wir dabei mehr denn je auf die Mitwirkung von Politik und Landwirtschaft angewiesen. Eines ist mir allerdings im Hinblick auf die Schwarzwildbejagung und die damit manchmal einhergehende Hysterie besonders wichtig: Die Jägerschaft darf sich nicht als „Schädlingsbekämpfer“ instrumentalisieren lassen.

Die dritte große Herausforderung stellt die Rückkehr der Großkarnivoren dar. Vor kurzem wurden im Rahmen des EU-Life-Projekts Luchs die ersten Pinselohren im Pfälzerwald ausgewildert (wir berichteten). Als anerkannter Naturschutzverband unterstützen wir das Projekt und arbeiteten beispielsweise am Luchsmanagementplan mit. Wir informieren ideologiefrei über diese interessante Wildart und stehen natürlich unseren Mitgliedern in den betroffenen Revieren im Pfälzerwald mit Rat und Tat zur Verfügung.

Auch am Wolfsmanagementplan hat der LJV intensiv mitgearbeitet. Hierbei war und ist mir sehr wichtig, dass der Wolf weder romantisiert noch dämonisiert wird. Die Jägerschaft ist in der Fläche präsent und bereit, die weitere Entwicklung durch ihren Beitrag zum Wolfsmonitoring zu begleiten. Viele Jägerinnen und Jäger sind bereits als sogenannte Großkarnivorenbeauftragte für Luchs und Wolf geschult und aktiv.

Sowohl beim Luchs als auch beim Wolf engagiert sich der LJV in den entsprechenden Arbeitsgruppen und bringt neben jagdlichem Know-how auch Sachlichkeit in die Diskussionen mit ein.

Auf Bundes- und Europaebene sind das im Gesetzgebungsverfahren befindliche neue Bundesjagdgesetz, die Nutzung von bleifreier Munition und die drohende Verschärfung des Waffenrechts die Themen, die derzeit ganz oben auf der Agenda stehen.

Wie ist das Verhältnis zu NGOs wie NABU, BUND oder WWF in Rheinland-Pfalz?

Aktuell befinden wir uns mit NABU und BUND, demnächst auch mit der Gesellschaft für Naturschutz und Ornithologie (GNOR) im Gespräch, um Gemeinsamkeiten und Schnittmengen zu eruieren.

Was können Jäger von Naturschutzverbänden lernen?

Das große Engagement der meisten Naturschutzverbände – insbesondere im Bereich der Landschaftspflege – ist, ebenso wie die umfangreichen Detailkenntnisse über Flora und Fauna, durchaus anerkennenswert.

Inwiefern können Sie sich Kooperationen mit Naturschutzverbänden vorstellen?

Kooperationen laufen bereits. Beim BUND-Monitoringprojekt „Wildkatzensprung“, das dieses Frühjahr endete, arbeiteten Forst, BUND und Jägerschaft sehr eng zusammen. Das Ergebnis dieser engen Kooperation kann sich sehen lassen: Bei 1.480 Kontrollen in drei Jahren konnten die ehrenamtlichen Helfer – darunter Jäger, Förster und andere Naturschützer – 417 Haarproben gewinnen, die vom Senckenberg Institut in Frankfurt am Main ausgewertet wurden. Insgesamt konnten über den Untersuchungszeitraum hinweg 69 Wildkatzenindividuen nachgewiesen werden. Solche Projekte zeigen, dass es Schnittmengen gibt und sich Kooperationen für alle Beteiligten lohnen.

Die Jagd und Jäger kommen in der Presse und im öffentlichen Diskurs oft nicht gut weg. Was entgegnen Sie Jagdgegnern und -kritikern?

Kommt mit in die Reviere und lernt uns und unsere Arbeit kennen. Wir können dann aufzeigen, dass Jagd in einer von Menschenhand beeinflussten Kulturlandschaft notwendig ist. Und wir können zeigen, dass sich unsere jagdlichen Traditionen sehr gut mit einer modernen, umweltbewussten Lebensweise vereinbaren lassen.

Foto: LJV Rheinland-Pfalz / Kurt Alexander Michael
Foto: LJV Rheinland-Pfalz / Kurt Alexander Michael

Was können Sie und der Landesjagdverband Rheinland-Pfalz tun, um für mehr Akzeptanz zu werben?

Obwohl ich mich in meiner Amtszeit nachdrücklich und durchaus mit Erfolg für eine Intensivierung der Presse- und Öffentlichkeitsarbeit eingesetzt habe, sehe ich auf diesem Feld noch weiteren Optimierungsbedarf. Die Landesjagdverbände haben dies viel zu lange den Jagdgegnern überlassen. Unsere sinnvolle Tätigkeit muss präsenter in den Köpfen der Menschen sein – vor allem im urbanen Raum. Die sozialen Netzwerke spielen dabei eine immer größere Rolle. Denn dieses Medium ermöglicht enorme Reichweiten und direkten Kontakt mit der breiten Bevölkerung.

Eine große Chance bietet dabei auch das Thema „Gesunde Ernährung“. Als Jäger bringen wir mit Wildbret fast durchgängig ein hervorragendes Naturprodukt auf den Markt. Mit Hilfe unserer Wildbretmarketinginitiative, die wir im Jahr 1999 – als erster LJV überhaupt – ins Leben gerufen haben, können wir den Menschen aufzeigen, dass Wildgerichte nicht nur im Herbst und Winter hervorragend schmecken, sondern auch im Sommer eine echte Alternative und Bereicherung bieten. Und diejenigen, die wir von den Vorzügen des Wildbrets aus heimischen Revieren überzeugen können, werden der Jagd und der Jägerschaft nie abgeneigt gegenüberstehen.

Was wünschen Sie sich für die Jagd in den nächsten 20 Jahren?

Ich wünsche mir, dass es unserer Freizeitgesellschaft mehr als bisher bewusst wird, wie sehr unser aller Handeln auf die Lebensräume und die Lebensbedingungen unserer wildlebenden Tierwelt einwirkt.

Ich wünsche mir eine Landwirtschaft, die – bei allen verständlichen existenziellen Sorgen – mehr auf die Bedürfnisse unserer Natur und Umwelt achtet. Die Agrar-Umweltprogramme bieten hierzu eine Reihe verschiedener, effizienter Möglichkeiten. Wenn alle Nutzer mehr als bisher Hand in Hand arbeiten, können wir Großes erreichen.

Ich wünsche mir auch eine höhere Akzeptanz der Jagd bei der nichtjagenden Bevölkerung. Dafür müssen wir unser Tun und Handeln immer wieder kritisch hinterfragen und mehr über unsere Tätigkeiten informieren. Das fängt bereits beim freundlichen, nachbarschaftlichen Gespräch über den Gartenzaun hinweg an.