Wildernde Hunde – verzweifelte Besitzer

„Der Hund als solches kann sowieso nichts dafür. Der Fehler ist immer am anderen Ende der Leine zu suchen“

Wildernde Hunde – verzweifelte Besitzer

Es kommt leider immer wieder vor, dass freilaufende Hund zu einem massiven Problem für Wildtiere werden. Es häufen sich die Meldungen über Rehrisse bei den Verbänden und Jägerschaften (wir berichteten). Die Landesjagdverbände weisen deshalb immer wieder auf die potenziellen Gefahren durch freilaufende Hunde hin und versuchen die Halter zu sensibilisieren. Auch der Deutsche Jagdverband tut dies in einer aktuellen Broschüre zur richtigen Verhaltensweise im Wald (hier klicken). Aufgrund der vielen Vorfälle haben wir uns mit Jurist Pierre Pötzl zu einem Interview getroffen und uns mit ihm über die Rechtslage bei Rissen und die Konsequenzen für die Halter unterhalten.

Im Interview mit Outfox-World gibt der Jurist Pierre Pötzl außerdem Verhaltenstipps für den Hundehalter. In der schleswig-holsteinischen Landeshauptstadt Kiel führt er mit seinen Partnern eine Kanzlei, die sich unter anderem auf Jagdrecht spezialisiert hat.

Outfox-World: Herr Pötzl, der Albtraum eines jeden Hundehalters wäre wohl, den eigenen geliebten Vierbeiner – aufgrund von Wilderei – durch einen Jäger erschossen aufzufinden. In welchen Fällen darf es überhaupt zu einem Hundeabschuss kommen?

Pierre Pötzl: Da der Abschuss von Hunden der Länderordnung unterliegt, ist diese Thematik für jedes Bundesland separat geregelt. In Sachsen beispielsweise braucht es eine behördliche Genehmigung, um schießen zu dürfen. Hier bei uns in Schleswig-Holstein ist ein Abschuss nur rechtens, wenn man den Hund direkt beim Wildern antrifft. Mit dem Wildern ist an dieser Stelle das Nachsuchen oder das unmittelbare Verfolgen von Wild gemeint. Allerdings unterscheidet sich auch die Definition der Härte des Wilderns von Bundesland zu Bundesland. Es empfiehlt sich daher für Hundehalter, die vor Ort geltenden Gesetze zu erfragen. Ausgenommen vom Hundeabschuss sind grundsätzlich Arbeits-, Dienst- und Rettungshunde, die als solche markiert sind.

Outfox-World: Wir stellen uns folgende Situation vor: Auf einem Spaziergang nimmt der eigene Hund die Witterung eines Wildtieres auf und geht auf die Jagd. Nach kurzer Zeit findet man ihn mit einem erbeuteten Wildtier auf. Was ist zu tun?

Pierre Pötzl: In diesem Fall sollte der Hund beim nächsten Mal angeleint bleiben und nicht mehr frei laufen gelassen werden. Wenn das Wildtier schwer verletzt entkommt, sollte man aus Tierschutzgründen dem Jagdausübungsberechtigten Bescheid sagen. Wer dies in dem jeweiligen Revier ist, erfährt man bei der Polizei.

Jurist Pierre Pötzl

Outfox-World: Sind die Schäden, die durch wildernde Hunde entstehen können, durch die reguläre Tierhalterhaftpflicht abgedeckt?

Pierre Pötzl: Dies ist grundsätzlich abhängig von der jeweiligen Versicherung. Infrage käme die Hundehalterhaftpflichtversicherung oder, gesetzt den Fall, der Hund gehört einem Jäger, die entsprechende Jagdhaftpflichtversicherung. Der entstandene Schaden wird geschätzt. Allerdings ist im Normalfall nicht mit Schadensersatzforderungen zu rechnen, da in der Regel Jungtiere zur Strecke kommen.

Outfox-World: Mit welchen rechtlichen Folgen muss der Hundebesitzer rechnen, wenn sein Tier tatsächlich ein Wildtier erlegt hat?

Pierre Pötzl: Hierbei handelt es sich um eine Ordnungswidrigkeit, sodass mit einer Geldstrafe zu rechnen ist. Gehört der Hund einem Jäger, droht zusätzlich der Jagdscheinverlust. In jedem Fall ist es sinnvoll, Wert auf eine fachmännische Hundeausbildung zu legen, um einer solchen Situation vorzubeugen.

Outfox-World: Was wäre Ihr persönlicher Rat an einen Jäger, der in seinem Revier auf einen wildernden Hund trifft?

Pierre Pötzl: Grundsätzlich ist mit einem Hundeabschuss aus rechtlicher Sicht vorsichtig umzugehen, weil die Einschätzungskriterien häufig erst im Nachhinein durch ein Gericht final bewertet werden. Der Hund als solches kann sowieso nichts dafür. Der Fehler ist immer am anderen Ende der Leine zu suchen. Es empfiehlt sich, nicht zu schießen, sondern stattdessen beispielsweise durch Fotografieren Beweise zu sichern. Die Fotos können als Grundlage für eine Anzeige genutzt werden, wenn man den Hund zuordnen kann. Oftmals ist eine Geldbuße für den Hundehalter der bessere Weg zu Einsicht. Anderenfalls kann man, um eine akute Situation aufzulösen, mit einem gekonnten Schuss inklusive Kugelfang in die Nähe des Hundes schießen, um dadurch einen Triebabbruch zu erreichen.

Outfox-World: Vielen Dank für das Interview, Herr Pötzl!