Zeitung hetzt gegen pflichtbewussten Jäger

Zeitung hetzt gegen pflichtbewussten Jäger

In einem Artikel der Mitteldeutschen Zeitung wird das Erlösen eines angefahrenen Damalttiers dramatisiert und ein helfender Jäger zum „Buhmann“ gemacht.

Symbolbild Damwild
Symbolbild Damwild

„Weiße Hirschkuh in Merseburg – Tier wird gejagt und getötet“, so titelt die Mitteldeutsche Zeitung (MZ) am Dienstag in einem Artikel über ein nach einem Unfall durch einen Jäger erlöstes Damalttier. Die Meldung hinterlässt im ersten Eindruck den faden Beigeschmack einer ungerechtfertigten Hinrichtung. Wie kam es dazu? Hier sind die Fakten hinter der Geschichte:

Ein seltenes weißes Stück Damwild war im Juni hochträchtig aus einem Freigehege in Merseburg ausgebrochen und hatte ihr Jungtier im Südpark der Stadt zur Welt gebracht. Seitdem lebte das Wildtier gemeinsam mit seinem Kalb in dem Park und unternahm des Öfteren Ausflüge in das benachbarte Wohngebiet Merseburg-Süd.

Am vergangenen Freitagabend war das Alttier auf einer Straße unweit des Parks unterwegs und wurde von einem Auto angefahren. Dabei zog sie sich so schwere Verletzungen zu, dass die alarmierten Polizeibeamten den zuständigen Jagdpächter als Experten hinzuriefen. Dieser erkannte, dass die Verletzungen des Tieres so massiv waren, dass es nur noch von seinem Leid erlöst werden konnte. Da sich der Unfall in einem Wohngebiet zutrug, kam es nicht infrage, das Tier mit einem Fangschuss zu erlösen, und der Waidmann griff zu seinem Messer.

Die umstehenden Passanten wurden durch die Polizeibeamten dazu aufgefordert, sich von der Unfallstelle zu entfernen, als der Jäger das Tier schließlich durch einen gezielten Stich zwischen den oberen Halswirbel und den Schädel (jägersprachlich: abnicken) von seinen Schmerzen befreite. Doch die Sensationslust einiger Anwohner war wohl zu groß und so sahen sie die blutige Erlösung des Tieres mit an.

In dem Artikel der Mitteldeutschen Zeitung kommen zwei Frauen zu Wort, die mit ihren Kindern vor Ort waren und alles mit angesehen hatten. Eine der Frauen wird in dem Artikel wie folgt zitiert: „Die Kinder waren völlig geschockt und sind es immer noch. Meine Tochter ist nur noch am Heulen.“ Außerdem sagte sie gegenüber der Zeitung, sie hätten den Jäger „angefleht, das Tier nicht zu töten. Wir hatten schon mit der Tierklinik in Leipzig Kontakt aufgenommen und für die Tierarztkosten hätten wir gesammelt.“

Und das ist noch nicht das Ende der Vorwürfe, die die Frauen erheben. Der Jäger habe dem Tier die Kehle durchgeschnitten, heißt es in dem Artikel weiter. „Das war aus meiner Sicht Schächten, und das ist ja wohl in Deutschland verboten“, wird die Merseburgerin im MZ-Artikel weiter zitiert. Von der Zeitung keine Spur der Einordnung!

„Unverantwortlich, dort mit den Kindern stehen zu bleiben“

Für die beiden Frauen zeigt Andreas Eilfeld, Vorsitzender der Jägerschaft Merseburg, im Gespräch mit Outfox-World kein Verständnis: „Ich finde es unverantwortlich von den Müttern, dort mit ihren Kindern stehen zu bleiben, und kann das Verhalten nicht nachvollziehen.“ Die Tötung eines Tieres mit einem Messer sei eine blutige Angelegenheit und das sollte sich nicht jeder anschauen.

Die Vorwürfe der Frauen, der Jäger hätte das Tier regelrecht „geschächtet“, weist der Waidmann klar zurück. Er gesteht aber ein, das das Abnicken aufgrund der Menge an Blut für einen Laien wie ein Schnitt durch die Kehle aussehen könne. Der zuständige Jäger habe sich jedoch korrekt verhalten und das Tier durch den gezielten Stich oberhalb des obersten Halswirbels möglichst schmerzfrei erlöst. So, wie er es in seiner Ausbildung gelernt habe.

Auch die Idee der Frauen, das Tier in eine Tierklinik zu bringen, verwirft der Jäger sofort. Das Tier sei so schwer verletzt gewesen, dass ein Aufenthalt in der Tierklinik keinen Erfolg gebracht hätte. Die Kompetenz, das zu entscheiden, obliege nun einmal einem erfahrenen Jäger.

Abgesehen davon, dass der Artikel der Mitteldeutschen Zeitung den Vorfall dramatisiert darstellt und erst in einem weiteren Artikel vom Mittwoch auch die untere Jagdbehörde und das Veterinäramt zu Wort kommen, sieht Eilfeld aber vor allem auch den Besitzer des angefahrenen Tieres in der Pflicht: „Die weiße Hirschkuh ist bereits vor Monaten aus ihrem Gehege ausgebrochen.“ Seitdem sei sie gemeinsam mit ihrem Kalb ständig über die Straßen in der Nähe gelaufen und habe für viele Polizei- und Feuerwehreinsätze gesorgt. „Es gab eine Verkehrsgefährdung über mehrere Monate hinweg!“ Dabei wären die Tiere nach Ansicht des Jägers leicht zu betäuben und zurück in das Gehege zu bringen gewesen, denn „man konnte sich den Tieren ohne Probleme bis auf zehn, fünfzehn Meter nähern“, und von dieser Entfernung aus sei eine Betäubung möglich gewesen.

„Das hätte alles nicht sein müssen“

Der Vorsitzende der Jägerschaft Merseburg ärgert sich über den Besitzer des Damalttiers, weil er sich so lange nicht um den Verbleib des Tieres gekümmert hat. Insbesondere ärgert ihn, dass der durch die Polizei hinzugerufene Jäger nun öffentlich an den Pranger gestellt wird, obwohl er nur seinen Job gemacht hat. „Das hätte alles nicht sein müssen!“, fügt er abschließend hinzu.

Im Sommer gab es in Hessen bereits einen ganz ähnlichen Fall, bei dem ein Jäger Opfer übler Hetze im Internet wurde, nachdem er ein angefahrenes Rehkitz mit einem Messer von seinen Schmerzen erlöst hatte. Er war durch Zeugenaussagen in einem Artikel ähnlich bloßgestellt worden wie jetzt der zuständige Jagdpächter in Merseburg (wir berichteten).

Wie gefährlich solch eine öffentliche Bloßstellung eines Jägers sein kann, zeigt ein Beispiel aus Schweden. Ein junger Jäger hatte dort Morddrohungen erhalten und war Opfer von Sachbeschädigungen geworden, nachdem er in der Silvesternacht 2015 einen schwer verletzten Wolf mit einem Fangschuss erlöst hatte (wir berichteten).