Von „Lustmördern“ und „Nacktaffen“
Dieser Beitrag geht auf Spurensuche in der Anti-Jagd-Szene im Netz. Sie ist straff organisiert und bis an die Zähne gerüstet mit Textbausteinen für das „Jäger-Bashing“. Und sie hat offenbar nur wenig zu fürchten, wenn sich ihre Akteure auf juristisch heiklem Feld bewegen.
Während seriöse Umfragen immer (noch) breite Zustimmung für die Jagd in Deutschland dokumentieren, scheint das Internet in weiten Teilen zur Domäne kompromissloser Jagdgegner geworden zu sein. Von übler Nachrede über allfällige Beleidigungen über den Mordaufruf, bis zur Verunglimpfung des Andenkens Verstorbener reicht die Palette (eigentlich) strafrechtlich relevanter Verbalinjurien – da wird der Tod von Jägern bejubelt und Rache auch für ganz legale Abschüsse geschworen. Eine Übersicht über das, was große und kleine Organisationen im Netz mit dem Thema Jagd betreiben:
„Lustmörder“ ist ein gängiges Schimpfwort gegen jagende „Nacktaffen“. Die Organisatoren der offenbar rechtsfreien Chat-Räume waschen die Hände in Unschuld, das Löschen offenkundiger Hass-Kommentare ist nicht ihr Ding. Offiziell äußern sie sich lieber – juristisch fein austariert – mit Worten wie „Lusttöter“. Hinterhältiger noch – weil an ein wenig informiertes Publikum gerichtet – ist die Unterscheidung zwischen „Hobby-Jägern“ und solchen, die im Staatsdienst töten. Als hätten sie nicht alle die identische Jägerprüfung abgelegt. Das nützt dem Keil, den die unselige These „Wald vor Wild“ zwischen einen Teil der Forstbeamten und den Rest der Jägerschaft getrieben hat. Die Organisationsstruktur der Szene ist ausgeklügelt: Da sind angesehene Verbände wie der einst von Großwildjägern beherrschte World Wide Fund for Nature (WWF) und der Naturschutzbund Nabu. Kampfgruppen wie „Animal Rights Watch“ oder „Animal Liberation Front“. Und natürlich Splitterparteien wie „Ethia“ und die Tierrechte-Partei „Mensch Umwelt Tierschutz“.
Die Szene ist regelmäßig in sich zerstritten, auch im Wettbewerb ums beträchtliche Spendenaufkommen. Da werfen „linke“ Tierrechtler der konservativen Konkurrenz Fremdenfeindlichkeit oder gar Antisemitismus vor. Da kommt sogar Religion ins Spiel, zumal bei der fränkischen Sekte „Universelles Leben“, die vielfache (Geschäfts-)Verbindungen ins spirituell Vegane und zur Jagdgegner-Front unterhält. Spannend, wie vehement sich Protagonisten gegen den Vorwurf wehren, im Kontakt mit dem „Universellen Leben“ (UL) zu stehen. Kurt Eicher zum Beispiel, im Hauptberuf Leiter eines Gymnasiums in Baden-Württemberg und nebenher Betreiber der „Initiative zur Abschaffung der Jagd“.
Förmlich ausgestiegen ist ein Mann, der es im Fernsehen schon zum Titel „Deutschlands Jagdgegner Nummer Eins“ gebracht hatte. Dominik Storr, Rechtsanwalt aus Neustadt am Main, hat für einige Grundbesitzer Jagdverbote auf deren Flächen erstritten. Nun will der bekennende Veganer mit dem „Universellen Leben“ nichts mehr zu tun haben: „Nicht die Jäger mobben mich (…), sondern meine ehemaligen Verbündeten“, klagt Storr auf seiner Internetseite über „psychischen Terror“.
Selten endet solcher Psychoterror vor Gericht. Etwa als sich Bayerns Jäger-Präsident Jürgen Vocke schon vor einem Jahrzehnt erfolgreich gegen Kurt Eichers Flugblatt-Vorwurf zur Wehr setzte, ein „Lusttöter“ zu sein. In einschlägigen Internet-Foren gehört das Unwort dennoch bis heute zum gängigen Sprachgebrauch.
Wahr ist wohl auch, dass Austeilen und Einstecken bei Tierrechtlern sehr ungleich verteilte Eigenschaften sind. Für einen Shitstorm auf diversen Seiten genügt in aller Regel schon der Gebrauch der Wörter „Gutmensch“ oder „Balkonbiologe“. Im Gegensatz zur Mörder-Hetze strafrechtlich zwar nicht relevant, aber geächtet in der Internet-Welt, deren Schwarz-Weiß-Denken an mittelalterliche Glaubenskriege erinnert.
Jäger, die sich auf die Schlacht in Sozialen Medien einlassen wollen, tun wohl gut daran, solchen Empfindlichkeiten keinen Vorwand zu liefern. Mit sachlichen Argumenten kommen sie zwar auch nicht viel weiter, erreichen aber nicht selten wenigstens ein außenstehendes Publikum, das die einschlägigen Foren vorrangig aus Gründen der kurzweiligen Unterhaltung besucht.
Tatsächlich entsteht da jenseits der Realität eine virtuelle Welt, deren Verfechter jeweils nur das zur Kenntnis nehmen, was in die jeweilige Scheinwelt passt. Beispiel: Ein hübsch gemachter Film über das segensreiche Wirken der im Yellowstone-Nationalpark ausgewilderten Wölfe. Der Streifen hat es bis in die Late-Night-Märchenstunde des Markus Lanz gebracht und geistert bis heute durch die Wolfsdebatten. Aber dass der „US-Wolfspapst“ L. David Mech höchstpersönlich die Legende als Fake-News entlarvt hat, ignoriert die Fan-Gemeinde.
Ebenso hartnäckig hält sich die längst widerlegte Theorie, dass überzogener Jagddruck schuld an der explosionsartigen Vermehrung des Schwarzwilds sei. Der Tierrechte-Fanclub nimmt nicht einmal zur Kenntnis, dass die sonst hoch verehrten Staatsjäger im vermeintlich jagdfreien Kanton Genf hauptsächlich mit Sauen-Bekämpfung beschäftigt sind.
Ebenso hartnäckig ignoriert der Internet-Tierrechtler die oft brutale Schalenwild-Bekämpfung in so manchen Staatsrevieren und toleriert so den klammheimlichen Abschied von der bewährten Regel, dass (auch staatliches) Waldeigentum nicht nur der Rendite zu dienen hat. Nachhilfe brauchte da unlängst sogar der so gern als oberste Naturschutz-Instanz empfundene WWF, als Verbandsförster einen ihnen anvertrauten Wald im brandenburgischen Fürstenberg komplett platt machen wollten und die Waldwege mit schwerstem Gerät zerstörten. Alles im Zuge der angestrebten Neubepflanzung mit Öko-Wald – und natürlich nicht wegen des einträglichen Holzverkaufs.
Am Umgang mit (meist kostenlos überlassener) Natur muss sich auch das vermeintliche Naturschutz-Flaggschiff NABU immer wieder messen lassen: Von sträflich vernachlässigten Heckrindern bis zum Paradox, dass der Verband die Waschbären sogar dann zur Heiligen Kuh erklärt, wenn sich die putzigen Tierchen im großen Stil an den Krötenzäunen bedienen, die Ehrenamtliche zur Rettung bedrohter Amphibien bauen.
Alles wohl auch unter dem Konkurrenzdruck der Mutter aller Tierrechte-Fantasien: Peta führt regelmäßig vor, wie sich Massen mobilisieren lassen. Ob gegen die Jagd oder gegen die moderne Landwirtschaft. Fast immer auf dem Weg der kosten- und meist auch sinnfreien Strafanzeige. Das mit finanziellem Risiko verbundene Prozessieren gegen Umweltsünden überlassen die Rekord-Spendensammler liebend gerne seriösen Umweltschutzverbänden wie dem BUND. Und dem echten Tierschutz, den die redlichen Tierschutzvereine überall im Lande leisten.
Für die Lufthoheit über den Internet-Stammtischen genügt die gebetsmühlenartige Wiederholung längst widerlegter Thesen wie der, dass Wölfe das Schwarzwildproblem lösen werden, wenn wir sie nur ließen. Nicht zuletzt der unaufhaltsame Vormarsch der dort noch vor wenigen Jahren schon nahezu ausgerotteten Sauen in die schwedischen Wolfsregionen beweist das Gegenteil. Dies hindert die Realitätsverweigerer aber nicht an der kühnen Behauptung, dass deutsche Wölfe das Schwarzwild besser als alle „Hobby-Jäger“ in den Griff bekommen werden.
Ein Internet-Kernproblem für die Zukunft von Jagd und Jägern erwächst zudem aus den eigenen Reihen: Jagdscheininhaber, die dem Tierrechte-Mainstream das Wort reden. Vom Baumflüsterer Peter Wohlleben bis zum Tierfilmer Andreas Kieling reicht die länger werdende Liste der Galionsfiguren einer religionsartigen Naturlehre, die letztlich den Primat der Gattung Mensch und deren soziale Errungenschaften leugnet.
Es besteht kein Anlass, nicht hartnäckig auf die asoziale Komponente solcher Lehren hinzuweisen. Von der Hybris der Mode-Veganer und ihrer Avocado-Gier, die tropische Wälder vernichtet und Umweltschäden durch aberwitzige Transportwege verschärft, bis zum mitmenschenverachtenden Traum von einer mittelalterlichen Landwirtschaft, die eine zügig wachsende Menschheit nicht ernähren könnte.