Verbiss im Sommerloch

Verbiss im Sommerloch

Im von Journalisten gefürchteten „Sommerloch“ hat eine erneute Diskussion um die Schäden begonnen, die das Schalenwild in Wald und Flur verursacht. Gottlob gibt es dabei auch die Forderung nach Vernunft und Augenmaß.

Damwild äst
Damwild äst

Die dpa-Geschichte über einen Waldbesitzer, der weite Teile seiner Forstflächen total einzäunt, um sie vor Reh und Hirsch zu schützen, schaffte es sogar auf Spiegel Online. In Mecklenburg-Vorpommern wird derweil heftig über weitere Verschärfung der Sauenjagd debattiert. Auf Tierschutzseiten regt sich bereits organisierter Widerstand. Im Prinzip nur eine Neuauflage der sattsam bekannten „Wald vor Wild“-These? Oder doch was Neues? Neu ist zumindest, dass sich eine deutliche Konfrontation zwischen Wald-Ideologen und der Tierrechte-Fraktion abzeichnet, „Öko“ gegen „Öko“ sozusagen. Während für die eine Seite gar nicht genug geschossen werden kann, trauern die Jagdgegner jedem einzelnen Überläufer nach.

Sogar die traditionelle Jäger-Regel, führende Sauen oder gar Leitbachen zu schonen, gerät da unter Druck – durchaus mit wissenschaftlicher Schützenhilfe. Bleibt nur die Frage, ob allein das Nützlichkeitsdenken entscheidend sein darf. Oder ob die Jäger weiter im Geschöpf den Schöpfer ehren. Von der anderen Seite müssen wir uns weiter den Unsinn anhören, dass der Jagddruck schuld sei, wenn die Sauenbestände explodieren. Und darum streiten, ob die Jagd auf Hirsch und Reh nur noch als Schädlingsbekämpfung Zukunft hat, möglichst durch mit Steuergeld bezahlte Vollstrecker. 

Zum Glück gibt es auch Wissenschaftler, die bei diesem Streit die Kirche im Dorf lassen. Der international anerkannte Wildbiologe Professor Sven Herzog von der Technischen Universität Dresden kommt in der erwähnten dpa-Reportage mit einer eindeutigen Absage an immer mehr Jagddruck zu Wort: „Die Jagd im Winter bis in den Januar hinein bringt immense Störungen für die Tiere.“

Dass gerade das Rotwild unter solchen Bedingungen immer heimlicher wird und kaum noch aus den Dickungen kommt, richtet womöglich mehr (Wald-)Schaden an, als massive Reduktion verhindern kann, warnt der Professor. In früheren Jahren sorgte er bereits mit der These für heftige Debatten, dass unsachgemäße Jagd sogar genetische Auswirkungen haben könnte, weil ausgerechnet die Rehe und Hirsche überleben, die den dichten Wald als Standort bevorzugen. Zur wohlfeilen Forderung nach immer längeren Schusszeiten passen solche Einsichten genauso wenig wie zur Kritik an sinnvoller Notzeit-Fütterung, die Professor Herzog ausdrücklich als Mittel zur Verminderung der Verbiss- und Schälschäden nennt. Auf sein neuestes Buch zum Thema dürfen Jäger also gespannt sein: „Wildtiermanagement: Grundlagen und Praxis“ erscheint im Oktober und wird garantiert für einige rote Köpfe sorgen.