Tiere denken – Philosophen auch?

Tiere denken – Philosophen auch?

Kommentar: Mit seinem neuen Buch über Tierrechte verabschiedet sich der Steakfreund Richard David Precht endgültig aus der ernsthaften Debatte über das Verhältnis von Mensch und Umwelt.

Hochsitz im Sonnenuntergang
Hochsitz im Sonnenuntergang

„Die Jagd ist eine Nebenform menschlicher Geisteskrankheit.“ Dieses Bonmot hatte der erste Bundespräsident Theodor Heuss als witzige Pointe gemeint. Precht beginnt damit sein Kapitel über die Jagd als „Lustmord“. Im Gegensatz zu Heuss will er die Jäger allerdings tatsächlich in die Ecke der psychisch Kranken und moralisch Abartigen stellen. Anders lassen sich wutschnaubende Stigmatisierungen wie „Mörder“, „Spießgesellen“ oder „Barbarei“ für diese Naturnutzer nicht verstehen.

Menschen, die Tiere jagen, sind nach Ansicht von Precht geisteskrank. Es wäre interessant, zu lesen, was der leidenschaftliche Jäger Nelson Mandela von einer solchen Diagnose gehalten hätte. Er hätte sich voraussichtlich daran erinnert, dass er vom Apartheitsregime in Südafrika ebenfalls oft als geisteskrank diskreditiert worden war. Es ist ein typisches Stilmittel aller Radikalen, den Andersdenkenden, den Unpassenden als pathologischen Fall darzustellen. Und radikal ist Precht tatsächlich. Er wünscht sich Anti-Baby-Pillen als Mittel der Wildbestandsreduzierung oder wenigstens das ausschließliche Jagdrecht für professionelle Förster, eine Idee, die vor ihm schon der Tierfreund Adolf Hitler hatte. Private Jäger sollten dann nur noch mit Farbkugeln auf Tiere schießen dürfen.

Schlimmer ist jedoch, dass der Autor auf seinem Stammgebiet, der Ethik, völlig versagt. Die mit der Jagd verbundene Lust sei pervers, so schreibt der Steakesser Precht. Die Lust, Fleisch zu essen, sei jedoch moralisch weniger anstößig, als die Lust, das Fleisch vorher durch Töten zu gewinnen. Dieses Argument ist, man muss es so deutlich ausdrücken, dumm. Nach utilitaristischen Gesichtspunkten muss man nämlich Motivation, Handeln und Folgen ins Verhältnis setzen: Der von Precht verteufelte Jäger erlegt ein Wildtier. Dieses Wildtier ist geboren und aufgewachsen, ohne dass der Jäger darauf Einfluss hatte. Das Tier muss auch sterben, ohne dass der Jäger dies verhindern kann. Wenn es ein bestimmtes Alter erreicht, dann fallen ihm die Zähne aus und es verhungert. Es kann auch von Beutegreifern gefressen werden oder an Seuchen eingehen. Der Tod ist zwingender Teil des Lebens. In der Natur ist er darüber hinaus besonders unangenehm, da es dort keine Palliativmedizin gibt. Der Bulle, dessen Steak hingegen Precht verzehrt, ist von Menschen extra gezüchtet worden, eben für lustvolle Esser wie den Philosophen aus Solingen. In beiden Fällen ist Lust das Motiv für den Tod des Tieres. Der Unterschied besteht darin, dass Precht diesen Tod durch Verzicht vermeiden könnte, der Jäger hingegen nicht. Das von ihm erlegte Tier muss ohnehin sterben, der Steakspender des Herrn Precht wird mangels Nachfrage gar nicht erst geboren.

Zuchtbulle, Ja! Freilebendes Wildtier, Nein?

Auch im Hinblick auf das „Selbst“ des Tötens ist Precht kein Vorbild. Er überantwortet diesen blutigen Hintergrund seiner eigenen Lust an Fremde. An den Koch, den Schlachter, den Tierzüchter. Sie alle üben einen Beruf aus, der auf dem Töten von Tieren basiert. Und sie tun es gern, schließlich haben sie ihn frei gewählt. Auch ihr Tun ist also von Lust geprägt. Precht versteckt sich hinter der Verantwortung dieser Menschen, wenn er sich als den moralisch besseren Nur-Genießer darstellt. Er ist ein Konsumtäter, der mit seiner EC-Karte tötet. Als Philosoph hat er sich selbst demontiert.