Thüringen klopft am Elfenbeinturm

Thüringen klopft am Elfenbeinturm

Im ländlichen Raum hat der Realitätsverlust der Altparteien – Grüne inklusive – drastische Folgen.

Der Thüringer Landtag in Erfurt.
Der Thüringer Landtag in Erfurt.

Die Thüringen-Wahl provoziert Denkprozesse: Vor allem die Grünen erkennen, dass ihre Großstadt-Rezepte im ländlichen Raum nicht überzeugen. Klar ist, dass die zunehmende Entfremdung zwischen Stadtmenschen und Landbevölkerung längst zu den Kernfragen der Demokratie gehört. Zumal im deutschen Osten, der seinen Nachholbedarf in Gefahr sieht, wenn Ökologie zur alles beherrschenden Richtschnur wird. 

Nicht nur die AfD, sondern auch die Linke haben in Thüringen die Ängste der Provinz geschickt genützt. Von der Industrialisierung bis zu den Wölfen und zur konventionellen Landwirtschaft. Bereiche also, die im Elfenbeinturm der Bio-Läden bisher kaum wahrgenommen wurden. Der linke Wahlgewinner Bodo Ramelow hat sich vom vermeintlichen Zeitgeist nicht treiben lassen. Im Gegensatz zu CDU und SPD, die sich zunehmend den „grünen“ Milieus anbiedern und dabei ihr Stammpublikum verunsichern. 

Spannend, dass ausgerechnet das Führungspersonal der Grünen die Defizite anspricht. Womöglich merken sie dort, wie untauglich die vermeintlich wohlfeilen Versuche sind, der Landbevölkerung die Natur zu erklären. Jenseits aller Chancen, auf öffentlichen Nahverkehr umzusteigen oder auf den Wirtschaftsfaktor Schlachtviehproduktion zu verzichten, hat das Wahlvolk den Gutbürgerlichen Grenzen aufgezeigt. 

Zur Wahrheit gehört, dass der Unmut auch viele Jäger-Stammtische erreicht hat. Oft unsägliche Reglementierungswut, gepaart mit maßloser Schalenwild-Phobie, gehören zu den Hauptursachen der auch dort unverkennbaren Vertrauensverluste. Ob es genügen wird, gegen den Machtverlust die Nazi-Keule zu schwingen und über gestern noch undenkbare Koalitionen zu grübeln, lautet die wirklich spannende Frage. Und ob es ausreicht, wenn nur die Grünen nachdenken, was sie im Umgang mit der Landbevölkerung verkehrt gemacht haben?