Therapie geglückt – Patient tot

Therapie geglückt – Patient tot

Autofahren
Autofahren

Als es noch reichlich Feldhasen und Rebhühner gab, war die Abgasreinigung von Autos und Kohlekraftwerken kein Thema. Der Artenreichtum unserer Gewässer war weit größer, als noch nicht jedes Dorf seine moderne Kläranlage hatte. Was trotz intensiver Anstrengungen schief läuft beim Natur- und Artenschutz, ist die wohl spannendste Frage der Umweltpolitik. Auch wenn sie niemand gerne stellt.

Diesen Spätsommer trafen wir uns mit Freunden zum Fliegenfischen in Mittelschweden. Wie immer seit vielen Jahren. Alle hatten einen langen Weg im Auto zurückgelegt. Nur insektenverschmierte Windschutzscheiben hatte keiner. Was früher in solchen warmen Nächten eine wahre Autofahrer-Plage war, wird plötzlich zur Erinnerung an bessere Tage. Wo die Insekten Mangelware geworden sind (wir berichteten), werden die Fische mangels Nahrung nicht mehr so groß wie früher. Der Natur fehlt, was sie früher reichlich hatte.

 Ältere unter uns Jägern erinnern sich noch an die Treibjagden, nach denen der Jagdherr reichlich Mühe hatte, die erlegten Hasen loszuwerden. Heute wagst du meistens kaum zu fragen, ob du einen haben kannst. Mein alter Patenonkel wusste, dass ich ihn ein paar Mal in der Saison besuche und eine Äsche von mindestens einem Kilo mitbringe. Die letzten Jahre musste er auf dieses Fischessen immer öfter verzichten. Vielerorts im Süden sind die Äschen nahezu ausgestorben, obwohl sie einer ganzen Gewässerregion den Namen gaben.

Es war in den späten Siebzigerjahren, als uns ein Zahnarzt aus dem Schwäbischen an seinen Wiesenbach zum Fischen einlud. Wir fingen reichlich gute Äschen, auch eine über 1600 Gramm, und unser Gastgeber applaudierte genauso wie sein Gewässerwart: „Die müssen raus“, sagten sie. Weil Äschen damals eher unerwünscht waren in noblen Forellenbächen. Im Wasser wimmelte es nur so von Köcherfliegenlarven und auf der Heimfahrt war die Windschutzscheibe ruckzuck verschmiert.

Auf der Raufußhühner-Jagd in Schweden erzählte ein Kamerad aus dem bayerischen Oberland, dass sie in den Mooren dort noch reichlich Birkhähne hatten, als er ein kleiner Bub war und seinen Opa zur Balz begleitete. Heute muss er für ein solches Erlebnis weit reisen. Und er schwört Stein und Bein, dass die Raufußhühner aus seiner Heimat verschwanden, als sein Opa, der mit Brennholz und Kohlen handelte, zunehmend Heizöl verkaufte.

Logisch, heute weiß jeder einigermaßen Naturbewusste, dass Birkwild-Küken Insektenlarven brauchen, um zu gedeihen, Nur, was nützt dieses Wissen, wenn die Insekten Mangelware werden, obwohl wir jeden Ameisenhaufen schützen? Und gleichzeitig ziemlich tatenlos zusehen, wie nun die Bienen zur bedrohten Art werden (wir berichteten), auch im Zeichen einer Energiewende, die den Maisanbau zur Plage werden lässt.

Sind nicht alle Tiere schützenswert?

Viel mehr als ein Schlagwort ist sie nicht, die Folgenabschätzung, die vermeintlich wie die Nachhaltigkeit zur Maxime unseres Naturgebrauchs gehört. Tatsächlich ist die Masse der Menschen weit entfernt, die Umwelt als höchst komplexes System zu begreifen, in dem jedes noch so kleine Rädchen seinen Sinn und Zweck hat. Wichtiger scheint Symbolpolitik wie die Wiederansiedlung von Raubtieren oder die Sicherung von Kröten-Wanderwegen. Obwohl die Wette gilt, dass mehr Amphibien an Insekten-Nahrungsmangel sterben als am Straßenverkehr.

Oberschlaue fühlen sich berufen, die Jagd als Wurzel allen Übels auszugeben – bis hin zur Explosion der Sauenbestände im Gefolge von Klimawandel und Energiemaisanbau. Unter ihnen gewiss auch reichlich Kunden der Skizirkus-Industrie, die dem Wild den alpinen Lebensraum streitig macht. Nebenbei: Sogar auf Almen und Alpen wird die Flora immer artenärmer. Kräuter und Gräser, früher mal die „Apotheke der Natur“, sterben ebenso leise aus wie die Insekten.

Die Angst, dass wir am Ende an chemisch reinen Flüssen ohne Fische leben und irgendwann den Notstand ausrufen, weil die Niederwildbestände nicht mehr zum Erhalt der gehätschelten Greifvögel ausreichen, ist mitnichten unbegründet. So fern die Einsicht scheint, dass der Mensch nur ernsthaft und krisensicher schützt, was ihm von Nutzen ist. Für die Ernährung mit Tofu-Würstchen braucht es weder Rinder-Weiden noch Forellen-Bäche – und nicht einmal die Bienen. Und fürs gute Gewissen genügt ja die Unterschrift am Peta-Infostand.