Scheingefechte um Glyphosat

Scheingefechte um Glyphosat

Der Streit um das Unkraut-Gift offenbart Probleme der Stimmungsdemokratie. Wie so oft, wenn es um Landwirtschaft oder auch die Jagd geht, ist die gefühlte Wahrheit wichtiger als Tatsachen.

Sprühen auf dem Feld
Sprühen auf dem Feld

Die „Süddeutsche Zeitung“ und der „Spiegel“ sind nicht der Kumpanei mit der Agrarindustrie verdächtig. Trotzdem gehen die beiden Blätter deutlich auf Distanz zur Zeitgeist-Aufregung um die Zulassungsverlängerung für Glyphosat. Der Spiegel zählt die zahlreichen seriösen Institute auf, die keinen Nachweis dafür finden konnten, dass die Chemikalie ein Krebsrisiko bedeutet. Die Süddeutsche kommentiert sogar mit dem Titel: „Die Neuzulassung von Glyphosat ist richtig.“

Vor allem im Haus der Bundesumweltministerin wird man solche Zwischenrufe nicht gerne lesen. Barbara Hendricks und ihre SPD sind schließlich dabei, das Thema zur Regierungskrise aufzupusten. Dabei geht es in Wahrheit nicht um ein hypothetisches Krebsrisiko, sondern um eine weit wichtigere Frage: Wieviel Naturferne wollen die Menschen der Landwirtschaft noch zumuten, um möglichst billige Nahrungsmittel auf den Tisch zu bringen.

Sicher scheint: Verbraucher-Ärger um saftig steigende Lebensmittelpreise fürchtet die Politik jeglicher Couleur noch mehr als den Zorn der Öko-Fundis, die von einer heilen Welt träumen, ohne hierzu praxistaugliche Rezepte vorzulegen. Letztendlich geht es ohne solche Patentrezepte ja auch um die Frage, ob es die reine Naturlehre rechtfertigen könnte, wachsenden Hunger auf dieser Erde billigend in Kauf zu nehmen.

Realistisch betrachtet ist Glyphosat im Vergleich zu den Alternativen das kleinere Übel: Besser und gründlicher erforscht als andere Agrarchemikalien und bei korrekter Anwendung die Sicherheit, dass nichts davon in unserer Nahrung landet. Denn nach der Aussaat kann das Mittel nicht mehr mehr angewendet werden.

Sicher ist andererseits, dass die Natur Schaden nimmt, besonders auch die Jäger: Wie andere Pflanzenschutzmittel auch zerstört Glyphosat alles pflanzliche Leben, um den dann angebauten Nutzpflanzen ein Aufwachsen ohne Konkurrenz zu sichern. Das trifft natürliche Lebensgemeinschaften und die Artenvielfalt – aber leider nicht die Normalverbraucher, die Natur mehrheitlich nur wichtig finden, wenn es an die eigene Gesundheit oder den eigenen Geldbeutel geht. Und um das vermeintlich gute Gewissen.

Wer Zusammenhänge nicht sehen will, tut sich mit der Flucht in Verbote leicht, bleibt jedoch Lösungen schuldig.

Von der noch amtierenden Umweltministerin haben wir nur wenig gehört, als den bäuerlichen Milchviehbetrieben das Wasser bis zum Hals (und darüber) stand. Auch keine Kritik an der erschreckenden Öko-Bilanz vieler Mode-Lebensmittel aus fernen Ländern. Nur logisch, dass aus solchem Haus nur wenig Verständnis kommt, wenn die willkommenen Wölfe die Weidewirtschaft bedrohen. Elektro-Weidezäune quer durch die Republik und Herdenschutzhunde genügen nicht, um möglichst naturnahes Landwirtschaften zu erleichtern.

Da besteht auch wenig Aussicht, dass dem Wahlvolk verständlich gemacht wird, warum Glyphosat das kleinere Übel ist, wenn die Landwirtschaft auf Unkrautbekämpfung angewiesen bleibt und Missernten nicht zum gesamtgesellschaftlichen Risiko erklärt werden, dessen Folgen der Landwirt bisher alleine zu tragen hat. Wer Zusammenhänge nicht sehen will, tut sich mit der Flucht in Verbote leicht, bleibt jedoch Lösungen schuldig.

Irgendwie erinnert die Sache an den Sieg der Biotechnik über die Tollwut: Die flächendeckende Immunisierung der Füchse fand allgemeinen Beifall. Aber dass damit der Zwang zur verschärften Fuchsbejagung einhergeht, ist auch so eine unbequeme Wahrheit, die dem Stimmungsnaturschutz nicht in den Kram passt. Hauptsache, unsinniger Streit erreicht das Wahlvolk und bringt ein paar Stimmen und/oder Spenden.