Remmel: „Die Jagd hat deutlich an Akzeptanz gewonnen“

„Keine Gesetzesvorhaben sind so intensiv diskutiert worden wie das Ökologische Jagdgesetz und das Naturschutzgesetz.“

Die Jagd hat unter den neuen Regeln deutlich an Akzeptanz gewonnen“

„Der Dialog mit dem Landesjagdverband wird fortgeführt.“

„Wir wollen die Schalenwildbestände wieder in Ordnung bringen und dem Niederwild helfen.“

Nordrhein-Westfalens grüner Umweltminister Johannes Remmel spricht im Interview mit Outfox-World über sein „Ökologisches Jagdgesetz“ und dessen Auswirkungen.

Johannes Remmel

Johannes Remmel

Johannes Remmel

Er ist das rote Tuch für die deutsche Jägerschaft. Er gilt als „regelungswütig“ und hat die größten Proteste heraufbeschworen, die deutsche Jäger je organisiert haben – NRW-Umweltminister Johannes Remmel. Gegen sein „Ökologisches Jagdgesetz“ wurden rund 120.000 Unterschriften gesammelt und mehrere Klagen beschäftigen die Verfassungsrichter. Knapp zwei Jahre nach Inkrafttreten des Landesjagdgesetzes in NRW haben wir dem Umweltminister die Möglichkeit zur unkommentierten Stellungnahme gegeben. Hier sind seine Antworten.

Herr Remmel, an welchen Punkten sehen Sie nach knapp zwei Jahren praktischer Erfahrung Verbesserungsbedarf?

Eine vernünftige Jagdausübung und Hege des Wildes sind in NRW weiterhin gewährleistet. Die Jagdbilanz des ersten Jahres belegt dies. Die Schalenwildstrecke liegt auf hohem Niveau und ist sogar noch angewachsen. Der Trend der Entwicklung bei der Niederwildstrecke wurde durch das Jagdgesetz nicht beeinflusst. Die Jagd in NRW hat unter den neuen Regeln an Akzeptanz in der Bevölkerung deutlich gewonnen. Ein Änderungsbedarf für die getroffenen Regelungen kann nach nur einem Jahr nicht seriös gefordert werden.

Sind unsere Jagdzeiten zeitgemäß oder sind auch hier Änderungen nötig?

Die neuen Jagdzeiten fußen auf der bisherigen Systematik und Klasseneinteilung. Die Jagdzeiten wurden hinsichtlich Lebensrhythmus der Wildarten und jagdlichen Belangen optimiert. Änderungsbedarf wird auch hier zurzeit nicht gesehen, zumal die unteren Jagdbehörden im Bedarfsfall (zum Beispiel beim Schwarzwild) Ausnahmen zulassen können.

Foto: Bernd Schälte/Bildarchiv des Landtags NRW
Foto: Bernd Schälte/Bildarchiv des Landtags NRW

Die einzelne Hegegemeinschaft und damit auch der einzelne Jäger hat mehr Verantwortung übertragen bekommen. Die Trennung der Jagd- und Fütterungszeit ist ein viel diskutiertes Thema. Wie fällt Ihr erstes Fazit dazu aus?

Eigenjagdbesitzer und Jagdgenossenschaften haben künftig ein Mitspracherecht in den Hegegemeinschaften. Auf diese Weise soll erreicht werden, dass Fragestellungen vor Ort besprochen und gelöst werden. Ich halte dies für den richtigen Weg. Aus den bisherigen Gesprächen in den Regionen kann ich ein hohes Maß der Bereitschaft von Grundeigentümern und Jägern an einer verbesserten Zusammenarbeit ablesen. Damit die bestehenden Hegegemeinschaften sich auch zügig organisatorisch neu aufstellen können, werden wir kurzfristig die Mustersatzung anpassen. Die Trennung von Jagd und Fütterung ist für mich vor allem eine jagdethische Frage. Mit der Fütterung soll dem Wild in der Notzeit geholfen werden. Dann sollte Schießen auch tabu sein. 

Kritiker werfen Ihnen vor, die Jägerschaft zu spalten. In Jäger im ländlichen und von der Landwirtschaft geprägten Raum und Jäger in den Mittelgebirgen. Die Bejagungsmethoden auf Prädatoren im landwirtschaftlichen Raum werden kritisiert, ebenso das Verbot der Abrichtung der Jagdhunde an der Ente. Wie sehen Sie diese Punkte?

Nordrhein-Westfalen ist ein großes Flächenland mit sehr unterschiedlichen Lebensräumen. Während in den Mittelgebirgen die Schalenwildbestände nach Kyrill in die Höhe geschnellt sind, schwinden in den Niederungen die Niederwildbestände, so dass mancherorts die Jagd auf Hase und Fasan nicht mehr durchgeführt werden konnte. Gemäß der Jagdbilanz ist auch die Fuchsstrecke angestiegen. Jagdmethoden wie Jagd auf den Naturbau oder in der Totschlagfalle werden nicht mehr angewandt, weil sie aus Tierschutzsicht problematisch sind. Bezüglich der Hundeausbildung wollen wir mit der Jägerschaft Ergebnisse der Ausbildungsmethoden prüfen. Bei der Hundeausbildung ist es nach wie vor Ziel, gut ausgebildete Hunde zu bekommen. Andere Bundesländer, wie Schleswig-Holstein, haben gezeigt, dass dies aber auch mit der flugfähigen Ente möglich ist. Aus Tierschutzsicht wollen wir diesen Weg beschreiten.

Während die Niederwildbesätze deutlich zurückgehen, steigen dagegen die Bestände und Strecken an Rot- Dam-, und Schwarzwild. Wie sehen Sie die Entwicklung der Artenvielfalt im Land? Sind die Energiewende und die intensive Landwirtschaft Schuld an dem Rückgang der Niederwildbesätze? Und wenn ja, wie will das Ministerium dagegensteuern?

Wir wollen die Schalenwildbestände wieder in Ordnung bringen und dem Niederwild helfen. Hierzu müssen wir in erster Linie bei den Lebensräumen ansetzen. Das Landesamt für Natur, Umwelt und Verbraucherschutz stellt hierzu entsprechende Untersuchungen an. Zusammen mit der Land- und Forstwirtschaft wollen wir nach Möglichkeiten suchen, Verbesserungen zu erreichen. Manchmal helfen schon kleine Maßnahmen, um auch dem Niederwild Rückzugsgebiete zu geben. Wenn beispielsweise das Mulchen für ein Jahr ausgesetzt wird. Ein konsequent durchgeführtes Greening mit Brachen und Grünstreifen würde die Situation in der Agrarlandschaft schon verbessern. Im Rahmen meiner Möglichkeiten werde ich mich dafür einsetzen.

In einigen Bundesländern reduziert der Wolf das Damwild und das Muffelwild gnadenlos. Der Luchs reduziert die Muffel- und Rehwildbestände beträchtlich. Müssen wir mit einem Verlust der Wildarten Dam- und Muffelwild rechnen, die vor Generationen angesiedelt wurden, und ist das gewollt?

Diese Frage ist für Nordrhein-Westfalen sehr hypothetisch: Die Vorkommen von Dam-, Muffel- und Rehwild sind so hoch wie noch nie. Zurzeit gibt es aber kein Vorkommen von Luchs oder Wolf. Die vereinzelt aufgetretenen Tiere haben keinen Einfluss auf die Population von Muffel- und Damwild gehabt. 

Foto: Tobias Bürger
Foto: Tobias Bürger

Es wird immer wieder von überhöhten Schalenwildbeständen gesprochen, die Schäden in Millionenhöhe am Wald anrichten bzw. auf den Agrarflächen. Glauben Sie, dass die Verbiss- und Schälschadensgutachten einen realistischen Überblick über die wirklichen Schalenwildbestände geben? Und wie können die Schäden eingedämmt werden?

Mit dem Ökologischen Jagdgesetz wurden in NRW Verbissgutachten eingeführt. Sie sollen den Einfluss des Schalenwildes auf die Waldverjüngung belegen, um damit eine fachliche Grundlage für den Dialog zwischen Waldbesitzern und Jägern sowie für die Abschussplanung zu erlangen, damit zeitnah Abhilfe geschaffen werden kann. 

Im Sieger- und Sauerland ist der Rotwildbestand dreimal so hoch wie geplant. Statt bei 1.500 Stück liegt dieser bei gut 4.500 Stück. Wer trägt eigentlich die Verantwortung dafür, dass nicht, dem § 1 des Bundesjagdgesetzes entsprechend, die Wildbestände angepasst wurden?

Dieses Phänomen gibt es nicht nur dort. Landes- und bundesweit sind die Rotwildbestände in den vergangenen zehn Jahren stark angewachsen. Offenbar gab es strukturelle Fehlentwicklungen. Im Ökologischen Jagdgesetz wurden die fachlichen Grundlagen für eine nachhaltige Bejagung deutlich verbessert.

Kritiker des Ökologischen Jagdgesetzes und des neuen Landesnaturschutzgesetzes werfen Ihnen vor, Politik über die Köpfe der Beteiligten hinweg zu machen. Wie nehmen Sie diese Kritik auf?

Ich nehme die Kritik sehr ernst, aber sie ärgert mich auch. Keine Gesetzesvorhaben sind so intensiv diskutiert worden wie das Ökologische Jagdgesetz und das Naturschutzgesetz. Allein: Im Vorfeld des Gesetzgebungsverfahrens zum Ökologischen Jagdgesetz hat es etwa 15 Besprechungen mit der eingesetzten Arbeitsgruppe gegeben. 

Kann in Zukunft das Zusammenspiel zwischen Politik, Land- und Forstwirtschaft, Waldbesitzern sowie den Jägern optimiert werden? Und wenn ja, wie wollen Sie das machen?

Ich hoffe, dass es wieder zu einem Dialog kommen wird – wie er bis 2013 bestanden hat. Auf der Fachebene gibt es in manchen Bereichen eine Zusammenarbeit, so zum Beispiel beim vom Landtag geforderten Monitoring. Ich stehe für alle Gesprächswünsche zur Verfügung. 

Wie und wofür wird die Jagdabgabe zukünftig verwendet?

Die Möglichkeiten für die Verwendung der Jagdabgabe sind im Jagdgesetz geregelt. Neben der Forschungsstelle für Jagdkunde und Wildschadenverhütung werden umfangreiche Maßnahmen daraus finanziert, die den Jägerinnen und Jägern wieder zugutekommen. Hierzu zählen Weiterbildungsmaßnahmen, Hundewesen, Lehrreviere, Wildforschungen, aber auch Maßnahmen zur Verbesserung der Lebensbedingungen des Wildes sowie die Förderung der Wildvermarktung. Der größte „Batzen“ wird in den kommenden Jahren in die notwendige Ertüchtigung der jagdlichen Schießanlagen fließen. Hier geht es um einen zweistelligen Millionenbetrag. 

Mit dem Schutz wildernder Katzen haben Sie das Ökologische Jagdgesetz medienwirksam darstellen können. Was sagen Sie den Tierheimen, die zurzeit mit der Vielzahl an abgegebenen Katzen zu kämpfen haben und dadurch massive Finanzierungsprobleme haben?

Das Problem der Freigängerkatzen bestand schon vor der Gesetzesnovelle. Das Abschießen von Hauskatzen hat hierzu nicht die Lösung gebracht. Verbesserungen wollen wir erreichen durch Aufklärung, Zuschüsse für Kastrationen sowie durch eine vernünftige Steuerung von Freigängerkatzen. Hierzu haben zahlreiche Kommunen bereits Regelungen erlassen. 

Die Auswilderung der Wisente im Siegerland wird kritisiert, da es keine Auswilderungsgenehmigung im jagdrechtlichen Sinne gab. Wie sehen Sie die Wisentauswilderung aus heutiger Sicht?

Die Wisentauswilderung ist ein bedeutendes Artenschutzprojekt, weil es nirgends sonst in Mitteleuropa freilaufende Wisente gibt. Ob eine jagdrechtliche Genehmigung erforderlich war, ist rechtlich umstritten. Weil es sich um ein laufendes Verfahren handelt, sollte man die Entscheidung des Gerichtes abwarten. Ich persönlich begrüße das Vorhaben einer freilaufenden Wisentherde.

Man hat den Eindruck, dass derzeit Funkstille zwischen Ihnen und dem Landesjagdverband besteht. Findet denn kein Dialog mehr statt?

Der Dialog mit dem Landesjagdverband wird fortgeführt. So wurde beispielsweise eine Vereinbarung über die Fortführung der Erhebungen zu den Rebhuhnvorkommen abgeschlossen. Weiterhin wurden Absprachen über die Durchführung des Schießnachweises und der Brauchbarkeitsprüfung von Jagdhunden getroffen. Die Volksinitiative überlagert in der öffentlichen Wahrnehmung alle anderen Punkte. Bei genauer Betrachtung ist es so, dass bei allen Unterschieden in der Diskussion manche Fragestellung nur gemeinsam einer vernünftigen Lösung zugeführt werden kann. Daran will ich auch festhalten.

Wie verträgt sich die Rekordverschuldung des Landes NRW eigentlich mit pompösen Dienstwagen der Minister? Sie dürfen sich ja gerade über einen mehr als 400 PS starken Tesla für gut 110.000 Euro freuen.

Das ist nicht mein persönlicher Dienstwagen. Das Landesumweltamt testet den Tesla im Rahmen eines Pilotversuchs bei verschiedenen Fahrvarianten. Es war das einzige E-Modell am Markt, das Reichweiten von rund 500 Kilometer garantiert und eine Schnellladung innerhalb einer halben Stunde ermöglicht. Die deutschen Hersteller sind nicht in der Lage dazu. Zu den Kosten: Die bei anderen Herstellern üblichen Leasingangebote wären beim Tesla für das Land unwirtschaftlich gewesen. Der Kaufpreis liegt umgerechnet aber im Rahmen dessen, was im Fuhrpark der Landesregierung auch sonst für Oberklasse-Limousinen veranschlagt werden muss. 

Was wünschen Sie sich für das Wahljahr 2017?

Dass wir unsere erfolgreiche Arbeit fortsetzen können.