München: Der Ruf nach Konsequenzen
Zur Nacharbeit von spektakulären Gewaltverbrechen gehören akribische Ermittlungen, deren Ergebnisse in der Regel erst nach Monaten und zum Teil auch erst nach Jahren vorliegen. Aber die öffentliche Meinungsbildung wird heute zunehmend von den sogenannten sozialen Medien und ihrer Schnelligkeit zur Eile getrieben. Wer sich nachdenklich zurücklehnt und sich in Ruhe sein Urteil bildet, der könnte durchaus auch auf die Idee kommen, den Begriff „sozial“ als Wortbestandteil solcher Medien nach seiner Berechtigung zu hinterfragen.
Die Amokläufe von Erfurt und Winnenden haben den Anstoß gegeben, das deutsche Waffengesetz zu verschärfen. Ziel war es, den Missbrauch von Waffen einzuschränken. So wurden die Vorschriften zur Aufbewahrung legal erworbener Waffen deutlich strenger. In derselben Konsequenz müsste jetzt nach der verheerenden Tat von München an der Quelle angesetzt werden, aus der das Mordinstrument kam – dem Schwarzmarkt. Dabei sollte es vor allem auch um die Auslöser eines Verhaltensmusters gehen, das als Bedrohung den Schusswaffen nicht nachsteht: Nachahmungstaten sind eine Zeiterscheinung, die von den Netz-Medien ganz offensichtlich rasant gefördert wird.
Damit sind wir beim Thema Internet und Regelungsbedarf. Geboten ist nicht nur Abwehr des kriminellen Waffenhandels im sogenannten Darknet. Auch die Bastelanleitungen für Sprengsätze sind unerträglich, wie so vieles mehr in diesen Tauschbörsen in einem geschlossenen Kreis voller krimineller Energie. Die Wirkung entsprechender Spiele, die zur virtuellen Gewalt anhalten, gehört ebenso in solchen Kontext, weil mitunter anfällige Nutzer aus einer mörderischen Scheinwelt in eine gewalttätige Wirklichkeit der Amokläufe wechseln könnten.
Insofern ist es einfach kurz gesprungen, wenn immer wieder auf das Waffengesetz verwiesen wird, mit dem der legale Waffenbesitz in Deutschland ohnehin schon streng geregelt ist, im europäischen wie auch im internationalen Vergleich. Wenn es um den legalen Umgang mit Waffen geht, darf es aus Sicht der Pauschalkritiker ruhig noch strenger werden. Aber der pauschale Hinweis auf eine in Deutschland so nicht – wie etwa in den USA – existente Waffenlobby wird schnell zum Scheinargument, das jede sachliche Debatte behindert. So wird in den Hintergrund gedrängt, worum es eigentlich geht – um Mord und Massenmord.
Statt sinnvoller Debatte wird eine Gespensterdiskussion geführt. Der Datenschutz wird zum Synonym für das Gute in der Welt, obwohl er auch Kriminelle schützt, der Waffenbesitz steht generell für das Schlechte, obwohl nur Unbescholtene Waffen erwerben dürfen. Dabei sind das Internet und die boomenden Netzwerke auf dem Weg, selbst zur Waffe zu werden, in letzter Konsequenz sogar tödlich.
Verantwortungsbewusste werden sich bei aller Hektik der Scheinwelt im Netz auf Regeln besinnen, deren Bestand für die wirkliche Welt unentbehrlich ist: Erst die möglichst vollständige und objektive Information, dann das gründliche Nachdenken, und dann erst ein Ruf nach Konsequenzen, der über den Tag hinaus bestehen kann. So hat das doch ganz gut funktioniert, bevor es Mode wurde, zunächst mal zu posten und – wenn überhaupt – erst danach das Gehirn einzuschalten.