„Liebe Politiker, sorgt dafür, dass Weidetierhalter endlich wieder beruhigt einschlafen können“

„Liebe Politiker, sorgt dafür, dass Weidetierhalter endlich wieder beruhigt einschlafen können“

„Schafft vernünftige Regelungen, die in der Praxis Bestand haben!“

Jens-Werner Dettmann, Initiator der Brandenburger Wolfsnachtwachen, im Interview mit outfox-world

Wolfsnachtwache
Wolfsnachtwache

Jens-Werner Dettmanns Forderung an die Politiker

Im Interview erzählt uns Jens-Werner Dettmann, Initiator der Brandenburger Wolfsnachtwachen, alles Wissenswerte über die Nachtwachen. Er erklärt, wieso diese Veranstaltungen notwendig sind, worin die Probleme der Landwirte mit den Wölfen bestehen und was er sich von der Politik erhofft.

Herr Dettmann, Sie haben Anfang Februar bereits die zweite Brandenburger Wolfsnachtwache in diesem Jahr organisiert. Was war für Sie der Auslöser, diese Aktion ins Leben zu rufen?

Seit der Rückkehr der Wölfe habe ich viele kritische Artikel zu diesem Thema veröffentlicht, die sich meistens um die stocknaiven Sichtweisen der spendenfinanzierten Büronaturschützer drehten. Sie behandelten die Probleme, die von den Wolfspatenschaftsverkäufern gerne verschwiegen wurden, uns aber in Zukunft noch lange beschäftigen werden.

Auf meiner Facebook-Seite „Freunde der Vogelwelt“, die mittlerweile knapp 4.000 Fans hat, erreiche ich viele Naturfreunde, Jägerinnen und Jäger, Landwirte, Weidetierhalter und auch Wolfsfreunde, die dort auf humorvolle, sarkastische und bissige Weise mehr über die Hintergründe und die Zusammenhänge der Wolfsthematik erfahren.

Daraus entwickelten sich auch viele langjährige Freundschaften zu den Menschen, die draußen mit ihren Tieren unsere Kulturlandschaft pflegen und erhalten, aktiv Bodenbrüterschutz betreiben und sicherlich mehr für den Artenschutz tun als den faulen Bettelnaturschützern bewusst ist.

Als mir meine Freunde, Britt und Frank, aus dem Oberspreewald neulich ein Wildkamerafoto schickten, das direkt an der Koppel entstand, auf der ihre Mutterkühe mit den erst wenige Tagen alten Kälbchen stehen, und auf dem zweifelsfrei ein Wolf zu sehen war, läuteten bei mir die Alarmglocken.

Die Idee, eine gemeinsame Wolfsnachtwache zu organisieren, bei der man nachts mit Freunden am Lagerfeuer direkt an der Koppel sitzt, um den hungrigen Wolf zu vergrämen, kam uns letztlich spontan bei einem kurzen Telefonat. Schnell verfassten wir einen Aufruf zum Mitmachen, hängten das Wolfsfoto aus der Wildkamera mit dran und veröffentlichten das Ganze auf unseren Facebook-Seiten.

Was passiert bei so einer Wolfsnachtwache und wen erhoffen Sie sich da zu erreichen?

Bei einer Wolfsnachtwache treffen sich naturinteressierte Menschen, diskutieren, manchmal auch sehr lebhaft, miteinander über den zunehmend ausartenden Artenschutz, erfahren wichtige Details in Sachen Herdenschutz, Förderanträge, lange Bearbeitungszeiten, Rissgutachten, Schadensausgleichszahlungen und, nicht zu vergessen, die artgerechteste Tierhaltungsform, die es gibt.

Da nun zunehmend auch die Medien kritisch über die Wolfsthematik berichten, findet man unter den Gästen beispielsweise auch Kamerateams und Journalisten von N24, Sat1, dem RBB, dem Deutschlandfunk und Reporter der regionalen Tageszeitungen, die in den Interviews mit den betroffenen Tierhaltern vollkommen neue Einblicke in die aktuelle Situation erhalten.

Das Echo auf unsere Aktionen war bisher recht positiv und machte die Missstände deutlich, mit denen unsere Landwirte zu kämpfen haben. Das Schöne daran ist aber auch, dass die Dorfbewohner zusammenkommen, gemeinsame Strategien entwickeln und nächtliche Streifenfahrten zu den besonders gefährdeten Tieren organisieren.

Wie haben Sie die Veranstaltungsorte ausgewählt? Sind die Landwirte auf Sie zugekommen?

Die Wolfsnachtwachen dienen in erster Linie auch der aktiven Vergrämung und verhindern somit nächtliche Übergriffe auf Weidetiere, ergo finden sie dort statt, wo die Wölfe zugeschlagen haben oder in Fotofallen an den Koppeln getappt sind. Bei der zweiten Brandenburger Wolfsnachtwache boten wir einem anderen Landwirt also an, die kreative Form der schmerzfreien Wolfsvergrämung an der Koppel zu veranstalten, an der die Wölfe jüngst eine Färse gerissen hatten. Betroffene Landwirte können uns übrigens jederzeit um Unterstützung bitten.

Wie war die Beteiligung bei den letzten beiden Wachen? Waren Sie zufrieden?

Da die erste Brandenburger Wolfsnachtwache sehr spontan beschlossen wurde, wir also auch nicht sehr viel Zeit für die Verbreitung des Aufrufes hatten, erschienen etwa 25 Leute an der Koppel von Britt und Frank, was der Sache aber keinen Abbruch tat, denn die Menschen hatten sehr viel Spaß und der Wolf tauchte bisher nicht wieder dort auf. Da ich selbst zu diesem Zeitpunkt in Schweden unterwegs war, hielten mich meine Freunde kurzerhand über Facebook auf dem Laufenden und posteten mir die ersten Fotos aus der kalten Nacht.

Die zweite Wolfsnachtwache, bei der ich dann auch live dabei war, lockte etwa 100 Leute aus den Häusern auf die Weide. Sie wurde nicht nur für mich zu einem sehr aufschlussreichen Erlebnis, da einige Wortmeldungen in Richtung der Politik eine sehr klare und auch erschreckende Aussage beinhalteten. Nun ja, abgesehen von diversen politischen Geisterfahrten, bemerkte man eine gewisse Zuversicht bei vielen Beteiligten, mit dieser Aktion auch ein deutliches Zeichen an die verantwortlichen Behörden im Land gesetzt zu haben. Übrigens – alle Veranstaltungen laufen mit der tatkräftigen Unterstützung des Bauernbundes Brandenburg.

Was sind Ihre Forderungen an die Politik?

Ganz einfach: Liebe Politiker, kommt zur nächsten Brandenburger Wolfsnachtwache, redet mit den vom Wolf betroffenen Menschen und schafft danach vernünftige Regelungen, die in der Praxis Bestand haben, schnell und unbürokratisch über die Bühne gehen und dafür sorgen, dass Weidetierhalter endlich wieder beruhigt einschlafen können und sich nicht eine Nacht nach der anderen um die Ohren schlagen müssen, um ihre Tiere zu bewachen! Tut etwas für den Erhalt der Weidewirtschaft im Land!

Das Verschwinden der Weidetierhaltung bedeutet nämlich auch gleichzeitig den Verlust vielfältigster Lebensräume, die den zunehmenden Artenschwund noch stärker vorantreiben würde. Wiedehopf, Lerche, Grauammer, Storch und viele andere Wiesenbesucher brauchen jetzt Eure Hilfe!

Herr Dommel, der Landwirt, auf dessen Grundstück die letzte Wolfswache stattfand, kritisierte in seiner Eröffnungsrede einen hohen Bürokratieaufwand für Landwirte. Auf was genau bezieht sich diese Kritik? Wo liegen da die großen Probleme? Und haben Sie konkrete Verbesserungsvorschläge?

Wer den nervigen Papierkrieg mit unseren Behörden kennt, versteht nicht nur den Frust von Herrn Dommel, sondern auch den der vielen anderen betroffenen Tierhalter.
Ein Antrag auf Fördermittel ist ein kompliziertes Machwerk, das mit seinen 25 wundervoll ausformulierten Seiten wohl selbst einen wahren Profi zur Verzweiflung bringt. Ganz zu schweigen von den fünf Anhängen, die im feinsten Beamtendeutsch das Leserherz erfreuen.

Was das Ganze noch zusätzlich erschwert, sind Auskünfte von der Hausbank, eine naturschutzfachliche Stellungnahme der Naturschutzbehörde, Nachweise über Pachtverträge, die Flächenverfügbarkeit und die tolle Regelung, sich von drei unterschiedlichen Dienstleistern, bzw. Zaunherstellern, Angebote einholen zu müssen. Da geht viel wertvolle Zeit flöten. Zeit, die wir in Wolfsgebieten gar nicht haben, denn Wölfe sind clevere Opportunisten und sie nutzen daher jede sich ihnen bietende Gelegenheit, um an leichte Beute zu kommen. Wenn man sich weitere „Problemwölfe“ schaffen möchte, ist man mit den derzeitigen Bearbeitungszeiten für Fördermittel also auf dem besten Weg.

Mein Vorschlag wäre, schnellstmöglich eine Art Soforthilfetruppe ins Leben zu rufen, die nicht nur mit den richtigen Arbeitsgeräten ausgestattet wird, sondern auch mit den nötigen Finanzen, um die dringend benötigten Herdenschutzzäune in kürzester Zeit zu errichten. Wenn unsere Umweltministerin mal eben 1,6 Millionen Euro verpulvert, nur um eine fragwürdige Plakataktion mit platten Sprüchen gegen die konventionelle Landwirtschaft zu finanzieren, und man sich in Niedersachsen mal eben einen „Wolfsrettungsanhänger“ für stolze 10.000 Euro anschafft, ist ja anscheinend genügend Geld vorhanden, also warum sollte man dann beim echten Artenschutz sparen?!

Gibt es auch positives Feedback von Landwirten aus anderen Bundesländern? Meinen Sie, dass dort bald auch ähnliche Aktionen stattfinden werden?

Wir bekommen viele Mails, Nachrichten und Anrufe aus ganz Deutschland, die alle den gleichen Tenor haben und unsere Initiative begrüßen. Dass unsere Aktion Schule macht und sich auch in anderen Regionen viele Menschen versammeln, um in der Nacht das Vieh zu bewachen, wünschen wir uns sehr!

Wollen Sie weitermachen? 

Es vergeht doch kein Tag mehr, ohne Meldungen über erneute Wolfsrisse – natürlich machen wir weiter!

Über Jens-Werner Dettmann

Der 46-jährige Jäger arbeitet als Fernfahrer in Skandinavien, wo er schon seit vielen Jahren miterlebt, wie sich die Beziehung zwischen Wolf und Mensch entwickelt. Seine Freizeit gehört nicht nur der Jagd, sondern auch der Naturfotografie und dem Schutz der letzten Brutplätze der heimischen Seeschwalbenarten. Vor seinem Austritt aus dem Nabu betreute er einige Küstenvogelschutzgebiete. Er lebt an der Oder bei Hohensaaten.