Kein Bock auf Abschusspläne

Kein Bock auf Abschusspläne

Beim Schalenwild-Management bewegen sich Forstbeamte auf einem schmalen Grat. Der Abschuss der dreifachen Jahresstrecke auf einen Schlag sorgt zwischen Jägern des BJV und des ÖJV für Streit.

Rehbock im Feld
Rehbock im Feld

Dass es Forstbeamte mit den Abschussplänen nicht so genau nehmen, kommt vor. Beim konkreten Fall aus Bayern erübrigt sich jeder Kommentar, der ÖJV-Landesvorsitzende und seine rechtliche Wertung sprechen für sich.

Die Fakten: Im bayerischen Staatsjagdrevier Edelmannsberg (151 Hektar groß) sind laut Abschussplan jährlich 22 Stück Rehwild zu schießen. Das war letztes Jahr schon nahezu erledigt, als das Forstamt zum 12. Januar dennoch zur großen Drückjagd einlud. Ergebnis: 61 weitere Rehe auf der Strecke, also nahezu der gesamte planmäßige Abschuss für drei Jahre – an nur einem Tag.

Das bayerische Jagdgesetz erlaubt Überschreitung der Jahresstrecke um bis zu 20 Prozent, in Ausnahmefällen bis 30 Prozent. Mehr ist nicht erlaubt, sondern eine mit Strafgeld bewehrte Ordnungswidrigkeit. Entsprechend groß war die Empörung der Jäger, nicht nur vor Ort, sondern auch beim Landesjagdverband in München. Präsident Jürgen Vocke: „Ohne ersichtlichen Grund, weit abschweifend von dem festgelegten Abschussplan, wird auf unser heimisches Rehwild geschossen ohne Rücksicht auf Geschlechterverhältnis, Altersstruktur oder Wissen um Bestandszahlen.“

Vocke weiter: „Wenn man als Betrieb des Staates, der einen Vorbildcharakter auch im Bereich der Bejagung für sich in Anspruch nimmt, so respektlos mit dem Wild und festgelegten Vereinbarungen umgeht, muss man sich kritische Nachfragen gefallen lassen.“

Präsident Wolfgang Kornder vom Konkurrenzverein ÖJV (860 Mitglieder in Bayern) sieht das ganz anders: „Statt Tadel bleibt eigentlich nur Lob für eine solche sauber organisierte und tierschutzgerecht durchgeführte Jagd, mit der absolut rechtskonform Artikel 1 unseres bayerischen Jagdgesetzes umgesetzt wurde.“

Dort heißt es: „Beeinträchtigungen einer ordnungsgemäßen land-, forst- und fischereiwirtschaftlichen Nutzung durch das Wild (sind) möglichst zu vermeiden, insbesondere soll die Bejagung die natürliche Verjüngung der standortgemäßen Baumarten im Wesentlichen ohne Schutzmaßnahmen ermöglichen.“

Interpretationsspielraum beim Jagdgesetz?


Kornder interpretiert gesetzliche Vorgaben zum dreijährigen Rehwild-Abschussplan so, dass es nicht grundsätzlich gesetzeswidrig sei, den gesamten Abschuss auf einen Sitz zu erledigen. Das bayerische Jagdgesetz verbiete „an keiner Stelle explizit die Erfüllung des Dreijahresabschusses in einem Jahr“.

Die Jäger in der Nachbarschaft des Staatsreviers Edelmannsberg widersprechen energisch: „Dem tatsächlichen Abschuss habe immer der ordnungsgemäße Antrag auf Erhöhung des Abschussplanes vorauszugehen“, erklärt Klaus Teufel, Vorsitzender des Jagdschutz- und Jägervereins Bamberg. Er erinnert dazu ebenfalls an Artikel 1 des bayerischen Jagdgesetzes mit der Verpflichtung, „einen artenreichen und gesunden Wildbestand in einem ausgewogenen Verhältnis zu seinen natürlichen Lebensgrundlagen zu erhalten“.

Wer richtig liegt, klärt sich womöglich in Mecklenburg-Vorpommern. Dort hat Agrarminister Till Backhaus (SPD-Mitglied und Jäger) die Einleitung eines Ordnungswidrigkeitsverfahrens eingeleitet, nachdem im Nationalpark Müritz auf einer Staatsjagd die geltenden Abschusspläne ohne Zustimmung der Hegegemeinschaft überschritten wurden. Den verantwortlichen Beamten drohen Bußgelder und womöglich sogar der Entzug des Jagdscheins.

Ein Blick in Bayerns Süden hätte zudem auch gereicht: Dort kassierte das Forstamt Oberammergau einen Bußgeldbescheid über 10.000 Euro. Statt 94 Stück Rotwild wurden 162 Tiere erlegt und das Landratsamt Garmisch-Partenkirchen verweigerte als Untere Jagdbehörde die nachträgliche Genehmigung der Überschreitung. Der Forstamtschef, lange Jahre Funktionär beim ÖJV in Oberfranken, wehrte sich erfolglos.