Jagd, Sex und Psychosen

Jagd, Sex und Psychosen

Auf diesen Geschenktipp haben Jagdgegner gewartet: Rechtzeitig zum Advent kommt eine Neuauflage des Pamphlets „Angst einjagen“ auf die Bücherladentische und in die Medienspalten. Kernbotschaft: Jagd ist sexuelle Gier.

Jäger im Revier
Jäger im Revier

Wäre da nicht der beginnende Medien-Hype, ließe sich der Aufguss bekannter Attitüden des schweizerischen Psychoanalytikers Paul Parin getrost direkt zu den Akten legen – wie das schon mit der Erstauflage aus dem Jahr 2003 passierte: Bestseller sehen anders aus.

Die Neuauflage kommt jedoch angeschärft daher. Zum Beispiel mit dem Untertitel „Licence for Sex and Crime“. Und mit zahlreichen Passagen, die noch den Lektoren der Erstausgabe zum Opfer fielen – vor allem, weil sie im Wortsinn zu sehr unter die Gürtellinie zielen. Kostprobe: „Das Jagdfieber gewährleistet hemmungslosen sexuellen Genuss und die Lust am Verbrechen.“ Beim Autor zumindest, der einer geneigten Leserschaft schon mal verrät, dass er nicht nur auf der Jagd, sondern auch beim Reiten gelegentlich zum Orgasmus kam.

Da erinnert der Psychiater, womöglich unfreiwillig, an den alten Psychiater-Witz, in dem der Patient zum Therapeuten sagt: „Sie können mir jedes Bild zeigen, ich denke immer an Sex.“ Immerhin hat Dr. Parin für seine Ergüsse den Internationalen Sigmund-Freud-Preis bekommen. Und jetzt auch noch posthumen Beifall aus der Tierrechtler-Szene.

Für alle Jäger, die beim Schießen eher ans Essen als an Geschlechtsverkehr denken, ist Zuspruch geboten: Ihr seid beileibe nicht allein – und vermutlich ganz normal veranlagt. Sogar jene von männlichem Geschlecht, dem in einem Nachwort der „Angst einjagen“-Neuauflage insgesamt nachgesagt wird, „dass vor allem Männer Gewalt um der Gewalt willen ausüben und daran Spaß haben“.

Dass letztere Unterstellung in einschlägigen Kreisen nebenbei Erklärungsnöte auslöst, ist der sonst höchst lobenden Buchbesprechung der „taz“ anzumerken. Dass auch immer mehr Frauen zur Jagd gehen, heißt es dort, habe wohl mit den Erfolgen der Emanzipation zu tun: „Die Jagd hat natürlich mit Macht zu tun, mit der Herrschaft des Menschen über die Natur. Aber mit der Forderung nach mehr Frauen in den Führungsetagen legen nun auch immer mehr Frauen die Jagdprüfung ab – und auf jagbares Wild an.“

Aus gleicher Feder erfahren wir dann auch noch, dass vom Füttern von Wildtieren vor allem deshalb abzuraten sei, weil die Viecher den Jägern (und den Jägerinnen!) so zur leichteren Beute werden. 

Ansonsten, ahnt die „taz“, sei die urbane Lebensweise von Wildschwein & Co. durchaus ein gutes Zeichen: „In Berlin darf man bei Strafe keine Wildtiere füttern – und sollte das auch nicht, denn sobald sie etwas weniger scheu werden, erschießt man sie. Aber ist das nicht ihre einzige Überlebensmöglichkeit – dass wir halbwegs friedlich mit ihnen zusammenleben? Die in die Städte eingewanderten Tiere bemühen sich doch bereits darum.“

Dazu fällt uns nur noch ein Satz des Psychoanalytikers und Ex-Jägers Paul Parin ein: „Seit meinen ersten Jagdabenteuern weiß ich: Jagd eröffnet einen Freiraum für Verbrechen bis zum Mord und für sexuelle Lust, wann und wo und von wem immer gejagt wird.“