Herdenschutz wird teurer

Herdenschutz wird teurer 

In Regionen mit dichtem Wolfsbesatz reichen die bisher als sicher geltenden Zäune offenbar nicht aus, um Weidetiere verlässlich vor den Raubtieren zu schützen.

Zwei Wölfe auf einer Wiese
Zwei Wölfe auf einer Wiese

In Sachsen kam jetzt auf, dass sogar ein 1,60 Meter hoher Festzaun versagt, wenn ein auf Schafe spezialisiertes Wolfsrudel angreift. Die „Sächsische Zeitung“ widmet sich hierzu ausführlich den Erfahrungen der Schäfers Martin Just aus Cunnewitz (wir berichteten), der bereits 64 Tiere an das dortige Rudel verloren hat.

Sicher ist: Schäfer Just hat zum Schutz seiner Weidetiere weit mehr getan, als in den Bundesländern mit Wolfsvorkommen bisher von den zuständigen Fachbehörden empfohlen wird. Der Festzaun um seine Weide ist 1,60 Meter hoch und offenkundig sicher gegen das gefürchtete Untergraben.

Dass Wölfe auch einen derart hohen und festen Zaun überwinden, straft frühere Einschätzungen Lügen: Anfangs galten sogar Höhen von gerade mal 120 Zentimetern als ausreichend sicher, dann 140 Zentimeter. Jetzt soll Just seinen Zaun zusätzlich für rund 4000 Euro mit einer stromführenden Litze obendrauf ertüchtigen.

Ob der vom Land Sachsen auch finanziell geförderte Versuch Erfolg hat, wird sich zeigen. Sicher ist: Der geplagte Schäfer ist nicht bereit, die übliche Vorfinanzierung für das Experiment zu übernehmen. Und er rechnet vor, dass die zusätzliche Ertüchtigung für alle seine Weiden rund 40.000 Euro kosten wird.

Obwohl Herdenschutz nach dem Cunnewitzer Modell wohl richtig teuer wird, ist man im zuständigen Umweltministerium guter Dinge: „Da die Qualität der Festzäune bei dem betreffenden Schäfer grundsätzlich gut ist, die Zäune noch langfristig stehen bleiben sollen und weil Wölfe bisher die Zäune nicht untergraben, sondern diese nur durch Überspringen oder Überklettern überwunden haben, wird hier der Versuch unternommen, mit einer stromführenden Litze das Überspringen zu unterbinden“, sagte ein Sprecher der Sächsischen Zeitung.

Nabu entdeckt die Sorgen der Schäfer für sich

Nebenbei: Inzwischen hat auch der Nabu nach einer Zeit der einseitigen Schuldzuweisungen gegen die Tierhalter sein Herz für die Wanderschäfer entdeckt. Der Natur- und Tierschutz-Verband protestiert in einem Offenen Brief gegen Pläne der neuen niedersächsischen Landwirtschaftsministerin Barbara Otte-Kinast, die dort geplante Weideprämie nun doch nicht einzuführen: „Diese Wanderschäfer sind für unsere Gesellschaft, für unsere Natur, für den Tourismus und für die regionale Wertschöpfung unverzichtbar. Sie leisten einen hohen Beitrag beim Hochwasserschutz an den Deichen, beim Naturschutz in den Heideflächen.“

Auch wegen der Frage, wie die Deichpflege durch Weideschafe und eine zugleich wachsende Wolfspopulation zusammengehen sollen, war im vergangenen Jahr die rot-grüne Regierungskoalition in Niedersachsen geplatzt. Jetzt regiert die SPD nicht mehr mit den Grünen, sondern mit der CDU und Ministerpräsident Stephan Weil hat bereits eine Wende bei der Wolfspolitik verkündet.

Und der Nabu hat erkannt: „Der tatsächlich nötige Aufwand wurde bisher regelmäßig unterschätzt. Auch bezüglich der Unterhaltskosten wirklich wolfssicherer Zäune …“

Womöglich haben die Bayern ja doch richtig gerechnet, als das dortige Landwirtschaftsministerium unter Nabu-Protest die Kosten für sicheren Wolfsschutz im Freitaat auf 327 Millionen Euro plus Folgekosten bezifferte (wir berichteten).