Gefährlicher Waffen-Boom: Das alles gibt es zu bedenken

Gefährlicher Waffen-Boom: Das alles gibt es zu bedenken

Waffen
Waffen

Die Deutschen bewaffnen sich. Was wir lesen, hören oder (fern)sehen, lässt bisweilen den Schluss zu, dass Köln und Düsseldorf der Wilde Westen der Republik werden. Doch kaum einer kennt die Fakten.

In Deutschland liegt das Gewaltmonopol prinzipiell beim Staat. Nur der Staat hat das Recht, im Notfall physische Gewalt gegen Menschen anzuwenden. Waffenbesitz zur Selbstverteidigung ist prinzipiell verboten. In Deutschland ist aber Bürgern, die keine Vorstrafe haben, unter bestimmten Voraussetzungen der Besitz von Waffen bzw. entsprechender Munition gestattet.

Nach dem Waffengesetz erlaubt der Waffenschein das Führen einer Waffe. Darunter versteht man das zugriffsbereite Verfügbarhalten einer Waffe außerhalb der Wohnung oder der eigenen Geschäftsräume.

Legale Waffenbesitzer gliedern sich in folgende Gruppen:

  • Jäger
  • Sportschützen
  • Sammler
  • sonstige Besitzer mit Bedürfnis (Sachverständige, gefährdete Personen etc.) und
  • Besitzer, die die Waffen noch vor den Waffengesetzen 1972 bzw. 1976 erworben (sogenannte „Altbesitzer“) oder ererbt haben – diese beiden Gruppen müssen kein waffenrechtliches „Bedürfnis“ nachweisen.

Die Zahl der legal im Privatbesitz registrierten Schusswaffen ist im vergangenen Jahr um mehr als 114.000 gestiegen. Insgesamt waren bis Ende November 5,807 Millionen Pistolen und Gewehre im Nationalen Waffenregister registriert und 985.160 Waffenbesitzer eingetragen.

Der große Waffenschein wird nur ausgestellt, wenn der darum Ersuchende bestimmte Voraussetzungen erfüllt und nachweisen kann, zum Beispiel dass er aufgrund seines Berufes „mehr als die Allgemeinheit durch Angriffe auf Leib oder Leben gefährdet ist und der Erwerb der Schusswaffe und der Munition geeignet und erforderlich ist, diese Gefährdung zu mindern“.  Weitere Voraussetzungen sind unter anderem ein Sachkundenachweis mit vorausgegangenem Lehrgang, Zuverlässigkeit, die persönliche Eignung sowie Volljährigkeit. Die waffenrechtliche Erlaubnis berechtigt zum Führen von erlaubnispflichtigen Schusswaffen.

Jäger dürfen, wenn sie im Besitz eines gültigen Jagdscheins sind, Jagdwaffen zur Jagdausübung ohne Waffenschein führen. Dem geht eine intensive Ausbildung zum Umgang mit Waffen und zum Waffenrecht voraus. In einer strengen staatlichen Prüfung muss der angehende Jäger nachweisen, dass er den Umgang mit Jagdwaffen in Theorie und Praxis beherrscht. Kleinste Fehler beim sorgsamen Umgang mit der Waffe führen zum sofortigen Abbruch der Prüfung. Die Prüfer haben keinen Toleranzspielraum.

Im Gegensatz zum großen Waffenschein ermächtigt der Kleine Waffenschein nur zum Führen von Schreckschuss-, Reizstoff- und Signalwaffen mit dem Zulassungszeichen der Physikalisch-Technischen Bundesanstalt (PTB), nicht jedoch zu deren Gebrauch. Er wird lebenslänglich ausgestellt, wenn die Voraussetzungen (Volljährigkeit, persönliche Eignung und Zuverlässigkeit) gegeben sind. Ein Sachkundenachweis ist nicht notwendig.

Der Kleine Waffenschein berechtigt nicht zum Schießen

Selbst wer einen Kleinen Waffenschein hat, darf seine Waffen bei öffentlichen Veranstaltungen wie Volksfesten, Sportereignissen, Messen, Ausstellungen, Märkten, Versammlungen, Demonstrationen, Theater, Kino, Fußballspielen und ähnlichen Veranstaltungen nicht mit sich führen. Der Kleine Waffenschein berechtigt nicht zum Schießen. Es gibt hiervon gesetzlich geregelte Ausnahmefälle (zum Beispiel Notwehr oder Notstand). Pauschale Aussagen, wann Notwehr vorliegt, sind allerdings schwierig. Hier werden im Zweifelsfall die Gerichte entscheiden.

Erwerb und Besitz von Schreckschuss-, Reizstoff- und Signalwaffen mit PTB-Zeichen bedürfen aber keiner Erlaubnis, es gilt das Mindestalter von 18 Jahren. Damit darf die Waffe ohne weiteres im privaten Umfeld zuhause oder auf dem eigenen Grundstück geführt werden. Wer eine der oben genannten Waffen führt, ohne im Besitz eines Kleinen Waffenscheins zu sein, begeht eine Straftat, die mit Freiheitsstrafe bis zu drei Jahren oder mit Geldstrafe geahndet wird.

Reizstoffsprühgeräte, die ein amtliches Prüfzeichen tragen, etwa Reizstoffsprühdosen, dürfen Jugendliche ab 14 Jahren erlaubnisfrei erwerben, besitzen und in der Öffentlichkeit führen.

Pfefferspray ist in Deutschland grundsätzlich völlig legal, wenn es klar als Tierabwehrspray gekennzeichnet ist. Durch diese Kennzeichnung und die Zulassung als Tierabwehrspray unterliegen diese Sprays in Deutschland auch nicht dem Waffengesetz. Pfeffersprays, die im deutschen Handel verkauft werden, sind grundsätzlich als Tierabwehrspray gekennzeichnet. Diese dürfen von jedem erworben, besessen und auch geführt werden.

Wenn nach Medienberichten die Anträge auf den Kleinen Waffenschein in die Höhe schnellen oder sich gar verdoppeln, lohnt ebenfalls ein Blick auf die Fakten.

In Köln gingen seit den Attacken der Silvesternacht 304 Anträge ein, wie das Polizeipräsidium mitteilte. Das sind drei Viertel der Anträge, die im gesamten Vorjahr gestellt wurden. 2015 wurden 408 Kleine Waffenscheine ausgestellt. Die Düsseldorfer Polizei verzeichnet zwischen acht und zehn Anträge pro Tag. Im vergangenen Jahr habe es insgesamt 1500 Anträge gegeben. Er gehe davon aus, dass das Interesse in den nächsten Wochen wieder sinke, erklärte der Pressesprecher. In Offenbach zum Beispiel ist die Zahl der Anträge indes nicht gestiegen.

Wie viele Anträge überhaupt genehmigt werden, ist noch nicht ersichtlich. Die Behörden werden sicher mit hoher Sensibilität die Anträge prüfen.

Nach der Silvesternacht steigen die Umsätze in den Waffengeschäften. Schreckschuss-, Reiz- und Signalwaffen gehen wie geschnitten Brot über die Ladentheken. Die Nachfrage nach Reizstoff- und Pfeffersprays kann kaum bedient werden. Wer denkt, dass nur die Deutschen etwas gegen ihre Ängste in der Hand haben wollen, irrt sich gewaltig. Migranten decken sich ebenfalls ein, weil sie Angst vor Übergriffen von Rechtsradikalen haben. Oftmals stehen Deutsche und Migranten an den Verkaufstheken Seite an Seite. Und ein Händler erklärte gar, dass es Umsätze gibt, die man gar nicht haben will.

Dabei denkt wohl kaum ein Mann oder eine Frau zu Ende, was es bedeutet, Waffen oder Selbstverteidigungssprays mit sich zu führen. Wer sich einmal durch den rechtlichen Dschungel gekämpft hat, wird feststellen, dass er sich schnell in der Verbots- oder Grauzone bewegt. Und kann man wirklich sicher sein, wie Gerichte entscheiden, wenn beispielsweise Pfefferspray tatsächlich in einer Abwehrsituation gegen Menschen eingesetzt wird?

Waffen in Laienhand: Im Ernstfall droht zusätzliche Gefahr

Viel schwerwiegender ist es, dass Waffen nur eine scheinbare Sicherheit bieten. Die Polizei sieht im Ernstfall eine zusätzliche Gefahr, wenn Laien sich bewaffnet haben. Im Gegensatz zu trainierten Beamten laufen bei den meisten Menschen keine automatisierten Handlungen ab. Schreckschusspistolen in einer Konfliktsituation erhöhen immer die Wahrscheinlichkeit, dass die Situation eskaliert. Was ist, wenn der Angreifer erkennt, dass sein Opfer gar nicht mit einer Pistole umgehen kann?

Nicht anders stellt sich die Stress-Situation beim Reizgas dar: Bekommt man die Dose schnell genug aus der Tasche? Wie wird sie entsichert? Wie weit geht der Sprühstrahl? Auch die Windrichtung spielt eine wichtige Rolle, wenn man sich nicht selbst k.o. sprühen will.

Bei allem Verständnis für den Wunsch, selbst etwas für seine Sicherheit tun zu wollen: Die Bewaffnung jedweder Art muss aus praktischen und rechtlichen Gegebenheiten heraus sehr kritisch hinterfragt werden und jeder ist gut beraten, sich vor dem Kauf und ganz besonders auch nach dem Kauf zu überlegen, was das für ihn persönlich für Konsequenzen haben kann.

Die Ansprüche an Waffenbesitzer sind in Deutschland sehr hoch. Die Jäger gehören zu dieser Gruppe und müssen sich, um das Recht, eine Waffe bei der Jagdausübung zu führen, von der Ausbildung bis zur Aufbewahrung an strenge Regeln halten. Bereits kleine Unachtsamkeiten oder ein unachtsamer Augenblick können zum Verlust des Jagdscheins führen.