Frösche im Eisfach: Wenn falsche Tierliebe tödlich endet

„Ich werde nie den Anruf einer älteren Dame vergessen, die uns an einem Herbsttag bat, 30 Marienkäfer abzuholen, damit sie ein warmes Quartier finden.“

Frösche im Eisfach: Wenn falsche Tierliebe tödlich endet

Der Nabu Oldenburg hat eine Liste von Anfragen veröffentlicht, die von skurril bis traurig reichen.

Nabu-Sprecher Rüdiger Wohlers

Frosch
Frosch

In Zeiten, in denen sich die Menschen immer mehr in digitalen Welten zuhause fühlen, wächst ihre Entfremdung von der Natur. Nicht nur denken viele Kinder bereits, Kühe seien grundsätzlich lila (wir berichteten). Auch Erwachsene legen Unkenntnis an den Tag – beispielsweise, wenn sie aus vermeintlicher Tierliebe ein Rehkitz aus dem Wald mitnehmen (wir berichteten hier und hier). Der Nabu aus dem niedersächsischen Oldenburg hat jetzt eine Liste abstruser Fälle veröffentlicht.

„Das Unwissen zu Wildtieren wächst enorm in Teilen der Bevölkerung“, berichtet Nabu-Sprecher Rüdiger Wohlers, der als Bezirksgeschäftsführer selbst viele Anfragen und Anrufe entgegennimmt. „Die Folge ist eine fast schon unglaubliche Vermenschlichung, die aus guten Motiven heraus an den Tag gelegt wird, aber die Tiere oft das Leben kosten kann.“

Wohlers nennt Beispiele: Während etwa früher noch erste besorgte Anfragen wegen untergewichtiger Igel im Dezember gekommen seien, habe es in diesem Jahr sogar schon am 14. Juli einen Fall gegeben. „Allen Ernstes berichten dann Anrufer, sie machten sich um freilaufende Igel wegen des ‚anstehenden Winters‘ Sorgen – purer Unsinn“, erklärt Wohlers. „Eine Anruferin hatte sogar schon mehrere Igel eingesammelt, und wir konnten sie nur mühsam dazu bewegen, diese schnellstmöglich wieder auszusetzen.“ Denn wer gesunde Igel einsammle, riskiere nicht nur ihren sicheren Tod, sondern verstoße sowohl gegen Natur- als auch Tierschutzrecht.

Als kurios empfand Wohlers auch einen weiteren Igel-Fall: Ein Mann berichtete, er habe „die richtige Jahreszeit verpasst“ und deshalb den Igel ein ganzes Jahr in seiner Veranda gehalten. „Wir reden dann oft mit Engelszungen, aber es ist schwierig, manche Menschen zu erreichen – sie haben Wildtiere aus ihrem Garten oder der näheren Umgebung völlig vermenschlicht und sehen gar nicht ein, dass sie ihnen schaden.“

Ein Mitarbeiter von Wohlers erhielt die Information eines Bürgers, er habe, in dem guten Willen, etwas für die Frösche in seinem Teich zu tun, diese herausgenommen und ins Eisfach seines Kühlschranks gelegt. „Was wie ein Aprilscherz klang, war bittere Wahrheit“, berichtet Wohlers. „Er fragte uns im späten Frühjahr, ob nun noch Fröste drohten, oder ob er sie aus der ‚Überwinterung‘ nehmen könne.“

Aber nicht nur Säugetiere und Amphibien stehen laut Wohlers im Mittelpunkt derartiger Anfragen – sogar Insekten sind mitunter betroffen: „Ich werde nie den Anruf einer älteren Dame vergessen, die uns an einem Herbsttag bat, vorbeizukommen und 30 Marienkäfer abzuholen, damit sie ein warmes Quartier finden.“ Sie selbst habe sie schon mehrere Tage am Fußende im Bett gehabt.

Fatal wirkt sich Wohlers zufolge falsch verstandene Tierliebe auch bei Vögeln aus: „Wenn im Frühjahr die Jungvogelsaison beginnt, werden allenthalben angeblich verlassene Jungvögel eingesammelt, in allerlei Behältnissen zu Auffangstationen gebracht, und oft hört man dazu: ‚Der rief ja ständig. Ich stand die ganze Zeit daneben.‘ Tatsächlich haben diese Tierfreunde, unwissend, dass halbflügge Jungvögel zu ihren Elterntieren Rufkontakt halten und weitergefüttert werden, diese ihren Eltern entzogen – oft ein Todesurteil.“

Der Nabu-Bezirksgeschäftsführer ruft dazu auf, „weniger Vermenschlichung und mehr Naturwissen“ auf die Tagesordnung zu nehmen. „Falls wirklich einmal ein Wildtier krank oder verletzt gefunden wird, sollten Tierarzt und anerkannte Auffangstationen benachrichtigt werden.“