Ein Wort an die Herrenjäger

Ein Wort an die Herrenjäger

Allein schon das Wort „Herrenjäger“ hat einige Leser sehr gestört an unserer Kritik zum Münster-Tatort „Fangschuss“. Anlass für unseren Autor, nochmal nachzulegen.

Münster-Tatort
Münster-Tatort

Auf der Jagd sind alle gleich, hieß es früher mal. Zumindest hier im Süden, aber auch in Friesland. Und von den Treibjagden im Münsterland kenne ich es auch nicht anders. Das Du gilt auch für „hohe Tiere“, die ziemlich oft am abgewetzten Rock zu erkennen sind und an den sehr gut eingelaufenen Stiefeln.

Von dem längst verstorbenen alten Herrn, der mich vor 40 Jahren zur Passion brachte, sind mir die herzzereißenden Szenen in Erinnerung, die folgten, wenn seine Frau den alten Janker in den Sack für die Altkleidersammlung stopfen wollte. Nein, Jagd ist keine Outdoor-Modenschau. Warum wegwerfen, was noch seinen Zweck erfüllt? Sogar glänzend.

Die Freunde, die dabei waren, erzählen noch heute die Geschichte über einen Jäger vom Bodensee, der es als Handwerksmeister ziemlich weit gebracht hatte. Seinen Bergstutzen aus Ferlach, feinstes Wurzelholz und güldene Intarsien auf den Schlössern, schleppte er im Lederkoffer bis hinauf zu Kanzel. Und da blieb das teure Teil auch noch drin, als auf der Lichtung bereits die ersten Hirsche riefen. Dann legte der schon etwas ältere Jungjäger das Glas zur Seite, breitete eine kuschelweiche Wolldecke übers Geländer, um den wertvollen Schaft zu schonen. Und öffnete dann erst den Koffer, was offenbar auch die Hirsche so seltsam fanden, dass sie das Weite suchten.

Seitdem heißen die Kameraden mit den Schrankwaffen bei uns Koffer-Jäger. Und im Nachhinein bin ich froh, dass ich mir zum Anfang nur gut gebrauchte Schießprügel leisten konnte. Die erste Ausnahme war eine feine Bockbüchsflinte zum Fünfzigsten. So richtig gut gefällt sie mir erst, seit die Spuren von bald zwei Jahrzehnten kräftigem Gebrauch deutlich zu sehen sind. Sie erzählt mindestens ebenso gut Geschichten wie eine Trophäenwand ohne fremde Federn.

Wer mag, soll mitleidig schauen, wenn ein alter Herr mit seinem noch älteren „Zielvier“ von Zeiss anrückt. Weiter, als das heute belächelte Glas taugt, wird er nicht schießen, wenn er die Jagd begriffen hat. Er wird bedauern, dass Teilmantel Rundkopf heute nur noch schwer zu kriegen ist, obwohl sich doch die Wildbretzerstörung in bemerkenswert geringen Grenzen hält. Und er wird sich wundern, wenn in Jäger-Runden laute Klage zu hören ist, wie schnell sich die geklebten Sohlen heute auch von Stiefeln auch renommierter Marken lösen. Zu Opas Zeiten waren sie noch zwiegenäht und nach einer Überholung beim Dorfschuster vom Gebrauchswert wieder wie neu.

Zu Beginn der siebziger Jahre des vergangenen Jahrhunderts lernte ich in Schweden John Guttke kennen, Biathlon-Olympionike bei den Innsbrucker Spielen von 1964. Auf Auerhahn führte er seine betagte Schweden-Mauser mit Militärschaft. Und nicht nur auf dem Schießstand, stehend freihändig, ließ er uns damit wie Statisten aussehen. So viel zum Thema, dass die Jagd schon allein durch den Waffenkauf ein Hobby für bessere Kreise sei. Erstens ist sie kein Hobby. Zweitens erlebe ich regelmäßig, dass sich Inhaber edler Schießprügel auf der Rauhfußhühnerjagd nach den ersten Fehlschüssern um meine abgegriffene Brünner Fox mit früher mal sehr preiswerter Leupold-Optik balgen.

Womöglich ist das wirklich Elitäre an der Jagd, dass Standesdünkel in guten Jägerkreisen keine große Rolle spielt.

Dass meine Kritik an der Tatort-Jagd auch dem falschen Eindruck galt, das Waidwerk sei ein Mittel zur Geschäftsanbahnung und die Eintrittskarte in bessere Kreise, hat weiteren Widerspruch geweckt. Wir haben schon mit veritablen Großgrundbesitzern von uraltem Adel die Berghütte ohne Nasszelle geteilt und auch mit DAX-Managern. Die meisten hatten nur einen wunden Punkt: Wenn einer dabei war, der versuchte, übers Geschäft zu reden. Oder über einen gut bezahlten Job für den missratenen Sprössling.

Womöglich ist das wirklich Elitäre an der Jagd, dass Standesdünkel in guten Jägerkreisen keine große Rolle spielt. Dafür haben unsere Urgroßväter noch bis in die Weimarer Zeit gekämpft. Um im Nationalsozialismus und auch im realen Kommunismus zu erleben, dass die Passion erneut zu jenem Bonzen-Hobby wurde, das Jagdgegner bis heute so gerne weiter als Feindbild hätten.

Das Schlimmste am Münster-Tatort war die Pflege solcher Vorurteile. Als Ausweich-Spielplatz für Leute, denen Golf zu „prollig“ geworden ist, taugt das Waidwerk aber nicht. So wahr drei Wochen und ein praller Geldbeutel nicht reichen, um ein Jäger zu werden. Nichts gegen Kompaktkurse, aber das wirkliche Jäger-Leben beginnt nach der Prüfung.