Der Tanz ums grüne Kalb

Der Tanz ums grüne Kalb

Über Landflucht, „Grüne Energie“, sich ändernden Zeitgeist und mehr Ehrlichkeit in der Politik 

Demonstration im Rahmen von „Fridays for Future“ (Symbolbild: Dominic Wunderlich)
Demonstration im Rahmen von „Fridays for Future“ (Symbolbild: Dominic Wunderlich)

Die Zeichen verdichten sich, dass die Grünen den nächsten Bundesumweltminister stellen werden. Aber keine Panik: Schlimmer als unter der amtierenden Ressortchefin Svenja Schulze kann es für Landwirte und Jäger kaum kommen. Sie werden Sündenböcke einer grün-rot-schwarzen Wählermehrheit bleiben, die den Planeten retten will. Aber möglichst nicht auf Kosten des persönlichen Wohllebens.

Da ist ein „Kanzlerkandidat der Herzen“, der Bäume umarmt und zugleich duldet, dass im schönen Bayern der Natur Gewalt angetan wird. Zum Beispiel mit riesigen Flutpoldern entlang der bayerischen Donau. Oder mit einem Wasserkraftwerk im europäischen FFH-Schutzgebiet am malerischen Flüsschen Loisach, einem der letzten einigermaßen intakten Fließgewässer nördlich des Alpenhauptkamms.

Bei den Donau-Poldern geht es um den Schutz von Siedlungen, die der Mensch in die natürlichen Überschwemmungszonen hineingebaut hat. Und um Wildtiere, die jämmerlich ertrinken, wenn die Polder volllaufen. In der Loisach geht es um einen höchst selten gewordenen Lebensraum mit intakten Strukturen, nicht nur für Fische, sondern auch für allerlei Kleingetier. Zum Beispiel für Insekten, denen Bayerns Wähler eben erst ein überaus erfolgreiches Volksbegehren gewidmet haben.

Solche Beispiele sind symptomatisch. Nicht nur in Bayern erregt sich der Zeitgeist, weil Windräder Insekten und Vögel töten. Dabei bleibt unbeachtet, dass die „Grüne Energie“ Wasserkraft ganze Nahrungsketten dauerhaft zerstört. Zugleich sorgt sich der umweltbewusste Teil der Menschheit um die Strahlenlast durch Überlandleitungen – und bemerkt dabei nicht, dass selbst in Teilen der Öko-Szene eine Renaissance der Kernkraftwerke kein Tabu mehr ist.

Sogar die schwedische Klimaschutz-Ikone Greta hat schon laut über die Klimafreundlichkeit des Atomstroms nachgedacht. Um von ihrer Fan-Gemeinde postwendend zurückgepfiffen zu werden. Dass Greta die wohl teuerste Atlantiküberquerung der Neuzeit absolvierte, sorgte in solchen Kreisen hingegen kaum für Erregung. Die Zahl der Transatlantik-Flüge hat aber erst ein Virus reduziert. Was durchaus als Gegenwehr einer geschundenen Natur verstanden werden kann.

Dennoch sorgt sich die Szene lieber um den Schadstoff-Ausstoß von Nutztieren. Oder um das „Tierleid“, das Jäger ihrer Beute zumuten. Oder um die Bäume, an denen Reh und Hirsch knabbern, weil sie der Mensch auf ihren natürlichen Äsungsflächen nicht dulden mag, schon gar nicht in seinen Nutzholz-Plantagen. Was zu der grotesken Situation führt, dass Vulgär-Ökologie naturnahe Weidewirtschaft dem Wolf ausliefern will, weil die Raubtiere ja auch bei der Schalenwildbekämpfung helfen. Und beim Festhalten an der Illusion, dass Natur die Dinge von allein regelt.

Während Energie(!)-Maisanbau die Ökosysteme durcheinanderbringt, werden die Automobile immer schwerer und stärker. Als wäre es der wahre Sinn der Elektromobilität, PS-Orgien zu feiern – gegebenenfalls auch mit Atomstrom. Fürs gute Gewissen reicht ja die vegane Ernährung, gern mit Zutaten aus fernen Ländern und einem Transportaufwand, der jede CO2-Bilanz verhagelt und Dorfmetzger als die wahren Klimahelden erscheinen lässt.

Dass derlei am grünen Holz geschieht und unter den Fittichen einer unionsgeführten Bundesregierung, ist die ernüchternde Realität. Und Realpolitik, die sich wie in einem Kuckucksnest bevorzugt um die Schreihälse kümmert – und dabei zunehmend Raum lässt für die „völkische“ Konkurrenz und deren Sehnsucht nach einem Führerstaat. Statt es mal mit Ehrlichkeit zu versuchen. Mit der klaren Ansage zum Beispiel, dass großstädtische Lebensräume viele ihrer Probleme selber produzieren – bis hin zum Feinstaub, der in der Provinz real kein Thema ist (und auch keine Geschäftsidee).

Landflucht zu bekämpfen wäre da ein Zukunftsthema. Für ein Dasein mit kurzen Wegen. Und mit gelebter Naturnähe, die Kuhglockengeläut nicht als Ruhestörung wahrnimmt. Mit der Einsicht, dass Fliegen keine Plage sind, sondern Teil von Nahrungsketten. Gern auch auf einem selbst erlegten Sonntagsbraten mit Feldfrüchten vom Bauern nebenan, dem Homeoffice gleich überm Flur und mit Urlaub vor der Haustür. Grüner geht’s wohl nicht.