Der Einser-Hirsch soll nicht mehr zählen

Der Einser-Hirsch soll nicht mehr zählen

In Thüringen hat eine Debatte um zahlende Jagdgäste im Staatsforst begonnen. Der ÖJV-Präsident sieht darin sogar ein Verlustgeschäft.

Hirsche vor einem Hochsitz
Hirsche vor einem Hochsitz

Mitunter verkneifen wir uns Querverweise auf nichtzahlende Gastjäger, die im Staatsforst bei der Schädlingsbekämpfung von Rot- und Rehwild helfen. Aber was Thüringens oberster Öko-Jäger nun zum Thema Jagdtourismus von sich gibt, erschwert solche Zurückhaltung ungemein.

Schön der Reihe nach: Zum Monatswechsel meldete sich der Staatsbetrieb ThüringenForst mit dem als Erfolgsmeldung gemeinten Hinweis zu Wort, dass sich die Staatsreviere dort bei Jägern auch aus Bayern, Baden-Württemberg und Nordrhein-Westfalen großer Beliebtheit erfreuen. Immerhin kommt so ein Drittel der Schalenwildabschüsse in der Amtsbezirken durch zahlende Gäste zur Strecke und ein hübsches Sümmchen in die Staatskasse. Und so mancher Forstmann wird obendrein bei der blutigen Arbeit entlastet. 

Obwohl er in Forstwirtschaft studiert und promoviert hat und es zum Assessor brachte, will der Gründungspräsident des ÖJV-Landesverbands Thüringen auf solche Hilfe gänzlich verzichten. „Diese Art des Jagdtourismus ist aus unserer Sicht sehr ineffektiv“, klagt Matthias Hellmund in der Ostthüringer Zeitung. Zahlende Jagdgäste hätten nämlich oft nur die Trophäe im Blick und wollten nur kapitale Hirsche erlegen: „Das Wild wird beunruhigt und es passiert nichts für das Ökosystem. Das ist nicht der Sinn und Zweck der Jagd.“

Um dieser Entwicklung ein Ende zu machen, schlägt der momentan freiberuflich wirkende Forstmann („Wir ziehen lieber kräftig und heftig durch als lang und lasch“) die Abschaffung der Rothirsch-Klassen vor. Was sicher nichts damit zu tun hat, dass besonders wertvolle Tiere vielerorts geschont sind, wenn Forstleute und ihre unentgeltlich teilnehmenden Jagdgäste zur Reduktionsjagd antreten. Manchmal, aber natürlich nicht in Thüringen, werden die Stangen von Kapitalhirschen sogar zu Hosenknöpfen zersägt, um den Verdacht zu entkräften, dass es auch bei solchen Öko-Jagden um Trophäen gehen könnte.

Landesjagdverband Thüringen nennt Einlassungen des ÖJV-Präsidenten „verwunderlich“

Dass zahlende Gastjäger für so einen Lebenshirsch 6000 Euro und mehr hinblättern, weiß auch der Thüringer ÖJV-Präsident und sieht darin einen Grund dafür, dass mehr Rotwild durch die Wälder streift, als den Bäumen gut tut: „Thüringen ist eines der letzten Bundesländer, in denen die Güteklassen noch gelten. Wir hoffen sehr, dass das mit der Novellierung des Jagdgesetzes geändert wird.“ Überliefert ist immerhin, dass ein früherer bayerischer Forstminister Wutanfälle bekam, als er von einer „Dienstjagd“ mit Kapitaltrophäen erfuhr. Die teilnehmenden Beamten mussten seinerzeit Gams-Krucken und Geweihe abliefern, dem Gerücht nach sogar die auf der Pirsch verbrachten Dienststunden nacharbeiten. 

Der Landesjagdverband Thüringen nennt die Einlassungen des ÖJV-Präsidenten übrigens „verwunderlich“. Schließlich vertrete der Ökologische Jagdverband viele Forstbeamte, auch der höheren Besoldungsklassen. Und denen sei die Ertragsverbesserung durch zahlende Gäste durchaus von Nutzen. Dass die Kontrolle eines Rotwildbestands nur über den Kahlwildbestand möglich sei, relativiere zudem die Klagen über die Trophäenjagd. Und so habe Hellmunds Wortmeldung ein „G’schmäckle“.