Brauchen Jäger Facebook-Nachhilfe?

Brauchen Jäger Facebook-Nachhilfe?

In Österreich sollen Jäger zur „Image-Politur“ in Sachen Social Media geschult werden. Kann das die Lösung sein?

Jäger
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„Wenn Bilder von der erlegten Beute stolz im Internet präsentiert werden, ist der nächste Shitstorm nicht mehr weit“, weiß Michael Baumgartner vom Kärntner Jagdaufseherverband. Deshalb gibt er einem Bericht des ORF zufolge jetzt Fachvorträge zum Thema Jagd und Social Media. Darin sollen Jäger für den Umgang mit sozialen Netzwerken sensibilisiert werden.

Tatsächlich ernten Jäger regelmäßig Hass und Hetze, wenn sie beispielsweise Fotos ihrer Trophäen bei der Auslandsjagd posten oder mit ihrer Waffe posieren. Am eigenen Leib hat das jüngst Elia Schneeweiß erfahren (wir berichteten): Die Jägerin sah sich mit Hass-Kommentaren konfrontiert, nachdem sei ein Foto von einem erlegten Steinbock gepostet hatte. Dass bei der Jagd in Kirgisien alles mit rechten Dingen zugegangen war, interessierte den Social Media-Mob wenig – Nutzer drohten Schneeweiß mit Mord und Vergewaltigung. Knapp 50 Anzeigen schickten Schneeweiß’ Anwälte damals raus, da sie sich massiv bedroht fühlte (wir berichteten). Hätte Schneeweiß das selbst verhindern können, wenn sie das Foto gar nicht gepostet hätte? Brauchen Jägerinnen und Jäger Nachhilfe in Sachen Social Media, um künftig nicht mehr ins Trophäen-Fettnäpfchen zu treten?

Nicht weniger Trophäen, sondern mehr Alltägliches

Nach der Philosophie von Michael Baumgartner schon. Ihn stört dem Artikel des ORF zufolge die einseitige Darstellung der Jagd in sozialen Netzwerken: Nichtjäger würden immer nur sehen, dass die Trophäe im Zentrum steht. Viele Aspekte würden dabei jedoch ausgeblendet. „Wir glauben, dass es von Vorteil ist, wenn man auch Fotos von einer Alm oder einem Sonnenaufgang postet. Oder auch Fotos von lebendem Wild.“ Schließlich habe Jagd ja auch mit Arten- und Naturschutz zu tun.

Das klingt erst mal nach einem vernünftigen Ansatz. Aber reichen dafür Fotos von Sonnenaufgängen und Almen? Nun weiß man nicht, wie gut der ORF dem Kärntner Jäger zugehört hat, als es um das Thema Naturschutz ging. Wie wäre es denn mit einem gesunden Gleichgewicht aus Sonnenaufgängen, Trophäen und aktivem Naturschutz? Also der alltäglichen, ganz normalen Revierarbeit, in die Jäger einen großen Teil ihrer Zeit investieren? Wie wäre es damit, nicht weniger Trophäen, sondern mehr Alltägliches zu posten?

Das Alltägliche hat in sozialen Medien vermeintlich wenig Wert – aber es ist essentiell

Das Problem in sozialen Medien ist, dass das Normale und Alltägliche meist keine besondere Beachtung findet. Schließlich käme kaum ein Food-Blogger auf die Idee, ein Selfie beim Abwasch oder beim Gemüse-Schnippeln zu posten. Warum sollte man sich also beim Anlegen eines Wildackers ablichten lassen? Oder Fotos davon posten, wie man alljährlich den Wald von Farbeimern, Autoreifen, Kühlschränken und anderem illegal entsorgtem Müll befreit (wir berichteten)? Andererseits – warum eigentlich nicht? Ebenso wie der Abwasch und das Gemüse-Schnippeln beim Kochen gehören diese Dinge einfach zur Jagd dazu. Sie sind sogar essentiell. Ohne Gemüse kein fotogenes Ratatouille, ohne Hege keine Jagd.

Doch so wie der Food-Blogger keine Komplimente dafür verdient, dass er hinterher die Küche wieder aufräumt, werden Jäger im Netz nicht mit Lobpreisungen überschüttet werden, wenn sie einfach nur ihrer Passion nachgehen – und das erwartet auch niemand. Vor allem werden die normalen, alltäglichen Dinge niemals die gleiche Aufmerksamkeit generieren wie jene Posts, die ins Zentrum eines Shitstorms geraten.

Jede Trophäe erinnert an ein Jagderlebnis

Aber gerade solche Dokumente des Alltäglichen sind es, die dem Social Media-Kosmos ein realistisches Bild davon vermitteln können, was eigentlich alles hinter der Fassade steckt. Klar ist, dass der Trophäen-Schnappschuss ähnlich wie ein Urlaubsfoto die Erinnerung an ein besonderes Jagderlebnis ist. Doch wie viele Stunden oder Tage Vorbereitung hat es gebraucht, um dieses eine Tier zu erlegen? Wie viel Arbeit investiert man nach dem Schuss? Wie wird das Tier später weiterverarbeitet – und ist das nicht vielleicht nachhaltiger als das Supermarkt-Fleisch oder das Discounter-Leder? Welchen Nutzen hat es für das Ökosystem, wenn eine bestimmte Strecke erfüllt wurde?

Leider siegt in sozialen Medien meist die Einfachheit. Deshalb werden Inhalte, die an Gefühle wie Hass oder Wut appellieren, auch immer mehr Aufmerksamkeit erlangen als solche, für die Nachdenken und Empathie notwendig sind. Sich der Logik der sozialen Medien zu beugen und auf potenziell heikle Posts oder die Darstellung komplexer Zusammenhänge ganz zu verzichten, kann aber auch nicht die Lösung sein. Es muss möglich sein, seine Trophäe zu posten, ohne gleich Morddrohungen zu bekommen. Da hilft es, wenn Jägerinnen und Jäger wie Elia Schneeweiß demonstrieren, dass Facebook kein rechtsfreier Raum ist. Die Kommentatoren, die sie im Netz beleidigten und bedrohten, ernteten reihenweise Geldstrafen (wir berichteten).

Trophäen ja – aber auch Wildäcker, Frühjahrsputz und Kitzrettung

Gleichzeitig muss man jedoch auch an die Jäger appellieren, sich nicht davor zu scheuen, neben Waffen und Trophäen auch ihre nicht ganz so fotogenen Wildäcker in sozialen Medien zu posten. Ihren Frühjahrsputz (wir berichteten). Ihre Kitzrettungs-Aktionen (wir berichteten). Ihr Hundetraining. All die Ansitze ohne Jagderfolg. Die nächtliche Nachsuche nach dem Wildunfall. Die Rebhuhnkette, die sich im Revier dank einer konsequenten Raubwildbejagung und der engen Zusammenarbeit mit den örtlichen Landwirten wieder pudelwohl fühlt.

Letztlich wird man in sozialen Medien immer auf Menschen stoßen, die Bilder von Waffen und Trophäen abstoßend finden – damit muss man sich abfinden. Von daher ist der Ansatz von Baumgartner und seinen österreichischen Kollegen nicht ganz schlecht: Wenn man etwas ins Netz hochlädt, solle man sich fragen, was man damit erreichen wolle, was ein Nicht-Jäger darüber denke. Tatsächlich mag der Jagdkollege den geschossenen Steinbock beeindruckend finden – der Rest der Facebook-Gemeinde eher weniger. Jedenfalls dann, wenn es so aussieht, als wäre die Trophäe die einzige Motivation, überhaupt zu jagen. Jäger dürfen nicht müde werden, in sozialen Medien sichtbar zu machen, was Jagd außer Trophäen noch bedeutet. In vielen Foren und Jagdgruppen bei Facebook passiert das bereits – also gerne mehr davon!