Alle Jahre wieder Ärger ums Murmeltier

Alle Jahre wieder Ärger ums Murmeltier

Murmeltier
Murmeltier

Wo es viele von ihnen gibt, werden die Murmeltiere zur Plage. Vor allem für die Almbauern und ihre Tiere, weil sich Rinder und Pferde in den Murmel-Löchern die Knochen brechen. Einigen Tierrechtlern ist das offenbar egal. Sie klagen alle Jahre wieder gegen die Murmel-Schutzjagd in den Südtiroler Bergen (wir berichteten).

Sicher ist: Dort, wo die Bozener Regierung Ausnahmen vom sonst strengen Jagdverbot auf die putzigen Nager zulässt, sind Murmel keine aussterbende Art, sondern so reichlich, dass sie den Fortbestand der traditionsreichen Almwirtschaft gefährden. Die Höhlen, in denen die Tiere wohnen und auch ihren Winterschlaf halten, machen an solchen Standorten die Bewirtschaftung mit Maschinen nahezu unmöglich. Zahlreiche Almbauern geben deshalb auf, denn Handarbeit wäre zu teuer. Die für die Region typische Kulturlandschaft verschwindet.

Noch schlimmer, eigentlich auch für Tierfreunde: Alle Jahre wieder müssen Rinder mit dem Hubschrauber ins Tal geflogen werden – zur Notschlachtung, weil sie sich in den Höhlenlöchern die Beine brechen. Das trifft mitunter auch Pferde und sogar Menschen: Im bayerischen Allgäu musste ein Gleitschirmflieger auf den Operationstisch, weil er sich beim Landen in so einem Loch die Knochen brach.

Jetzt, da erneut eine Freigabe der Murmeljagd in Problemgebieten bevorsteht, versucht der italienische Tierschutzverband LAV („Liga gegen Tierversuche“) auch vor den Schulen mit Plakaten gegen die Ausnahmegenehmigungen zu mobilisieren: „Die Murmeljagd vertreibt die Touristen“, steht da sinngemäß zu lesen. Als wären Kuhglocken und Almwiesen nicht ebenso wichtig für die Bergurlauber. 

Letztes Jahr haben die Tierrechtler mit ihren Klagen die Murmeljagd zwar gestoppt, aber letztlich verloren. Sie mussten sogar die Prozesskosten bezahlen (wir berichteten) – wie bei ihren Klagen gegen die Fuchsjagd. Nach Ansicht der Richter haben die Behörden bei der Freigabe alle wichtigen Naturschutzaspekte berücksichtigt. Also die Jagd nur dort zugelassen, wo es reichlich Murmel gibt und schwere Schäden an wichtigen anderen Gütern drohen.

Der Südtiroler Bauernverband und die Jäger dokumentierten sogar Fälle von Lebensgefahr, auch für Touristen: Zum Beispiel, wenn Murmeltiere beim Höhlenbau die Fundamente von Seilbahnmasten unterhöhlen.

Südtirols Landesjägermeister Berthold Marx erinnert außerdem daran, dass Natur- und Tierschutzverbände bei den Ausnahmeregelungen mitreden durften: „Das Land hat wirklich alles gemacht, was die einschlägigen Landes- und Staatsgesetze vorsehen. Letztes Jahr haben wir zusammen mit dem Bauernbund die Schutzverbände zu einem Lokalaugenschein eingeladen. Dabei ist klar geworden, dass manche Vertreter der Tierrechtsverbände von ideologischen Standpunkten nicht abrücken.“

„Bergbauern sind Wähler. Murmeltiere nicht“

Im Herbst des vergangenen Jahres waren bereits 657 der 946 zur Jagd freigegebenen Murmeltiere erlegt, als die letztlich erfolglose Klage der Tierschützer die Jagd stoppte. Jetzt rechnen Experten mit ähnlichem Ausgang. Und auf Dauer hofft Jägermeister Marx, dass der Spuk ein Ende haben wird, weil Südtirol künftig die Jagd in eigener Regie regeln darf und wohl auch das generelle Murmeljagdverbot aufheben wird. Bisher war Rom die letzte Instanz, wo es bekanntlich keine Murmel gibt.

Agrarlandesrat Arnold Schuler, zuständig für die Jagd in der autonomen Provinz Südtirol, scheint jedenfalls entschlossen, die neuen Spielräume auszuschöpfen: „Die Murmeltierregulierung soll verhindern, dass die Pflege der wertvollen Almlandschaft aufgegeben wird.“ Der Abgeordnete der Südtiroler Volkspartei, ein gelernter Landwirt, steht wegen seiner jagdfreundlichen Haltung ohnehin im Visier vieler Tierrechtler: „Bergbauern sind Wähler. Murmeltiere nicht.“

Klar ist: Das Murmel ist in Südtirol nicht bedroht, sondern ebenso häufig wie in den Nachbarregionen Österreichs und der Schweiz, wo die großen Nager ganz normal dem Jagdrecht unterliegen. Streng geschützt sind sie aber auch in Bayern und Baden-Württemberg, was dort ebenfalls zunehmend zu Diskussionen führt. Zumal im Allgäu in den Zeitungen bereits von einer „Murmelplage“ die Rede ist. Und davon, dass der starke Anstieg der Greifvogelbestände das Problem eher noch verschärft: Aus Angst vor ihren natürlichen Feinden suchen die Murmeltiere verstärkt die Nähe des Menschen und graben ihre Höhlen schon mal unter Almhütten und Bergbauernhäusern.

Ganz nebenbei: Für die Gastronomie ist die Murmeljagd durchaus auch ein Wirtschaftsfaktor. Als erschwingliche Hochgebirgsjagd des „kleinen Mannes“ (Abschusskosten um 300 Euro) bringt sie spät in der Saison Touristen in die Bergregionen und den Jagdgästen Erlebnisse fast so spannend wie die (teure) Spielhahnjagd. Auch das darf in solchem Zusammenhang wohl noch gesagt werden.