Tierschutzskandal in Leer: NABU verharmlost Vergehen – Der Landkreis kontert

Veröffentlicht am 28.07.2023

„Ausreden unerträglich“: CDU-Landtagsabgeordneter Ulf Thiele fordert Rücktritt von Niedersachsens NABU-Chef Dr. Holger Buschmann

Heckrinder, nicht wadentief im Schlamm stehend, an einer Wasserstelle. (Symbolbild: Christian auf Pixabay)
Heckrinder, nicht wadentief im Schlamm stehend, an einer Wasserstelle. (Symbolbild: Christian auf Pixabay)

Die Beweidungsprojekte des NABU Niedersachsen mit Heckrindern und Wildpferden auf Flächen im Stadtgebiet von Leer sollen laut Anordnung des Kreises bis zum 30. September beendet werden. Zu viel Schlimmes war den Tieren dort widerfahren, als dass die Behörden das Treiben des Naturschutzbundes hätte weiter tolerieren können (wir berichteten). So wiesen mehrere Tiere einen nicht ausreichenden Ernährungszustand auf, einige hatten nicht die erforderlichen Ohrmarken; nach dem Tierseuchengesetz vorgeschriebene Blutuntersuchungen seien zudem nicht erfolgt. Auch bei der Beschaffenheit der Flächen und beim Entmisten traten Schwierigkeiten auf. Das Betreuungsmanagement war zuletzt mangelhaft, Tiere mussten eingeschläfert werden. In einer aktuellen Stellungnahme des Landkreises Leer vom Donnerstag (27.07.2023) heißt es dann auch: „Die Erfahrungen der letzten Monate lassen aus Sicht des Landkreises nicht erwarten, dass eine dauerhaft verlässliche und tierschutzgerechte Versorgung und Betreuung der Tiere gewährleistet werden kann.“

Initial für diese Stellungnahme war eine Erklärung, die der NABU Niedersachsen am Mittwoch (26.07.2023) im Anschluss an eine Pressekonferenz in Leer veröffentlichte – „NABU klärt über Weideprojekte in Ostfriesland auf – Landkreis Leer scheinbar nicht an lösungsorientierter Zusammenarbeit interessiert“ -, in der der Naturschutzbund Bezug auf Vorfälle rund um Beweidungsprojekte der „Landschaftspflege und Naturerlebnis gGmbH Ostfriesland“ (LUNO) nahm.

Dr. Holger Buschmann, Landesvorsitzender des NABU Niedersachsen, schilderte die bisherigen Ergebnisse der eigenen Recherchen sowie den aktuellen Zustand und gab eine Perspektive dazu ab, wie es mit den Projekten und Weideflächen in Zukunft weitergehen soll.

Ursache für die Abfolge der Geschehnisse sei eine auf dem Thedingaer Vorwerk umzusetzende Blutuntersuchung im Mai 2023 gewesen: „Infolge eines bedauerlichen Unfalles im Zuge dieser Maßnahme war ein Kalb auf den von der LUNO gepachteten Fläche am Thedingaer Vorwerk im Landkreis Leer schwer verletzt und aufgrund dessen von seinem Leid erlöst worden. Dass auch während der Aktion Fehler gemacht wurden, gesteht der NABU ein. Beispielsweise wurde aufgrund eines Kommunikationsfehlers zwischen der NABU-Landesgeschäftsstelle und den LUNO-Mitarbeitenden vor Ort das Veterinäramt nicht vor der Aktion informiert. Während die LUNO-Mitarbeitenden dachten, dass das Veterinäramt bereits von der Landesgeschäftsstelle informiert worden sei, dachte die Landegeschäftsstelle wiederum, dass das Veterinäramt bereits vor Ort sei.“

Dazu Dr. Holger Buschmann: „Eine ungünstige Personalsituation führte zudem dazu, dass die jahrelang Tierbetreuenden, die die einzelnen Tiere gut kannten, aufgrund eines plötzlichen Sterbefalles und Krankheit nicht zur Verfügung standen. Auch wenn erfahrene Personen vor Ort waren, ist der Umgang mit den Tieren nicht einfach und es bedarf eigentlich einer längeren Gewöhnungsphase, damit die einzelnen Tiere gut eingeschätzt werden können. Dazu kam, dass die Versorgungsplätze im Jahr 2022 entgegen allen anderen Jahren nicht abgeschoben und mit Sand aufgefüllt worden sind. Es stellte sich auch heraus, dass im Jahr 2022 am Thedingaer Vorwerk keine Blutprobenahmen durchgeführt wurden, die jährlich vorgeschrieben sind.“ Dr. Buschmann stellt klar: „Dem NABU Niedersachsen gelangte dies Anfang April 2023 zur Kenntnis, worauf sogleich Kontakt mit dem Veterinäramt des Landkreises aufgenommen wurde, um eine Fristverlängerung zu erreichen. Diese wurde aber abgelehnt und Ende April kam stattdessen die Anordnung des Veterinäramtes, dass die Blutuntersuchung bis zum 17. Mai durchgeführt werden müsse.“ Daran anknüpfend legte der NABU seine Sicht der Dinge dar, die nur anscheinend sehr wenig mit der Wahrnehmung anderer Beteiligter Akteure, wie dem Landkreis Leer oder auch dem Friesischen Verband für Naturschutz zu tun haben. Details können hier nachgelesen werden.

NABU „wundert sich“ über Friesischen Verband für Naturschutz und den Landkreis Leer

Daher wundere sich der NABU über den Friesischen Verband für Naturschutz und den Landkreis Leer: „Trotz der intensiven Aufarbeitung und Klarstellung der Situation vor Ort seitens des NABU Niedersachsen, trugen übertriebene Darstellungen und Falschbehauptungen des Friesischen Verbandes für Naturschutz (FVN) dazu bei, dass NABU- und LUNO-Mitarbeitende Anfeindungen ausgesetzt waren und illegale Aktivitäten in Form eines Gatteraufbruchs am Thedingaer Vorwerk, Drohnenflügen über den Weiden oder etwa Abladen von Heu- und Silageballen vor der NABU-Landesgeschäftsstelle stattgefunden haben. Trotz eines Aufrufs zu mehr Sachlichkeit nahmen die Vorwürfe und Anfeindungen nicht ab. Dies erschwerte die interne Aufarbeitung, welche ein Höchstmaß an personellen und finanziellen Kapazitäten beim NABU Niedersachsen erforderte, zusätzlich.

Nun wird vom FVN behauptet, Bodenproben in der Nähe der Weide genommen zu haben, welche eine hohe Belastung der Fläche mit Nährstoffen belegen sollen. Über die Qualität dieser Probenahmen kann keine Aussage getroffen werden. Weder ist bekannt, wo diese tatsächlich durchgeführt worden ist, noch ob dies fachlich korrekt geschehen ist. Darüber hinaus wird hier eine weitere fadenscheinige Aktion erkennbar, um dem NABU Niedersachsen mit unqualifizierten Behauptungen zu schaden“, heißt es in der Erklärung des NABU weiter.

Auch gegenüber dem Landkreis Leer wird versucht die Schuld von sich zu schieben

„Dr. Holger Buschmann zeigt sich diesbezüglich auch sehr enttäuscht vom Verhalten des Landkreises Leer in dieser außergewöhnlichen Situation. Bei den ersten Anordnungen wurde noch versucht, diese schnellstmöglich umzusetzen, obwohl die gesetzten Fristen in Teilen unmöglich einzuhalten waren. Mittlerweile sind Anordnungen erfolgt, die nach Auffassung des NABU Niedersachsen tierschutzwidrig sind und dem Tierwohl widersprechen. „Eine hier absolut notwendige gemeinsame und zielführende Zusammenarbeit und vor allem eine sachliche Darstellung der Umstände war mit dem Landkreis Leer und dem dazugehörigen Veterinäramt im Gegensatz zu der Stadt Leer nicht umsetzbar“, bedauert Dr. Buschmann. „Die Untere Wasserbehörde des Landkreises hat sich dagegen konstruktiv in die Umsetzung der Anordnungen eingebracht, nachdem klar wurde, dass einige Anordnungen nicht erfüllbar sind. Die erteilten Anordnungen erschweren mit ihren teils unerfüllbaren Maßnahmen oder viel zu kurzen Fristen nicht nur eine schnellstmögliche Umsetzung, sondern widersprechen sich in Teilen sogar.“

Zudem kommunizierte der Landkreis des Öfteren über Pressemitteilungen, ohne den NABU-Landesverband oder die LUNO vorab oder unmittelbar über die Äußerungen zu informieren […].“

Und weiter heißt es: „Aufgrund der Unerfüllbarkeit zahlreicher Maßnahmen in den fünf bisherigen Anordnungen sah sich der NABU Niedersachsen gezwungen, Klage gegen diese einzureichen“.

CDU fordert Rücktritt von NABU-Chef Buschmann

Laut BILD spricht dagegen der CDU-Landtagsabgeordnete Ulf Thiele spricht von „unerträglichen Ausreden des NABU.“ Er fordere den Rücktritt Buschmanns: „Zwei Rinder und mindestens zwei Konik-Fohlen sind verendet, Tiere sind unterernährt, gesetzlich vorgeschriebene Blutproben wurden nicht genommen. Eine gigantische Mist- und Müllhalde wurde über Wochen nicht entsorgt“, zitiert BILD Thiele weiter.

Landkreis Leer weist Vorwürfe des NABU zurück: Schilderung des NABU beschreibt nicht annähernd die Situation, die tatsächlich vorgefunden wurde

Auch der Landkreis Leer weist die Vorwürfe, die der NABU-Landesvorsitzende Buschmann am Mittwoch gegen die Behörde erhoben hat in einer Stellungnahme vom Donnerstag (27.07.2023) entschieden zurück und stellt fest:

„Der Nabu spricht davon, „ein Vorfall“ habe zu diversen Anordnungen durch den Landkreis geführt. Bei diesem „Vorfall“ handelte es sich um eine zuvor versäumte, tierseuchenrechtlich vorgeschriebene Blutuntersuchung, die der Nabu im Mai auf der Fläche Thedingaer Vorwerk nachholen wollte.Entgegen der Absprache mit dem Landkreis war das Veterinäramt nicht informiert worden. Als eine Amtstierärztin dann doch durch den Tierarzt vor Ort herbeigerufen wurde, musste sie feststellen, dass die Situation vor Ort außer Kontrolle zu geraten drohte. Denn die in einer Fangaktion zusammengetriebenen Rinder, die nicht mehr an Menschen gewöhnt waren, standen unter großem Stress und wurden zur Gefahr für sich selber und für andere. Der Boden war auch nicht nur „glitschig“, wie vom Nabu behauptet, vielmehr standen die Tiere in wadentiefem Morast. Um die Tiere zu schützen, ordnete die Amtstierärztin an, die Aktion abzubrechen. Ein verletztes Tier wurde gerade nicht „sofort“ von einem Tierarzt in Augenschein genommen, da dieser gar nicht mehr anwesend war, sondern am nächsten Tag vom Tierarzt erlöst. Die Schilderung des Nabu beschreibt nicht annähernd die Situation, die tatsächlich vorgefunden wurde.Ursache für die dann folgenden Anordnungen des Landkreises war nicht dieser eine „Vorfall“, sondern die Feststellung, dass es bei der Betreuung und Versorgung der Herde eine ganze Reihe von Mängeln gab, die auf gravierende Mängel im Management hinweisen.

Aussagen, dass Rinder und Pferde – bis auf drei Tiere – in einem guten Zustand gewesen seien, kann der Landkreis nicht bestätigen. Die Rinder befanden sich überwiegend in einem schlechten Ernährungszustand. Die Untersuchung von verendeten Tieren sowie von Sammelkotproben ergaben einen hochgradigen Parasitenbefall und Mineralstoffmangel der Herden und bestätigten den schlechten Ernährungszustand. Die seuchenrechtlich vorgesehenen Blutuntersuchungen sind ebenso wenig erfolgt wie eine ordnungsgemäße Kennzeichnung. Die Besatzdichte war und ist zu hoch. Bei den ersten Kontrollen konnten nicht einmal Angaben über die Anzahl der Tiere gemacht werden.Eine tägliche Inaugenscheinnahme, Dokumentation und eine zur Durchführung von Pflege- und Behandlungsmaßnahmen erforderliche Gewöhnung an Menschen war nach Ausfall der Betreuungspersonen offensichtlich nicht mehr erfolgt.Die damaligen Betreuungspersonen hatten zuvor auf ihre Überlastung hingewiesen und schließlich gekündigt. Die auf Anordnung benannten neuen Ansprechpartner haben weite Anfahrtswege und waren zum Teil nicht erreichbar und verweigerten anfänglich sogar die Mitwirkungspflicht.Bei den Pferden wurden mangelnde Hufpflege und ein Parasitenbefall sowie ein Mineralstoffmangel festgestellt. Ein lahmendes Pferd musste per Ersatzvornahme erlöst werden, weil es den Verantwortlichen nicht gelang, dieses eigenständig und zeitnah zu organisieren. Auf der Fläche in Coldam gibt es zudem Pferde, die adipös sind.

Der Vorwurf, der Landkreis habe Anordnungen mit viel zu kurzen Fristen getroffen, trifft nicht zu. Den schriftlichen Anordnungen ging eine mündliche Anordnung gegenüber den Nabu-Mitarbeitenden voraus, so dass für die Umsetzung genügend Zeit war. Der Landkreis hält die Anordnungen für sachgerecht und angemessen. Sie sind eine Reaktion auf zahlreiche und wiederholt aufgetretene Mängel, die bei der Betreuung und Versorgung von Heckrindern und Wildpferden auf den beiden Flächen aufgetreten sind. Der Landkreis war durchaus bemüht, Lösungen in Kooperation mit dem Nabu zu finden. Doch mehrfach zeigte sich, dass Absprachen nicht eingehalten und Fristen versäumt wurden und das Krisenmanagement nicht richtig funktionierte. Bereits 2008 hatten sich gravierende Mängel im Management gezeigt. Damalige Anordnungen, Sanktionen und die Reduzierung der Herden führten schließlich zu einer Verbesserung, die den Landkreis schließlich veranlasste, einer Fortsetzung dieser Projekte zuzustimmen. Dass nun wiederholt Missstände auftreten, die aus einem mangelhaften Management resultieren, lässt eine positive Prognose nicht mehr zu.

Die Erfahrungen der letzten Monate lassen aus Sicht des Landkreises nicht erwarten, dass eine dauerhaft verlässliche und tierschutzgerechte Versorgung und Betreuung der Tiere gewährleistet werden kann. Die Absicht, eine Anordnung zu erlassen, dass die Beweidungsprojekte bis zum 30. September beendet werden, ist dem Nabu schriftlich angekündigt worden – und dieser hat nun im Rahmen einer Anhörung zunächst die Möglichkeit, sich zu äußern. Als Tierhalter steht er in der Pflicht, ein Konzept vorzulegen, wie eine Beendigung des Projektes ermöglicht werden kann. Eine offizielle Stellungnahme des Nabu liegt dem Landkreis bisher nicht vor; er hat Fristverlängerung beantragt.“

Wie schon dargelegt, wird jetzt ein Gericht enzscheiden müssen, was der Wahrheit entspricht und was nicht.