Ortsbegehung im Prozess um den tödlichen Jagdunfall von Ballenstedt

Ortsbegehung im Prozess um den tödlichen Jagdunfall von Ballenstedt

Die Nachstellung möglicher Schuss-Szenarien sollte neue Erkenntnisse über den Unglückshergang geben.

Hochsitz im Wald bei Nebel (Beispielbild: rihaj)
Hochsitz im Wald bei Nebel (Beispielbild: rihaj)

Der zweite Prozesstag in der Verhandlung um den auf einer Drückjagd abgegebenen Schuss, der einen 81-jährigen Jäger tödlich am Kopf getroffen hatte, fand im Rahmen einer Ortsbegehung in einem Privatwald bei Ballenstedt statt (wir berichteten bereits hier und hier).

Auf dem Drückjagdbock, der dem getöteten Jäger zugewiesen worden war, wurde ein Scheinwerfer durch die Polizei installiert, der Aufschluss darüber geben sollte, ob ein tödlicher Schuss vom etwa 200 Meter weit entfernten Drückjagdbock der 22-jährigen Jägerin zumindest möglich gewesen sein könnte.

Darüber hinaus wurde auf Bitten seiner am Prozess beteiligten Kollegin ein Staatsanwalt hinzugezogen, der selbst Jäger ist und seine Repetierbüchse mit Zielfernrohr zu diesem Ortstermin mitführte. „Wir werden versuchen, mit Hilfe der Polizei und von Staatsanwalt Günther, der passionierter Jäger und Waffenfachmann ist, mögliche Schussszenarien darzustellen, soweit uns das möglich ist“, zitiert die „Mitteldeutsche Zeitung“ Jugendrichter Theo Buß.

Der eingeschaltete Scheinwerfer war sowohl vom Weg aus als auch vom Stand der Jägerin sichtbar. Der Staatsanwalt bestätigte, als er auf dem Drückjagdbock stehend durch das Zielfernrohr seiner Repetierbüchse links oberhalb der Hangkuppe das Licht anvisieren konnte: „Es ist eine Schussbahn da.“

Des Weiteren zeigte er sich darüber verwundert, dass die beiden Wildschweine, ein Frischling und ein junger Keiler, von der Jägerin erlegt werden konnten, der Rothirsch jedoch nicht, obwohl er sich in ähnlich großer Schussdistanz zur Jägerin befunden haben soll. Die junge Frau hatte nämlich im Vorfeld angegeben den Hirsch direkt vor sich am Hang, nur wenige Meter von ihr entfernt, beschossen zu haben. Später sei das Tier dann mit dem Rudel, mit dem es angewechselt war, nach rechts über eine Kuppe weitergezogen.

Eine Hundeführerin, die später den Anschuss auf den Hirsch kontrolliert haben soll, bestätigte, dass die Jägerin ihr eine Stelle direkt vor dem Stand am Hang als Anschuss nannte, wo sie dann auch ihren dafür ausgebildeten Hund ansetzte. Ohne Erfolg.

Dies steht jedoch im Widerspruch zu den Angaben, die vier Treiber machten, die schon während des laufenden Treibens am Sitz der jungen Frau vorbeigekommen waren und auch die beiden Stücke Schwarzwild bargen. Diese sagten aus, dass die Jägerin sie nach links den Hang hinaufgeschickt habe, um nach dem Hirsch zu sehen. „Weil dort der Hirsch beschossen worden sein soll“, zitiert die „Mitteldeutsche Zeitung“ dazu einen der Treiber. Dies habe die Angeklagte den Treibern gegenüber mit folgender Ergänzung geäußert: „Wenn ihr ihn findet, guckt mal, wie viele Enden der hat.“

Eine weitere Zeugin, die ebenfalls zu diesen vier Treibern gehörte, bestätigte die Aussage ihres Kollegen und schloss für sich damals daraus, dass die Jägerin den Hirsch nicht richtig habe ansprechen können, da sie nicht gewusst habe, was dieser auf dem Haupt trug.

Erschwert wurde der Ortstermin dadurch, dass sich die Vegetation in Folge von Stürmen und des Borkenkäferbefalls des Bestandes, in dem sich das Treiben abgespielt hatte, stark im Vergleich zu den Gegebenheiten von vor zwei Jahren verändert hatte. Der Bestand ist durch das Fällen befallener Bäume jetzt wesentlich lichter. Schon die Anfahrt des Trosses aus Polizei und Justiz sei durch gefällte Bäume behindert worden, die erst entfernt werden mussten.