Nachtsichttechnik zur ASP-Prävention

Nachtsichttechnik zur ASP-Prävention

Rheinland-Pfalz erlaubt ab sofort die Erlegung von Schwarzwild unter Verwendung von Nachtsichtvorsätzen und Nachtsichtaufsätzen

Eine Rotte Wildschweine auf einem Feld (Foto: Karl-Heinz Fritschek)
Eine Rotte Wildschweine auf einem Feld (Foto: Karl-Heinz Fritschek)

In Rheinland-Pfalz ist ab sofort die Jagd auf Wildschweine mittels Nachtsichtvorsatz- und Nachtsichtaufsatzgeräten, zur Prävention der Afrikanischen Schweinepest (ASP), erlaubt.

Die diesbezügliche Amtliche Bekanntmachung der oberen Jagdbehörde wurde am gestrigen Montag (22.06.2020) im „Staatsanzeiger für Rheinland-Pfalz, Nr. 22“ veröffentlicht.

Im Wortlaut ist dort zu lesen:

I. 

„Zur Erlegung von Schwarzwild wird gem. § 23 Abs. 3 Landesjagdgesetz (LJG) eine Ausnahme vom Verbot der Verwendung von Nachtsichtvorsätzen und Nachtsichtaufsätzen nach § 23 Abs. 1 Ziffer 8a LJG für alle Jagdbezirke in Rheinland-Pfalz zugelassen.

II. 

1. Die Ausnahme vom jagdrechtlichen Verbot der Verwendung von Nachtsichtvorsätzen und      Nachtsichtaufsätzen nach § 23 Abs. 1 Ziffer 8a LJG zur Erlegung von Schwarzwild erfolgt bis auf Widerruf.

2. Bei der Verwendung von Nachtsichtvorsätzen und Nachtsichtaufsätzen bleiben die waffenrechtlichen Vorschriften unberührt.

3. Die Geräte dürfen – anders als bei Sportoptiken – in Verbindung mit Schusswaffen über keine integrierten Vorrichtungen zum Beleuchten oder Anstrahlen des Ziels wie z. B. Infrarot-Aufheller, Lampen etc. verfügen. An dieser Stelle wird ausdrücklich auf das Merkblatt des Bundeskriminalamtes zu Nachtsichtvor- und Nachtsichtaufsätzen in der jeweils gültigen Fassung verwiesen.“

Begründung

Die Legalisierung der Nachtsichtvorsätze und Nachtsichtaufsätze erweitert die zeitlichen Möglichkeiten bei der Jagd auf Schwarzwild deutlich. Die Jägerschaft ist damit nicht mehr auf mondhelle Nächte angewiesen, sondern kann auch in Neumondphasen die Nachtjagd ausüben. Die nächtliche Bejagung der Wildschweine ist dann in einer wesentlich effektiveren Weise möglich. Zudem kann mit Hilfe dieser Technik jederzeit eine gezielte Bejagung dort vorgenommen werden, wo aktuelle Schäden durch diese Wildart verursacht werden, z. B. auf Grünland oder in landwirtschaftlichen Schlägen, wie z. B. in Weizen- oder Haferfeldern. Zusätzlich erhöhen diese Geräte bei der nächtlichen Schussabgabe auch Tierschutz- und Sicherheitsaspekte wesentlich. Es ist daher zur prophylaktischen Bekämpfung der vorgenannten Tierseuchen bei Schwarzwild sowie zur Vermeidung übermäßiger Wildschäden geboten, alle jagdrechtlichen Möglichkeiten auszuschöpfen. Zur Erlegung von Schwarzwild wird daher aufgrund § 23 Abs. 3 LJG eine Ausnahme vom Verbot der Verwendung von Nachtsichtvorsätzen und Nachtsichtaufsätzen nach § 23 Abs. 1 Ziffer 8a LJG für alle Jagdbezirke in Rheinland-Pfalz zugelassen. Die Interessen des Einzelnen haben hinter den Interessen der Allgemeinheit zurückzustehen. Die Maßnahme ist somit folglich angemessen und erforderlich.

Es wird ausdrücklich darauf hingewiesen, dass sich diese Ausnahmeregelung ausschließlich auf die Erlegung von Schwarzwild bezieht. Das nach § 23 Abs. 1 Ziffer 7 LJG bestehende Verbot der Erlegung sonstigen Schalenwildes sowie Federwildes zur Nachtzeit bleibt unberührt. 

Hintergrund

Das Land Rheinland-Pfalz hat 14 Jahre lang intensiv die Klassische Schweinepest (KSP) bei Wildschweinen bekämpft. Immer wieder kam es dabei auch zu Ausbrüchen bei Hausschweinen. Die einhergehenden Maßnahmen waren für alle Beteiligten (Landwirte, Jäger, Kommunen, Land) mit erheblichen Einschränkungen sowie personellen und finanziellen Belastungen verbunden. Die Tilgung der Tierseuche ist nur durch die Impfung der Wildschweine gelungen. Die damalige Bekämpfung hat alleine das Land über 22 Millionen EUR gekostet. Seit mehreren Jahren wird die deutsche Haus- und Wildschweinepopulation durch das Virus der Afrikanischen Schweinepest (ASP) bedroht, das bereits in zahlreichen Mitgliedstaaten der EU endemisch auftritt und sich unaufhaltsam weiterverbreitet. Neuausbrüche und Sprünge der Seuche beispielsweise in Polen und Ungarn zeigen, dass sie jederzeit auch in Deutschland ausbrechen kann. In Belgien ist die ASP keine 40 km zur rheinland-pfälzischen Grenze entfernt. Das Friedrich-Löffler-Institut schätzt das Risiko eines Eintrags von ASP nach Deutschland durch infizierte Wildschweine in der Nähe zu betroffenen Gebieten als „hoch“ ein. Ohne Schutzmaßnahmen ist von einem Eintrag in absehbarer Zukunft auszugehen.

Der Ausbruch der ASP bei Wildschweinen in Rheinland-Pfalz hätte massive Auswirkungen auf die Funktionsfähigkeit der schweinehaltenden Betriebe. Es würde zu Beschränkungen beim Verbringen von Schweinefleisch und Schweinefleischerzeugnissen in von Restriktionen betroffenen Gebieten sowie deutschlandweit durch den Wegfall des Exportmarktes kommen. Allein mit dem Export von Schweinefleisch bzw. Schweinefleischerzeugnissen werden jährlich rund 4 Mrd. EUR erwirtschaftet. Wenn dieser Markt zusammenbrechen würde, entstünde ein volkswirtschaftlicher Schaden in erheblicher Höhe. Hinzu kämen daraus resultierende Folgeschäden. Eine funktionierende Viehwirtschaft sorgt nicht nur in den Tierhaltungsbetrieben, sondern darüber hinaus auch in vor- und nachgelagerten Bereichen, wie z. B. bei Futtermittelherstellern, Transporteuren und Schlacht- und Zerlegebetrieben für Arbeitsplätze, die es zu erhalten gilt.

Die Erfahrungen mit der KSP und ASP zeigen, dass Verbringungssperren für Schweine und Schweinefleischprodukte von Drittländern jahrelang aufrechterhalten werden, auch über die Tilgung einer Seuche hinaus. Hinzu kommt, dass es bis auf die Tschechische Republik bisher keinem einzigen Mitgliedstaat oder anderen betroffenen Ländern außerhalb der EU gelungen ist, die Seuche zu tilgen. Impfstoffe existieren weder für Haus- noch für Wildschweine.

Im Falle eines ASP-Ausbruchs bei Wildschweinen zielt die Bekämpfung darauf ab, alle noch lebenden Wildschweine in einem Gebiet zu töten und alle toten Wildschweine zu bergen. Dies ist erforderlich, um die Infektionskette zu unterbrechen. Durch ein Absenken der für das ASP-Virus empfänglichen Tiere kann eine Ausbreitung verlangsamt, die Bekämpfung erleichtert und voraussichtlich wirtschaftliche Verluste eingedämmt werden. Der ASP-Erreger ist sehr stabil und bleibt lange in Umwelt, Blut und Fleisch infektiös. Kleinste Virusmengen reichen für eine Infektion aus. Dies erschwert die Seuchenbekämpfung zusätzlich.

Erfolgt jedoch die Reduktion des Wildschweinbestandes vor einem Seuchenausbruch, kann die Bekämpfung, aufgrund der oben genannten Probleme, erleichtert werden, da weniger empfängliche Tiere in einem Gebiet vorhanden sind. Aus all diesen Gründen kommt der verstärkten Bejagung und der prophylaktischen Reduktion der Wildschweinpopulation für eine Tierseuchenbekämpfung eine immense Bedeutung zu.

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„Staatsanzeiger für Rheinland-Pfalz, Nr. 22“