Mit der „Königsbrücker Heide“ hat Deutschland sein erstes Wildnisgebiet

Veröffentlicht am 25.08.2023

Das Naturschutzgebiet Königsbrücker Heide: Seit Mittwoch (23.8.) Wildnisgebiet nach den Kriterien der internationalen Naturschutzorganisation IUCN

In einem Wildnisgebiet müssen die natürlichen Prozesse ungestört ablaufen können. (Symbolbild: Andreas auf Pixabay)
In einem Wildnisgebiet müssen die natürlichen Prozesse ungestört ablaufen können. (Symbolbild: Andreas auf Pixabay)

Das Naturschutzgebiet Königsbrücker Heide erlangte am Mittwoch, dem 23. August 2023, den Status eines Wildnisgebiets gemäß den Kriterien der internationalen Naturschutzorganisation IUCN. Es ist damit das erste Gebiet in Deutschland, dem diese Auszeichnung verliehen wurde. Sachsens Umweltminister Wolfram Günther nahm die Anerkennungsurkunde persönlich entgegen, die ihm von Dr. Eick von Ruschkowski, Vertreter der IUCN, in Königsbrück überreicht wurde. Die IUCN (Internationale Union für Naturschutz) würdigt vor allem den Umstand, dass über 80 Prozent der über 7.000 Hektar großen Fläche des Schutzgebiets der natürlichen Entwicklung überlassen bleiben.

Umweltminister Günther betrachtet diese Entwicklung als einen Meilenstein in den langjährigen Bemühungen. Er betonte, dass die Anerkennung der Königsbrücker Heide als Wildnisgebiet einen großen Erfolg für die Natur und die Menschen in der Region darstellt. In einem dichtbesiedelten Land sei die Etablierung eines Wildnisgebiets keine Selbstverständlichkeit. Die Königsbrücker Heide sei ein einzigartiger ökologischer Schatz, der in Zeiten des weltweiten Artensterbens und des Verlusts von Lebensräumen von unschätzbarem Wert sei. Hier könne die Natur in ihrer reinsten Form existieren, und zahlreiche Arten fänden hier wichtige Rückzugsräume. Zudem könne man aus der Wildnis und ihrer natürlichen Dynamik lernen, wie man anderswo Arten schützen könne. Die Königsbrücker Heide fördere auch Naturerleben, Umweltbildung und regionale Entwicklung, da sie Besucher anziehen werde. Günther dankte allen Beteiligten, die an diesem Erfolg mitgewirkt haben, insbesondere dem Naturschützer Heinz Kubasch, der sich unermüdlich für den Schutz und die natürliche Entwicklung des ehemaligen Truppenübungsplatzes eingesetzt habe.

Dr. Eick von Ruschkowski, Vertreter der IUCN, gratulierte im Namen der internationalen Organisation und hob hervor, dass die Königsbrücker Heide bemerkenswert von einem Militärgebiet in ein Wildnisgebiet umgewandelt worden sei. Die Auszeichnung als IUCN-Wildnisgebiet Kategorie Ib sei ein Novum für die Bundesrepublik Deutschland und bringe internationale Anerkennung nach Sachsen. Sie zeige nicht nur, dass die Gesellschaft in der Lage sei, der Natur etwas zurückzugeben, was zuvor zerstört wurde, sondern auch, dass der Naturschutz einen langen Atem erfordere, da natürliche Prozesse oft Jahrzehnte oder noch längere Zeiträume beanspruchten.

Dr. Romy Reinisch, Beigeordnete des Landratsamtes Bautzen, erklärte, sie sei erfreut darüber, dass es gelungen sei, die Rechtsverordnung für das Naturschutzgebiet den hohen Anforderungen einer internationalen Schutzkategorie anzupassen. Sie hoffe auch, dass das erste großflächige Wildnisgebiet in den neuen Bundesländern nicht nur dem Naturschutz im Landkreis eine größere Akzeptanz verschaffe.

Die Kriterien für Wildnisgebiete nach der IUCN-Kategorie Ib sind:

Die Größe des Schutzgebiets, um Ökosysteme in ihrer Gesamtheit zu schützen.Die Notwendigkeit, natürliche Prozesse ungestört ablaufen zu lassen und menschliche Eingriffe zu vermeiden.Das Fehlen von Siedlungen oder Infrastrukturen, außer kleinen Besucherlenkungsmaßnahmen, was den Verzicht auf Beton und Asphalt bedeutet.

Die Auszeichnung der Königsbrücker Heide als Wildnisgebiet beruhte auch darauf, dass die Fläche eine große Pufferzone besitzt und wenig Infrastruktur in der Umgebung aufweist. Der Rückbau von Infrastrukturen und die Erstellung einer Schutzgebietsverordnung, die natürlichen Prozessen Raum lässt und menschliche Eingriffe minimiert, waren ebenfalls von Bedeutung.

Besucher haben zahlreiche Möglichkeiten, die Wildnis und ihre Entwicklung vor Ort zu erleben, darunter Themenpfade wie der Biberpfad oder die Heidepfade sowie Aussichtspunkte. Die „Wildnisstation“ dient der Durchführung von Veranstaltungen und als Stützpunkt für Juniorranger. Die Schutzgebietsverwaltung bietet geführte Wanderungen und Bus-Exkursionen ins Gebiet an, was ebenfalls zur Anerkennung durch die IUCN beitrug.

Die Königsbrücker Heide befindet sich etwa 30 km nördlich von Dresden und gehört naturräumlich zum Oberlausitzer Heideland. Sie zeichnet sich durch eine große biologische Vielfalt aus, basierend auf einem Wechsel von sehr trockenen und feuchten Standorten und Lebensräumen. Dies führt zu einer Vielfalt an seltenen Tier- und Pflanzenarten wie Bibern, Fischottern, Seeadlern, Bekassinen, Grauspechten und Rotbauchunken sowie einer Vielzahl von totholzbewohnenden Käfern, natürlichen Eichenmischwäldern auf Sandebenen, Schwarzpappeln und Unterwasservegetation von nationaler Bedeutung. Als ehemaliger Truppenübungsplatz ist die Fläche ein gutes Beispiel für „sekundäre Wildnis“, die sich auf stark von Menschen beeinflussten Standorten entwickelt. Die Königsbrücker Heide wurde 1992 vorläufig als Naturschutzgebiet gesichert und 1996 offiziell als solches festgesetzt. Nach einer Neufassung der Schutzgebietsverordnung durch den Landkreis Bautzen im Jahr 2022 umfasst sie eine Fläche von 7.036 Hektar. Etwa 99 Prozent dieser Fläche befinden sich im Besitz der öffentlichen Hand. Von 1907 bis 1992 wurde die Königsbrücker Heide intensiv als Truppenübungsplatz genutzt, wodurch das Gebiet noch heute durch Munitionsrückstände belastet ist.