Marderhunde: Wie gefährlich sind die invasiven Allesfresser wirklich?

Veröffentlicht am 07.12.2023

Forscher untersuchten die Übertragungsgefahr von Krankheitserregern und potenzielle Auswirkungen auf einheimische Organismen durch Marderhunde

Der ursprünglich in Asien beheimate Marderhund gilt in Europa als invasive Art. (Foto: WildMedia)
Der ursprünglich in Asien beheimate Marderhund gilt in Europa als invasive Art. (Foto: WildMedia)

In einer gemeinsamen Studie haben Wissenschaftler des Senckenberg Biodiversität und Klima Forschungszentrums und der Goethe-Universität Frankfurt im Rahmen des Verbundprojektes ZOWIAC das Fressverhalten von Marderhunden und ihre potenzielle Gefahr für die Übertragung von Parasiten untersucht. Die Ergebnisse der Studie, veröffentlicht im „International Journal for Parasitology: Parasites and Wildlife“, weisen darauf hin, dass die aus Asien eingewanderten Marderhunde eine vielfältige Parasitenfauna beherbergen. Im Gegensatz zu Waschbären stellen sie bisher jedoch keine unmittelbare Bedrohung für die heimische Tierwelt dar.

Der Marderhund (Nyctereutes procyonoides), auch als Tanuki oder Enok bekannt, ist Allesfresser und frisst neben Aas, Pflanzen und Nüssen auch Vögel, Eier, Amphibien, Schnecken, Insekten, Fische und Kleinsäuger. Darüber hinaus fühlt er sich in unterschiedlichen Lebensräumen wohl und kommt sowohl in verschiedenen Waldtypen, in Buschland, landwirtschaftlichen Gebieten und manchmal sogar im urbanen Raum vor.

Grafik zur Ernährung der untersuchten Marderhunde nach Nahrungsbestandteilen, mit * gekennzeichnete Arten wurden vermutlich in Form von Aas konsumiert. Rechte Seite: Nahrungsorganismen, die als Zwischenwirt für in der Studie identifizierte Parasiten dienen. (Grafik: Dorian Dörge)
Grafik zur Ernährung der untersuchten Marderhunde nach Nahrungsbestandteilen, mit * gekennzeichnete Arten wurden vermutlich in Form von Aas konsumiert. Rechte Seite: Nahrungsorganismen, die als Zwischenwirt für in der Studie identifizierte Parasiten dienen. (Grafik: Dorian Dörge)

„Es ist demnach kaum verwunderlich, dass sich Marderhunde immer weiter ausbreiten. Im 19. Jahrhundert wurden sie aus ihrem anfänglichen Lebensraum in die damalige Sowjetunion gebracht und in Pelzfarmen gehalten. Von dort aus wanderten die Tiere nach Mitteleuropa ein. In Deutschland wurde der erste Marderhund 1962 im Emsland gesichtet, mittlerweile finden wir sie in rund einem Drittel aller Jagdreviere der Bundesrepublik und sie sind seit 2019 als invasive Art von europäischer Bedeutung gelistet“, erklärt Prof. Dr. Sven Klimpel vom Senckenberg Biodiversität und Klima Forschungszentrum, der Goethe-Universität Frankfurt, dem LOEWE-Zentrum für Translationale Biodiversitätsgenomik (TBG) und dem Fraunhofer IME Gießen.

Klimpel hat mit Anna Schantz, Erstautorin der neuen Studie, und weiteren Forschern der Goethe-Universität Frankfurt im Rahmen des Verbundprojektes ZOWIAC (Zoonotische und wildtierökologische Auswirkungen invasiver Carnivoren) untersucht, welche Gefahren die Ausbreitung der Allesfresser, die jährlich sechs bis zehn Welpen werfen, für die heimische Tierwelt, aber auch die menschliche Gesundheit haben kann.

Mikroskopaufnahme des Fuchsbandwurms Echinococcus multilocularis aus dem Dünndarm eines untersuchten Marderhundes. (Foto: Anna Schantz)

Sechs der identifizierten Endoparasiten weisen laut der Forscher ein humanpathogenes Potenzial auf und sind somit imstande den Menschen zu befallen und Krankheiten auszulösen, wie der Fuchsbandwurm (Echinococcus multilocularis), der Hundespulwurm (Toxocara caris) und der Hakenwurm (Uncinaria stenocephala).

Mikroskopaufnahme des Fuchsbandwurms Echinococcus multilocularis aus dem Dünndarm eines untersuchten Marderhundes. (Foto: Anna Schantz)

„Wir haben Mageninhaltsanalysen und parasitologische Untersuchungen an 73 Marderhunden aus Deutschland durchgeführt. Darüber hinaus wurden auch Kotproben der Tiere analysiert“, fasst Anna Schantz die Methodik zusammen und fährt fort: „Insgesamt konnten wir dabei 20 Parasitenarten nachweisen, von denen der Igelfloh (Archaeopsylla erinacei), der Katzenfloh (Ctenoephalides felis) sowie der Nematode (Porrocaecum depressum) erstmalig für den Marderhund in Europa nachgewiesen wurden.“

„Marderhunde in Deutschland beherbergen nicht nur eine Vielzahl von Parasiten, die die Gesundheit von Menschen, Wild-, Nutz- und Haustieren gefährden können. Auch Krankheitserreger, wie das Coronavirus können sie potenziell übertragen. Im Marderhundgenom haben wir bereits 2021 die Gene für zwei Membranproteine identifiziert, an die SARS-CoV-2 andocken kann und dies in einer Studie im Fachjournal ‚Frontiers in Genetics‘ veröffentlicht. Sie bilden die genetische Grundlage dafür, dass sich Marderhunde mit dem Coronavirus infizieren und es übertragen können“, so Klimpel.

Mageninhalt eines untersuchten Marderhundes. Inhalt der Glasschalen v.l.n.r. Erdkröte Bufo bufo, genetisch nicht weiter identifizierbarer tierischer Mageninhalt, Larven des Gemeinen Weichkäfers Cantharis fusca und des Nachtfalters Noctua pronuba. (Foto: Anna Schantz)
Mageninhalt eines untersuchten Marderhundes. Inhalt der Glasschalen v.l.n.r. Erdkröte Bufo bufo, genetisch nicht weiter identifizierbarer tierischer Mageninhalt, Larven des Gemeinen Weichkäfers Cantharis fusca und des Nachtfalters Noctua pronuba. (Foto: Anna Schantz)

Die Studie verdeutlicht, dass Marderhunde aufgrund ihrer omnivoren Ernährung einen Prädationsdruck auf einheimische Arten ausüben. Anders als beim Waschbär gehe von den Tieren aber eine deutlich geringere Gefährdung für die heimische Tierwelt aus, da sie – wie beispielsweise Dachse – eher „sammelnd“ durch ihre Reviere streifen und daher keine hohen, regionalen Populationsdichten erreichen. „Dennoch gilt es hier genau hinzuschauen: Die Ausbreitung des Marderhundes in Europa ist noch nicht abgeschlossen. Die Ergebnisse unserer Studie dienen dazu, die möglichen Auswirkungen des Marderhundes auf die heimische Biodiversität, sowie die menschliche und tierische Gesundheit auch zukünftig besser einschätzen zu können und möglichen Risiken vorzubeugen“, gibt Klimpel abschließend noch einen Ausblick.

Publikationen:Schantz, A.V., Dörge, D.D., Peter, N., Klimpel, S., 2023. The hidden threat: Exploring the parasite burden and feeding habits of invasive raccoon dogs (Nyctereutes procyonoides) in central Europe. Int. J. Parasitol. Parasites Wildl. 22, 155–166. https://doi.org/10.1016/j.ijppaw.2023.10.004

Chueca, L.J., Kochmann, J., Schell, T., Greve, C., Janke, A., Pfenninger, M., Klimpel, S., 2021. De novo genome assembly of the raccoon dog (Nyctereutes procyonoides). Front. Genet. 12, 559. https://doi.org/10.3389/fgene.2021.658256